(Helmut Harff/Chefredakteur) Selbst gemacht, das war in meiner Kindheit etwas völlig normales. Selbst gestricktes von meiner Mutter stand da auf der Beliebtheitsleiter deutlich weiter unten, als selbst gebautes von meinem Vater. Dabei hatten sich beide mindestens die gleiche Mühe gegeben, doch das Auto von Vater kratzte nun mal weniger als der Pullover von Mutter.
Selbst gemacht, das war auch später noch angesagt. Ob das nur mit dem immer wieder auftretenden Mangel in der DDR zusammenhing oder ob man so einfach auch Geld sparen wollte? Es war sicherlich eine Mischung aus beidem. Auch ich gehörte damals zu den Selbermachern, verdiente damit gar nicht schlecht. Mangelwirtschaft bietet häufig mehr Chancen, als übervolle Supermärkte und Kaufhäuser.
Dann war plötzlich selber machen völlig out. Vieles machte keinen Sinn mehr, vieles konnte man einfach nicht mehr selber machen. Doch das änderte sich wieder pö a pö. Plötzlich waren da wieder Dinge, die man selber macht. Dinge von der Stange waren nicht mehr angesagt. Mann und Frau legten wieder selber Hand an. Es wurde gestrickt, dass die Nadel glühte. Und, man trug es gern, denn nichts kratzte mehr.
In war damals, wer etwas selber machte. Man trug wieder selber gestricktes, filzte um die Wette und griff sogar wieder zur Laubsäge. Das legte sich - wie das bei Moden so üblich ist - wieder mit der Zeit.
Und heute? Da möchte man wissen, was man da in den Händen hält. Heute will man vor allem wissen, was man isst. Die Folge ist, dass vor allem selbst gezogenes Obst und Gemüse wieder ganz hoch im Kurs steht. Selbst in Nobelrestaurants - oder gerade dort - bekommt man Leckereien, die in kleinen Handwerksbetrieben, in Manufakturen produziert wurden. Regionalität, aber auch Originalität sind genau wie Rezepturen aus der guten alten Zeit wieder angesagt. Selber machen, selber einkochen, selber Nudeln machen, selber Obst und Gemüse anbauen - das ist so wenig spießig wie seit Ewigkeiten nicht mehr.
Da verwundert es nicht, dass vor allem Großstadtmenschen auf der eigenen Scholle anbauen möchten, was so selbst ein Bio-Supermarkt nicht bietet. Dem dortigen Angebot traut man ohnehin immer weniger.
So mutieren immer mehr Leute, die es sich leisten können, zum Kleingärtner und Selbermachern. Manchmal haben sie einen grünen Daumen, manchmal ist der auch blau. Auch ein Handwerker fällt nicht vom Himmel.
Selber gemacht, dass gilt heute als Qualitätsmerkmal. Doch ist es das? Wie gesund ist eigentlich, was da selber gezüchtet und veredelt wird? So genau fragt da kaum einer nach. Selbst gemacht ist eben mindestens genauso gut wie Made in Germany.
Hoffentlich ist die selbst gekochte Marmelade wirklich besser als die Abgaswerte eines Dieselautos.
Aufgespießt: Selbst gemacht
… oder selber gezogen
Veröffentlicht am: 26.06.2017
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