(Dipl.-Betriebsw. Walter Dinger, Solingen) Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn erfolgen etwa ¼ der Unternehmensübertragungen in Deutschland aufgrund von Unfall, Krankheit oder Tod des Firmenchefs. Haben Ihre Mandanten für diese Fälle Vorsorge getroffen? Falls nicht, sollten Sie ihnen dringend dazu raten. Denn der plötzliche Ausfall des Chefs kann gerade in mittelständischen Unternehmen, in denen die Inhaber oft alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen, schnell in einer Katastrophe enden. Dabei genügt i. d. R. schon ein „Notfallkoffer”, um die Existenz des Betriebs im Falle eines Falles zu sichern. Und auch ein weiteres Argument spricht für die Erstellung eines Notfallkoffers: Bei der Kreditvergabe von Banken fließen Vorkehrungen des Unternehmers positiv in die Bonitätsbewertung ein.
I. Was gehört in einen Notfallkoffer?
In der Praxis hat es sich bewährt, einen Notfallkoffer zu erstellen, in dem nicht nur alle wichtigen Informationen, Anweisungen und Unterlagen in Kopie, sondern auch Schlüssel, PINs oder Zugangscodes enthalten sind. Der Notfallkoffer sollte mindestens einmal pro Jahr oder bei konkreten Anlässen, wie z. B. Vertragsänderungen oder neuen Großaufträgen, aktualisiert und ergänzt werden. Die folgende Checkliste zeigt, was mindestens in einen solchen Koffer gehört. Gehen Sie die Liste mit Ihren Mandanten Punkt für Punkt durch und prüfen Sie, ob es u. U. weitere Dinge gibt, die aufgenommen werden sollten. Sind Informationen oder Unterlagen aktuell nicht verfügbar, klären Sie, bis wann diese spätestens nachgereicht bzw. von wem diese erstellt werden sollen.
Download- und Seminar-Tipp
Die Checkliste steht Ihnen als Word-Dokument in der NWB Datenbank unter www.nwb.de als Abonnent kostenlos zum Download zur Verfügung. So können Sie schnell Anpassungen vornehmen oder auch Ihr Logo einfügen und die Checkliste direkt an Ihren Mandanten weiterreichen. Einfach die NWB Dok-ID HAAAD-40387 in das Suchfeld eingeben und downloaden.
Zu diesem Thema bietet der NWB Verlag auch die Aufzeichnung des Online-Seminars „Der Notfallordner für Kanzleiinhaber – Vertretungsfälle und Einstieg in die Unternehmensnachfolge” an. Mehr Infos unter www.nwb.de/go/online-seminare.
Was gehört in den Notfallkoffer?
1. Festlegung, wer im Notfall die Geschäftsführung übernehmen kann bzw. soll.
2. Schaffung der Voraussetzungen, z. B. Prokura zum gegebenen Zeitpunkt, Handlungsvollmachten, Bankvollmachten. Achtung: Für die Ausgestaltung von Prokura oder Handlungsvollmachten am besten einen Anwalt hinzuziehen, um z. B. die Möglichkeiten des Prokuristen im Innenverhältnis oder Handlungsvollmachten zu begrenzen.
3. Aktuellen Gesellschaftervertrag mit allen ergänzenden Beschlüssen.
4. Geschäftsführervertrag mit Regelungen z. B. zur Entgeltfortzahlung oder Begünstigten.
5. Relevante Verträge, z. B. Liefer-, Arbeits-, Miet-, Leasing-, Kredit- und Beraterverträge.
6. Unterlagen und Statusberichte aller wichtige Projekte bzw. von Projekten, die nur vom Geschäftsführer entschieden werden können (Achtung: Meist sind hier kurzfristigere Aktualisierungen bzw. Verweise zur Verwahrung der Unterlagen notwendig).
7. Arbeitsplatzbeschreibungen mit den wichtigsten Tätigkeiten der Mitarbeiter.
8. Handlungsanweisungen für den Notfall: Was sollte privat und geschäftlich geregelt werden? (individuell für jede Person anders, muss im Einzelgespräch mit dem Mandanten festgelegt werden).
9. Wichtige Adressen und ggf. Telefonnummern, z. B. Berater, Banksachbearbeiter, Anwalt, Gesellschafter, Beirat, Kooperationspartner.
10. Übersicht über Patente, Schutz- und Markenrechte, Lizenzen.
