Wenn ich auf meine Ahnen zurück blicke, so ist das eher ein Blick im Zorn. Wären die nicht verarmt und hätten zu gern zu tief ins Glas geblickt, so würde ich jetzt Helmut Baron von Harff, Vicomte de Monfort heißen. Ich würde das toll finden.
Hätte man 1972 das Schloss nicht der Braunkohle geopfert – es wurde gesprengt – so würde ich vielleicht heute vor meinem Rechner im Schlossturm im Bedburger Ortsteil Morken-Harff sitzen.
Auch das würde ich toll finden. Doch ich wüsste dann wahrscheinlich nicht, dass es im brandenburgischen Dorf Klein Loitz ein Schloss gibt, dass dort das Romy-Scheider-Museum seinen Sitz hat und dort Ariane und Uwe Rykow zwei ganz liebe und extrem engagierte Künstler und Museumsbetreiber ihr (Un)wesen treiben.
Was beides nun miteinander zu tun hat? Die Klein Loitzer Schlossbesitzer veranstalten unter anderem Lesungen. Deshalb fuhr gestern Lo Graf von Blickensdorf vor und las aus seinen Büchern „Werden Sie doch einfach Graf“ und „Abnehmen mit Torte“. Wenn Sie irgendwo die Bücher ergattern können – unbedingt kaufen. Sie werden es nicht bereuen.
Doch das nur am Rande. Mich verbindet mit dem Grafen sehr viel, denn wir sind Brüder im Geiste. Der Graf bezeichnet sich selber als Selfmadeadligen und ging damit einen gewaltigen Schritt weiter als ich. Wie er erzählte, hatte er allen Lebensmut verloren, auch künstlerisch ging es nicht voran. Da war guter Rat mehr als nur teuer, doch es ereilte ihn einer, der sein Leben total auf den Kopf stellt. Ein Freund riet ihm vielleicht mehr im Scherz: Werde doch einfach Graf. Das klingt ziemlich dämlich, aber es ist wirklich möglich. Graf ist ja schon lange kein Titel mehr, sondern ein Namenszusatz. Von der Erkenntnis bis zum Künstlernamen war es dann nicht mehr weit. Bald hielt der dann Graf seine Visitenkarten mit Titel und Wappen in der Hand. Seit dem ging es mit Graf Lo wieder steil bergauf.
Nun denke man sich nicht, dass man sich einfach so mal einen Künstlernamen zulegt und fertig. Als Graf muss man schon standesgemäß auftreten, entsprechend gekleidet sein, die richtigen Umgangsformen beherrschen, eben ein richtiger Graf sein, wie sich das so jedes Mädchen jeden Alters vorstellt. Um es kurz zu machen, Graf Lo musste seine schwarze Existenzialisten-Kluft gegen ein herrschaftliches Gewand nebst Flaneurstock tauschen – er musste Graf sein, nicht spielen. Sonst wird das Ganze nämlich eine Karikatur, wird es lächerlich. Alle, die gestern in Klein Loitz zur Lesung waren oder dem Grafen woanders begegnen oder seine Bücher lesen, wird schnell klar, das ist wirklich ein Graf.
Ich muss nun mal sehen, was unser Kammerherr für die Beste Frau der Welt und mich zum Frühstück aufgetragen hat.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Sonntagsfrühstück.
Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Roswitha, Urs, Hermine
Foto: Uwe Marcus Magnus Rykov
