Noch immer ist Modewoche in Berlin und ich auf der Suche nach den neuen Trends. Wahrlich nicht mehr neu ist die Öko-Mode. Allerdings definiert jeder anders, was denn eigentlich Öko-Mode ist.
Zu allererst einmal ist Öko-Mode nichts anderes als Mode, die der Konsument kaufen und tragen soll. Nun kann man zu dem Thema stehen wie man will, aber das, was die Öko-Modemacher gerade präsentieren, ist erstmal genauso tragbar wie viele andere Mode. Es gibt Dinge, die gefallen und über andere schweigt des Sängers Höflichkeit.
Die meisten Anbieter sind ziemlich professionell geworden, denn wer sich am Markt behaupten will, muss raus aus der Gutmenschen-Nische und er muss den Mark mit dem bedienen, was der will. Der will vor allem tragbare Mode, immer lieber auch solche, bei der der Träger kein schlechtes Gewissen hat.
Und hier liegt das Problem. Es gibt die unterschiedlichsten Formen von dem, was sich Öko-Mode nennt. Das kann man überhaupt nicht mehr überschauen. Die einen verwenden recycelte Produkte, machen aus alten PET-Flaschen, aus alten Jeans oder sogar aus alten Pelzen wieder neue Produkte, andere lassen in Billiglohnländern produzieren, wieder andere verwenden nur ökologisch einwandfreie und zertifizierte Produkte, wieder andere unterstützen irgendwelche Projekte irgendwo auf der Welt. Die Liste ließe sich noch lange fortführen. Ganz sicher gehört in das Segment Öko-Mode auch alles, was sich mit dem Begriff Vegan schmückt.
Doch was heißt das? Wir regen uns zum Beispiel darüber auf, dass Näherinnen in Indien so schlecht bezahlt werden. Wenn dort aber niemand mehr produzieren lässt, haben hunderttausende Menschen gar keine Arbeit, gehen unzählige Kinder nicht nur nicht in die Schule sondern hungrig ins Bett. Komisch ist, dass wir uns über das Lohnniveau in klassischen Produktionsländern wie der Türkei, Portugal oder der Ukraine nicht aufregen. Wir beschweren uns im Übrigen auch nicht, wenn die Schweiz im Billiglohnland Deutschland produzieren lässt oder hier Näherinnen nur den Mindestlohn bekommen.
Genauso problematisch ist das Recyceln von Rohstoffen. Das klingt immer so toll, doch vieles wird quer über den Globus geschickt, wird mit viel Energie und Wasser in Mode verwandelt. Ob das in jedem Fall wirklich ökologisch ist?
Ähnlich verhält es sich mit veganer Mode. Ist die aus hierzulande angebauten und hier verarbeiteten Rohstoffen gefertigt, mag das ja noch gehen, aber in vielen Fällen ist das eben nicht der Fall. Für mich sehr kritisch wird es, wenn traditionelle Rohstoffe durch solche, die wir eigentlich essen sollten oder die aus den Chemiebetrieben kommen, ersetzt werden.
Und dann sind da noch die ganzen Siegel. Mal ehrlich, da sieht doch keiner mehr durch. Schließlich kann jeder ein Siegel vergeben - auch der Hersteller an sich selber. Er gründet flugs eine Organisation, druckt schöne Urkunden und fertig ist der Laden. Siegel - bis auf ganz wenige Ausnahmen - sind so sinnvoll wie die Kraftstoff-Verbrauchsangaben der Autohersteller.
Für mich stellt sich bei all der Mode, die sich als Öko bezeichnet immer mehr die Frage nach dem ökologischen Fußabdruck, den die Produkte hinterlassen. Der ist in vielen Fällen verdammt groß. Da macht es für mich aus ökologischer Sicht viel mehr Sinn, eine traditionell gefertigte tolle Jeans, eine tolle Lederjacke, ein tolles Hemd und einen wirklich guten Anzug zu kaufen, an denen ich lange Freude habe und die ich dann auch lange trage.
Fragen Sie bei ihrem nächsten Einkauf ruhig mal nach dem ökologischen Fußabdruck, wenn die Verkäuferin ihnen wieder eine schöne Geschichte, von Siegel, von Fair Trade, von Nachhaltigkeit und ähnlichem erzählt.
Mein Frühstücksbrötchen ist zmindest insofern ökologisch, als der Bäcker es vor Ort gebacken hat.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück. Bleiben Sie kritsch und modebewusst.
Morgengruß von Helmut Harff: Genauer hinsehen
Öko-Mode? Nachhaltige Mode?
Veröffentlicht am: 18.01.2018
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