Morgengruß von Helmut Harff: Überleben dank Kommunikation

... oder: wer nicht vernetzt ist, hat keine Chancen

Immer wieder wird über den Sinn oder Unsinn von sozialen Netzwerken diskutiert. Ein weiteres Thema ist die Vereinsamung von Menschen. Und, beides gehört direkt zusammen.

Wenn wir von sozialen Netzwerken reden, so meinen wir heute zumeist Dinge wie Facebook oder Whatsapp. Soziale Netzwerke, das ist für viele das, was im Internet oder per Smartphone passiert. Doch stimmt das? Tummelten wir – die noch ohne Computer und Internet und mit einem Telefon mit Wählscheibe aufwuchsen – uns nicht in sozialen Netzwerken? Braucht man dazu überhaupt eine Technik, die mehr Ressourcen verbraucht, als sich die meisten Nutzer überhaupt vorstellen können?

Ehrlich, diese Frage habe ich mir noch nie gestellt. Vielleicht, weil ich den Begriff von den sozialen Netzwerken auch immer sehr einseitig gesehen habe. Das war bis gestern so. Da sah ich auf ZDF-Info einen Beitrag über unsere Vorfahren, über die Zeit vor 40.000 Jahren, als viele Einwanderer aus Afrika nach Europa kamen. Europa war keineswegs menschenleer. Hier lebten intelligente Zweibeiner, die wir als Neandertaler kennen. Die waren den Einwandern gar nicht so unähnlich.

Die damaligen Europäer hatten Steinwaffen, waren Jäger und Sammler, beherrschten das Feuer und lebten gern in Höhlen. Damit waren sie den Einwandern – den Homo Sapiens – extrem ähnlich. Und doch ist der Neandertaler der Verlierer der Geschichte. Er wurde vom Homo Sapiens – also von den Einwanderern, unseren Vorfahren – verdrängt. Erst wichen die Neandertaler an die Ränder Europas aus, dann verschwanden sie ganz.

So war das, könnte man die Geschichte mit einem Schulterzucken abtun. Schließlich haben wir ja den Überlebenskampf gewonnen. Die Frage, die bleibt, ist die nach dem Warum. Mein Gedanke während des Fernsehbeitrages war, dass der Homo Sapiens etwas konnte, was die Neandertaler zumindest weniger beherrschten – die Kommunikation. Wissenschaftler gehen sogar noch einen Schritt weiter und sind überzeugt davon, dass der Homo Sapiens den Kampf vor allem deshalb gewann, weil die einzelnen Sippen, die einzelnen Gruppen miteinander vernetzt waren. Es gibt zahlreiche Funde, die so eine Vernetzung, so eine Kommunikation über die eigene Sippe hinweg belegen.

Wenn man das hört, so können wir ja aufatmen, denn wir sind die größten Vernetzer in der Geschichte der Menschheit. Zumindest meinen wir das. Doch deshalb muss das ja noch lange nicht stimmen. Wir wissen, dass Individuen wie der sprichwörtliche Primeltopf eingehen, wenn sie alleine sind. Das trifft aber auch auf ganze Länder zu. Man sehe sich Länder wie China oder Japan an. Beide waren sehr lange sehr isoliert – mit dem Ergebnis, dass sie keine Rolle spielten. Kaum gaben beide ihre Isolierung auf, kaum vernetzten sie sich mit anderen Staaten, spielen sie eine große Rolle unter den Staaten. Sieht man dagegen die sich immer mehr abschottende USA an, so ist die Befürchtung nicht abwegig, dass die Noch-Führungsmacht genau diese Stellung verliert.

Und bei uns? Wir bilden uns ein, so toll vernetzt zu sein, nur weil wir auf Facebook unterwegs sind und wie wild auf unserem Smartphone rumtippen. Doch sind wir das? Was wissen wir wirklich von den Leuten, mit den wir chatten, die wir als Freunde bezeichnen? Sind wir deshalb wirklich in ein soziales Netzwerk eingebunden, so wie unsere Vorfahren vor 40.000 Jahren? Kann man die Online-Freunde um Hilfe bitten, kann man denen bei der Bewältigung ihrer Probleme wirklich helfen?

Was macht das mit einer Gesellschaft, was macht es mit uns, wenn wir immer weniger in sozialen – in realen – Netzwerken eingebunden sind? Man denke mal an die Neandertaler.

Vielleicht fängt man damit an, nicht stumm miteinander zu frühstücken.

Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück.

Foto: Pixabay

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