Nahles oder das Fahrrad - was ist wichtiger

Die Antwort fiel nicht schwer

(Helmut Harff / Chefredakteur) Als ich mir das Thema für diesen Kommentar überlegte, war es schnell klar - es wird um das Fahrrad gehen. Das ist nicht sehr innovativ, schließlich ist am 3. Juni Weltfahrradtag.

Doch wie so oft im Leben kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. So drängelte sich ein anderes Thema in den Vordergrund und schuld daran ist nur die SPD. Nein, es geht nicht um das Wetter. Es geht um die nun bald nur noch ehemalige Parteivorsitzende Andrea Nahles. Die schmeißt also hin, hat augenscheinlich von der Politik, aber vor allem von der SPD die Nase gestrichen voll.

Das kann ich verstehen. Ich hoffe, die scheidende SPD-Frontfrau hat auch Verständnis dafür, dass ich ihr keine Träne nachweine. Das Positivste, was mir zu Frau Nahles einfällt, ist die Tatsache, dass sie so lange durchgehalten hat. Man muss, so meine Einschätzung, ein verdammt dickes Fell haben, um erst jetzt tschüss zu sagen.

Und was fällt mir zu Frau Nahles noch ein? Das nicht nur Männer sich gern im Ton vergreifen, dass auch Frauen anderen Menschen gern was auf die Fresse geben möchten. Ja, ladylike war ihr Verhalten wirklich nur selten. Ich erinnere mich kaum daran, dass Andrea Nahles mal den richtigen Ton getroffen hat. Zumindest bleibt das Bild einer Frau, die gern austeilt. Und noch? Sie ist für mich der Beweis dafür, dass Frau zumindest in der Politik sich so gar nicht von ihren männlichen Kollegen unterscheidet. Das ist garantiert nicht als Lob gemeint, denn Männer in der Politik sind auch alles andere als Vorbilder- zumindest fast alle.

Es ist ohnehin erstaunlich, wie Politiker und Politikerinnen - man denke auch an die Kanzlerin oder Theresa May in Großbritannien - an ihren Stühlen kleben. Sie tun sehr gern so, als ob die Welt untergehen würde, wenn sie ihre Posten räumen. In der Regel ist es wohl eher so, dass die Welt oder ein kleiner Teil davon aufatmet, wenn endlich jemand seinen Posten räumt. Ich jedenfalls befürchte nicht, dass mit dem Abgang von Andrea Nahles die Welt untergeht, Deutschland in Agonie fällt oder der Sommer ausfällt.

Ob mit dem Nahles-Rücktritt nun die kurze Ära der Frauenherrschaft in der SPD zu Ende ist? Eigentlich ist das eine überflüssige Frage, denn die letzten zehn oder mehr Parteivorsitzenden - ich meine die Männer vor Nahles - waren keinesfalls besser, als die Fast-Ex-Vorsitzende. Es scheint - zumindest bei der SPD - völlig egal zu sein, welches Geschlecht der oder die Vorsitzende hat. Keiner hat den Laden in den Griff bekommen, keiner hat der alten Dame SPD ein zukunftsweisendes Profil geben können. Bei allen ging es vor allem um die Macht - wohlgemerkt um die eigene Macht.

Ob nun die SPD daraus lernt? Eine lernfähige alte Dame? Daran kann ich zumindest derzeit nicht glauben. Ich befürchte vielmehr, man sucht schnell jemanden, der den Job machen will. Wobei ich befürchte, dass man jemand finden wird, der machthungrig genug ist, den Job zu übernehmen. Man handelt ja schon gleich wieder Namen. Für welche Inhalte, für welches Bild von der SPD der- oder diejenige hat, spielt ziemlich sicher kaum eine Rolle. Vielleicht wird man noch hören, ob der Kandidat, ob die Kandidatin zum linken oder rechten Flügel der SPD gehört - was das auch immer sagen mag.

Aber eigentlich ist es wohl auch egal, wer Andrea Nahles auf dem zusammenfallenden Thron der SPD folgt, zu beneiden ist der oder die nicht. Heute den Vorsitz zu übernehmen, das grenzt wohl schon an ausgeprägten Masochismus. Nun, dass lehrt die Geschichte, nun auch die Geschichte der SPD, gibt es genügend Masochisten, die sich gern in schlechten Wahlergebnissen und zunehmende Machtverlust, dem Fall in die Bedeutungslosigkeit genüsslich suhlen.

Ich bin gespannt, wer alles seinen Hut in den Ring werfen wird, wenn es um den Parteivorsitz geht. Ambitionen auf ein Regierungsamt braucht der oder die garantiert nicht zu haben. Denn, und das ist das traurige am Zusammenbruch der SPD, eine Bundesregierung mit SPD-Ministern wird immer unwahrscheinlicher. Ob sich deshalb auch die neue SPD-Führungsriege mit Zähnen und Klauen an der großen Koalition klammern wird.

Das, liebe SPD wäre vielleicht kurzfristig gut für die Partei, aber schlecht für das Land.

Foto: Pixabay

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