11. Zweitschlüssel, z. B. für Firma, (Außen-)Lager, Tresor, Schließfächer, Pkw.
12. Passwörter, z. B. für EDV, Bank, Handy, Schließfächer.
13. Liste aller Bankverbindungen und Konten.
14. Abschlüsse der letzten zwei bis drei Jahre.
15. Steuerbescheide der letzten zwei bis drei Jahre.
16. Liste wichtiger Lieferanten, Kunden und Geschäftspartner, ggf. mit Konditionenübersichten.
17. Liste aller betrieblichen Versicherungen.
18. Testament (falls nicht vorhanden, sollte es dringend erstellt werden!)
19. Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht (falls nicht vorhanden, sollten sie zwingend erstellt werden!).
20. Ehevertrag.
21. Handelsregisterauszug.
II. Zeitintensiv sind nur die Vorüberlegungen
Das Aufstellen eines Notfallkoffers dauert meistens nur wenige Tage. Allerdings müssen im Einzelfall Entscheidungen schriftlich festgehalten oder Anweisungen formuliert und bei einem Notar beglaubigt werden, was wiederum Zeit in Anspruch nehmen kann. Zudem entsteht der eigentliche Arbeitsaufwand im Vorfeld, wenn entschieden werden muss, wie konkret vorgegangen werden soll, etwa bei der Wahl eines Vertreters oder der Festlegung der konkreten Entscheidungsbefugnisse.
Unabhängig von dem Notfallkoffer sollten Ihre Mandanten grundsätzlich überlegen, einen Vertreter in alle wichtigen Entscheidungen einzubinden bzw. ihn über alle wesentlichen Sachverhalte zu informieren, damit dieser im Notfall zumindest das Tagesgeschäft weiterführen und die Firma im Sinne des Inhabers vertreten kann. Dieser sollte auch über die Existenz des Notfallkoffers Bescheid wissen.
III. Originale extern aufbewahren
Schlüssel, PINs, Passwörter oder Originalunterlagen sollten möglichst nicht in der Notfallakte selbst, sondern beim Steuerberater, Notar oder Rechtsanwalt aufbewahrt werden. Allerdings sollte in der Notfallakte dann auch festgehalten werden, wo sich welche Unterlagen befinden. Um ganz sicher zu gehen, sollten zudem zwei Notfallkoffer erstellt werden: Einer gehört in die Büroräume, der andere in die Hände des Steuerberaters oder Anwalts.
Praxistipp
Ein Notfallkoffer oder eine Notfallakte zeigen auch gegenüber Kapitalgebern, dass Ihre Mandanten sorgfältig planen und daran interessiert sind, den Betrieb langfristig zu entwickeln und in seiner Existenz zu sichern. Das wird auch bei einer anstehenden Bonitätsbewertung in aller Regel positiv ins Gewicht fallen – mit entsprechend günstigen Auswirkungen auf die Höhe der Kreditzinsen. Auch diesen Aspekt sollten Sie mit Ihren Mandanten durchsprechen. Ohnehin verlangen die Banken bei einem Rating viele Unterlagen, die auch Bestandteil eines Notfallkoffers sein sollten, z. B. Versicherungspolicen, den Ehevertrag oder Jahresabschlussunterlagen.
IV. Finanzielle Absicherung sicherstellen
Wenn Sie zusammen mit einem Mandanten einen Notfallkoffer erstellen, sollten Sie die Gelegenheit nutzen, ihn auf die Notwendigkeit der finanziellen Absicherung hinzuweisen. Das gilt sowohl für den Mandanten als auch für seine Familie. Sinnvoll ist in jedem Fall der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Mandanten. Deren Höhe sollte sich an der Höhe der laufenden Ausgaben und sonstigen Einnahmen orientieren. Zur Absicherung der Familie eignet sich u. a. eine Risiko-Lebensversicherung. Deren Höhe sollte etwa das Fünf- bis Achtfache des Brutto-Jahreseinkommens betragen. Vor Abschluss der Versicherungen sollte unbedingt eine Beratung durch einen unabhängigen Versicherungsmakler erfolgen, um sich ausführlich über Vor- und Nachteile zu informieren und um mögliche Fallstricke zu umgehen.
Fazit: Viele Mandanten verdrängen das Thema, obwohl sie sich dessen Bedeutung durchaus bewusst sind. Um sie stärker dafür zu sensibilisieren, sollten Sie sie darauf hinweisen, dass es bei der Erstellung eines Notfallkoffers nicht nur um ihr Vermögen, sondern auch um die Existenzen der Familien ihrer Angestellten geht. Außerdem können Sie ihnen bessere Bonitätsbeurteilungen in Aussicht stellen. Dieses Argument wird sie meistens überzeugen, da sich dieser Vorteil relativ kurzfristig – durch bessere Kreditkonditionen – auf dem Unternehmenskonten der Mandanten bemerkbar macht.
1) Der Autor ist Unternehmensberater mit Schwerpunkt KMU-Beratung.
Fundstelle(n):
NWB-BB 5/2010 Seite 152
NWB DokID: PAAAD-41433