(Helmut Harff / Chefredakteur) Sie kennen Remerschen nicht? Damit sind Sie nicht allein. Selbst in Luxemburg kennt man die kleine Gemeinde im Dreiländereck von Deutschland (Saarland), Frankreich (Lothringen) und Luxemburg kaum. Und doch wurde hier zumindest europäische Geschichte geschrieben.
Die Geschichte ist allerdings nach einem Ortsteil der Gemeinde Remerschen - nach Schengen - benannt. Nun dämmert es sicherlich. In dem kleinen Winzerdorf an der Mosel, beziehungsweise auf einem Schiff, das dort vor Anker lag, trafen sich die Vertreter von fünf EU-Mitgliedstaaten. Auf der MS Marie-Astrid wurde ein Vertrag unterzeichnete, der den Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen und die Einführung des freien Personen- und Warenverkehrs vorsah.
Was damals, am 14. Juni 1985, in dem kleinen Örtchen passierte, das vor diesem denkwürdigen Datum nur mit einer sehenswerten Kirche, einem Schloss und den Überreste einer Wasserburg aufwarten konnte, erfährt man heute im Europäischen Informationszentrum Centre Européen. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich das Denkmal an das Schengener Abkommen.
Schön, also Schengen, denken jetzt viele. Doch wer sich an die Zeit vor diesem Abkommen erinnert, wer die Grenzkontrollen zwischen Ost- und Westeuropa oder den damals als sozialistische Staatengemeinschaft firmierenden Ländern erinnert, wird auch heute Schengen in den höchsten Tönen loben. Wie stressfrei wir heute durch fast ganz Europa reisen können, wurde mir wieder einmal bei meiner Reise in den Senegal deutlich. Reise ich in Europa, so benötige ich eigentlich nur noch meinen Ausweis. Keiner kontrolliert meine Fingerabdrücke, sieht mir kritisch ins Gesicht, will nicht wissen was ich so treibe, will keine ausgefüllten Formulare.
Ich finde diese - meine Freizügigkeit eine der großen Errungenschaften des mehr oder weniger vereinten Europas. Wenn ich mich schon so frei bewegen kann, was mag das für den Warenverkehr bedeuten? Das kann ich mir kaum ausmalen.
Ja, ich höre jetzt schon wieder die Bedenkenträger: Die Kriminellen haben auch freie Fahrt. Stimmt, doch die haben sich noch nie um Grenzen, um Grenzkontrollen gekümmert. Kriminelle finden immer Wege, ihrer "Tätigkeit" nachzugehen. Allerdings habe ich nie verstanden, warum all die Menschen. die einst an den europäischen Binnengrenzen uns und die Waren kontrollierten, nicht zum Schutz vor Kriminellen eingesetzt wurden. Statt dessen wurden die Sicherheitskräfte - Bundes- und Landespolizei sowie der Zoll - immer weiter abgebaut. Ob sich das die Politiker vor 30 Jahren auf der MS Marie-Astrid so gedacht haben?
Die haben, auch das erfährt man im Europäischen Informationszentrum Centre Européen, damals ziemlich dicke Bretter zu bohren gehabt. Die Wiederstände gegen offene Grenzen innerhalb Europas waren beträchtlich. Leider gibt es die bis heute.
Übrigens: In Schengen kann man nicht nur Geschichte hautnah erleben oder ein Schloss besichtigen. Von Schengen aus führt die "Luxemburgische Weinstraße" entlang der Mosel in nordöstlicher Richtung bis an die Mündung der Sauer. Hier kann man es sich so richtig gut gehen lassen, bei leckerem Essen und einem herrlichen Moselwein. Man muss auch keine Grenzkontrolle fürchten, wenn man in Deutschland frühstücken, in Luxemburg zum Mittag und in Frankreich zum Abend essen will. Weit laufen muss man dazu im Dreiländereck um Schengen auch nicht.
Aufgespießt: 30 Jahre Remerschen
Die Grenzen in Europa verschwanden
Veröffentlicht am: 14.06.2015
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