Morgengruß von Helmut Harff: freudefunkeln

… oder: so klingt Europa

Unter dem Motto „freudefunkeln“ trafen sich am vergangenen Sonntag im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt und davor etwa 7.000 Menschen. Sie alle versammelten sich da, weil sie Musik mögen, weil sie sich trauen, aus voller Kehle zu singen und weil sie die Idee eines vereinigten Europa gut finden.

Zumindest so oder so ähnlich kann man wohl die Gemenge- und Gefühlslage der Menschen, die im Konzertsaal und auf dem sommerlich-warmen Platz davor zusammenfassen, die der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven lauschten.

Die brachte drinnen das European Union Youth Orchester unter der Leitung von Vasily Petrenko im Rahmen des Festivals „Young Euro Classic“ zu Gehör. Das Konzert, das mittels modernster Technik auf den Gendarmenmarkt übertragen wurde, war ganz sicher ein Höhepunkt der 20. Auflage des Jugendorchster-Festivals.

Selbstverständlich gab es stehende Ovationen für das Orchester, die vier Solisten und den Chor. Der Applaus war mehr als gerechtfertigt – frischer habe ich die 9. von Beethoven bisher kaum gehört.

Doch dann war es soweit: Die meisten nahmen ihr Textblatt in die Hand – ich kannte die beiden gesungenen Strophen – und es erklangen die berühmten Worte „Freude schöner Götterfunken…“.  Wobei meine Lieblingszeile der Beginn der zweiten Strophe ist. Da dichtete Friedrich Schiller „Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein…“. Ja, ein Freund ist etwas sehr wertvolles. Das gilt für das eigene Leben, ich bin mir sicher, dass die Schillerzeile aber auch für große Gruppen von Menschen, von Staaten gilt.

Nun ist die Freundschaft zwischen zwei  Menschen nicht mit der zwischen Staaten, zwischen Völkern zu vergleichen – zumindest kann ich das nicht. Und doch, Völker sollten sich zueinander wie Freunde verhalten. Auch Freunde sind sich nicht immer einig, sind sich auch nicht immer grün. Doch wenn es darauf ankommt, dann weiß man, dass man sich aufeinander verlassen kann. Zumindest das sollten auch Staaten und Völker anstreben.

Wie man friedlich zusammen sein, zusammen stehen, zusammen singen, zusammen musizieren  kann, das bewiesen die jungen Musiker des European Union Youth Orchester, das bewies das internationale Publikum im Konzerthaus und das bewiesen die Menschen auf dem Gendarmenmarkt, darunter viele Touristen. Sie alle zeigten, dass es – wie es in der 9. Symphonie heißt – möglich ist, freudvollere Töne anzustreben, als die zuvor erklungenen Dissonanzen.

Der Abend zeigte, was Europa auch oder vor allem ist – es ist der Ort, an dem alle Menschen Brüder werden (können).

Einen Wehrmutstropfen gab es dann doch: Die jungen Musikerinnen und Musiker aus dem Vereinigtem Königreich werden wohl beim Gastspiel zur 21. Auflage von „Young Euro Classic“ in 2020 nicht mehr dabei sein. Aber vielleicht arbeiten die Macher ja gerade daran, mit dem Programm für das nächste Jahr der englischen Musik zu gedenken.

Eigentlich eine gute Idee, zum Frühstück mal wieder ein Stück von Henry Purcell zu hören.

Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück und ein bisschen „freudefunkeln“.

Foto: MUTESOUVENIR Kai Bienert

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