Die Älteren und die Filmfans denken bei der heutigen Überschrift gleich an den Film „Die Legende von Paul und Paula“ und den Hit der Phudys, der übrigens aus der Feder von Peter Gotthardt stammt. Mir geht es heute weniger um den Film, als um den Drachen.
Drachen steigen war in meiner Kindheit ein Herbstvergnügen für mich und meinen Vater. Der Rest der Familie blieb da irgendwie außen vor. Der Spaß begann schon auf dem Küchentisch. Der wurde zur Drachenbauwerkstatt. Einige dünne Leisten fanden sich immer, wozu war Vater Tischler. Dazu Drachenpapier, Kleber, Schnur und Krepppapier für das wichtigste – den langen Drachenschwanz. Es dauerte nicht sehr lange und der Drache war fertig.
Nun musste nur noch der nächste Sonntag Drachenwetter aufweisen. Ja, das ging nur am Sonntag, denn damals wurde auch noch am Sonnabend gearbeitet. Also, es durfte nicht regnen und der Wind musste nicht zu stürmisch wehen. Dann ging es auf die baum- und strommastenfreie Wiese, auf der sich garantiert schon andere Vater-und-Sohn-Teams mit ihren Drachen eingefunden hatten. Was hatten wir für einen Spaß.
Später sah ich immer weniger Drachensteiger und die, die ich sah, waren gestandene Männer – zumeist ohne Sohn – die wahre Ungetüme von Drachen steigen ließen. Vergleicht man die Drachen mit Frauen – was selbstverständlich politisch unkorrekt ist – so glich mein Drachen eher Twiggy, der der Großdrachenbauer eher einer drallen Rubensschönheit.
An all das erinnerte ich mich, als ich vor einigen Tagen – es waren noch Sommer-Schulferien – einen Sohn mit seinem Vater beim Drachensteigen auf einem abgeernteten Feld beobachtete. Es war zu sehen, dass beide wohl auch im Hobbykeller ihren Drachen gebaut haben.
Ich hatte schon lange keinen Kinderdrachen mehr am Himmel gesehen. Ob das an meiner eingeschränkten Wahrnehmung lag oder ob der Drache wirklich vom Himmel verschwunden ist? Ich weiß es nicht. Ich befürchte allerdings, dass Drachensteigen nicht mehr ein wirkliches Highlight im Leben von Vater und Sohn ist. Ein Indiz dafür ist, dass man unter dem Stichwort „drachen bausatz“ bei Amazon nur wenige Angebote bekommt. Ob das daran liegt, dass man so einen Drachen nicht per App steuern kann?
Doch egal, ich bekam Lust darauf, noch einmal Kind zu sein und besorgte mir einen Drachenbausatz. Teuer sind die nun wirklich nicht und auch ein handwerklich nur mäßig begabter Mensch wie ich bekommt einen ganz passablen Drachen hin. Also ab auf die Wiese und hoch mit dem Drachen. Vater ist nicht mehr und die Zeiten haben sich gewandelt. Also musste die beste Frau der Welt die Rolle des Drachenvaters übernehmen. Es ist schon selten, dass Engel Drachen starten lassen. Gibt uns das zu denken?
Nein! Aber, das Drachensteigen hat so richtig Spaß gemacht, auch wenn sich der Drache erst geziert hat, in den wolkigen Himmel aufzusteigen. Werden Sie mal wieder Kind oder eben Drachenvater und lassen Sie Ihren Drachen steigen.
Ich gehe jetzt erst einmal zu ihr – frühstücken.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und den richtigen Drachenwind.
Morgengruß von Helmut Harff: … und lass deinen Drachen steigen
Ist das noch modern?
Veröffentlicht am: 10.09.2017
Ausdrucken: Artikel drucken
Lesenzeichen: Lesezeichen speichern
Feedback: Mit uns Kontakt aufnehmen
Newsletter: Newsletter bestellen und abbestellen
Twitter: Folge uns auf Twitter
Facebook: Teile diesen Beitrag auf Facebook
Hoch: Hoch zum Seitenanfang
Nächsten Artikel: lesenVorherigen Artikel: lesen