Wie hier schon mehrmals geschrieben, war ich unterwegs in der République de Côte d'Ivoire, bei uns besser als die Elfenbeinküste bekannt, unterwegs. Große Teile – man spricht von rund 33 Prozent - der Ivorer sind Christen. Die größte Kirche ist die Basilika Notre-Dame-de-la-Paix (deutsch Unserer Lieben Frau des Friedens) in der offiziellen Hauptstadt Yamoussoukro. Sie gleicht in ihren Ausmaßen dem Petersdom in Rom.
Mich interessierte allerdings ein Gottesdienst in einer ganz normalen Kirche in Abidjan, der größten Stadt des Landes. Ich war der einzige Weiße unter all den schick gemachten Einheimischen. Gewohnt in heimischen Gottesdiensten fast immer vor Langeweile fast einzuschlafen, hoffte ich auf einen ganz anderen Gottesdienst und wurde nicht enttäuscht.
Obwohl ich kein Wort verstand und als Protestant auch noch in einer katholischen Kirche gelandet war, war ich die ganze Zeit hellwach. Klar, es war alles neu, alles ungewohnt, alles lauter, farbenfroher und einfach anders. Im Gegensatz zu unseren Kirche war die in Abidjan rappelvoll. Nun könnte man ja sagen, dass die armen Schwarzen sonst keine Ablenkung haben, doch in einer 5-Millionen-Einwohnerstadt ist das wohl nicht wahr. Ich hatte den Eindruck, die Menschen hatten einfach Spaß.
Wann hatte ich in bei einem Gottesdienst mal Spaß? Da musste schon eine Ente bis in den Altarraum watscheln, damit ich mal bei einem Gottesdienst lachen konnte. Lachen im Gottesdienst? Einen Gottesdienst wirklich feiern? In einer deutschen Kirche? Wo erlebt man das wirklich? Wenn ich hier in den Gottesdienst gehe, was immer seltener passiert, dann langweile ich mich, dann höre ich viel zu oft Geschwafel, Worthülsen, dann höre ich kaum noch zu. Die Zeiten, in der Kirche, in der Pfarrer mir noch etwas zu sagen hatten, sind lange her. Das war in der DDR so.
Und heute, da kenne die meisten Pfarrer ihre „Schäfchen“ kaum noch, weil die Pfarreien häufig riesige Ausmaße haben. Die Pfarren sind Wanderprediger geworden, die von Gottesdienst zu Gottesdienst eilen und ihr Ding runter spulen. Woher sollen Sie da noch wissen, was um den Kirchturm herum passiert, unter dem sie gerade predigen? Wie soll es zu einem Gespräch zwischen dem Pfarrer und mir kommen, wenn der in einer halben Stunde schon den nächsten Gottesdienst woanders abhalten muss?
Gottesdienste bei uns sind – so mein Eindruck – immer beliebiger geworden. Das ist wahrscheinlich auf dem Land noch schlimmer als in den Städten. Früher waren die Kirchen nicht nur Orte, in denen Gottesdienste gehalten in denen getauft und geheiratet wurde. Damals waren Sie die geistigen Mittelpunkte, traf man sich zu den verschiedensten Aktivitäten, dort wurde ein Miteinander gepflegt, wurde musiziert und auch gestritten. Der Pfarren war eine Respektsperson, der auch mal ins Haus kam, seine Schäfchen besuchte, wusste wo der Schuh drückte.
Gottesdienste, das waren die Höhepunkte einer arbeitsreichen Woche. Man zog seinen Sonntagsstaat an und ging anschließend ins Wirtshaus. Ich bin der Überzeugung, dass es einen direkten Zusammenhang mit der Langeweile in den Gottesdiensten und dem damit einhergehenden Rückgang der Gottesdienstbesuche und dem Sterben von Dorfgasthäusern gibt. Die sind in Brandenburg – hier gibt es kaum noch Kirchgänger - fast ausgestorben. Ich sehe auch einen Zusammenhang zwischen den rückläufigen Gottesdienstbesuchen und dem Ende vom Sonntagsstaat. Wer hat heute noch „etwas für Gut“ im Kleiderschrank zu hängen?
Die Säkularisierung unseres Lebens ist eine Tatsache, doch aus meiner Sicht hat sie unser Leben ärmer gemacht. So gesehen sind die Menschen in der Elfenbeinküste reicher als wir. Das sollte uns gerade im Lutherjahr zu denken geben.
So nun gibt es erst einmal Frühstück.
Ihnen wünsche ich ein genussvolles und gesegnetes Sonntagsfrühstück.
Morgengruß von Helmut Harff: Göttliche Langeweile
Muss das sein?
Veröffentlicht am: 07.05.2017
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