Aufgespießt: Probesaufen

Gemeint sind all die Verkostungen, Tastings und Co.

(Helmut Harff / Chefredakteur) Sie kennen das sicherlich alle: Man wird zur Weinprobe, zum Whiskey-, zum Gin- oder Rumtasting eingeladen. Solche Veranstaltungen gibt es täglich an unzähligen Orten und keine Spirituose wird dabei ausgelassen.

Es ist eigentlich immer zumindest ähnlich. Auf Ständen und/oder Tischen stehen viele, manchmal hunderte, aber auf jeden Fall immer zu viele Flaschen herum, deren Inhalt man nach Ansicht der Anbieter allesamt verkosten soll. So gesehen ist es nur zu unserem Schutz so, dass die Präsentanten scheinbar geizig sind und nur sehr kleine Probeschlucke einschenken. Man stelle sich mal vor, man probiert sich - um nicht zu sagen man säuft sich - durch hundert Weine, durch hundert verschiedene Spirituosen. Die Notaufnahmen der umliegenden Krankhäuser wären permanent überfüllt.

Ich habe bei solchen Anlässen sicherlich ähnliche Probleme wie viele. Einerseits sind da die Genießertypen, die versuchen zu zeigen, dass sie die eigentlich Cracks, die Wissenden sind. Nicht, dass ich deren Kenntnisse nicht anerkenne, aber diese Prahlerei nervt schon. Das gilt im Übrigen auch für solche Präsentanten, die meinen, dass eigentlich jeder ihre tollen Tropfen aus dem ff kennen müsste. Wieso geben sie dann Geld dafür aus, uns ihre Weine und Brände vorzustellen?

Andererseits ist da die schiere Fülle der aufgereihten Flaschen. Wenn da, wie letztens bei einer Präsentation von 100 Prädikatsweinen aus dem Rioja zur Auswahl stehen, ist man schlicht überfordert. Man sollte sich von den "normalen" Weinen bis zu den großen Gewächsen durchprobieren. Ich wählte die Gegenrichtung. Doch ich kann keine 100 Weine probieren. Welche sollte ich mir also einschenken lassen? Die mit der höchsten Punktwertung? Nirgendwo stand, wer die Weine bepunktet hat. Das ist ja nicht selten. Nach den Trauben? Die waren zwar angegeben, doch die prozentualen Angaben fehlten. Das galt auch zu Angaben zum Terroir oder den verwendeten Fässern. Suche ich die Flaschen nach ihrem Preis oder nach dem Etikett aus?

All die Fragen soll man sich ja selber in Sekunden beantworten. Schön, die sehr selbstsicheren Experten verunsichern mich schon lange nicht mehr. Dazu reicht mein inzwischen erworbenes Wissen längst aus. Doch wie ist das mit der Auswahl? Das Alter ist ein guter Einstieg, das Etikett weniger. Doch ich gebe die Entscheidung an die zurück, die ja schlussendlich ihren Wein, ihren Rum oder Gin an mich verkaufen wollen. Ich frage einfach, welchen Wein sie mir empfehlen können. Ich frage auch, welcher Wein zum Wildschweinbraten oder eher zum Karpfen passt. Ich frage, welcher Gin sich eher zum Mixen eignet und welcher eher pur zu genießen ist. Ähnliche gehe ich auch beim Rum oder Whiskey vor.

Da mein Gegenüber ja nicht weiß, ob ich auch nur einen Hauch von Ahnung habe oder ein Experte bin, wird er mir sicherlich nichts vorsetzen, was zumindest aus seiner Sicht nicht schmecken wird. Jubel ich dann nicht gleich los, mache einige kritische Bemerkungen - Stichwort gesundes Halbwissen - so legt sich der da auf der anderen Seite noch mehr ins Zeug. Er will mich ja davon überzeugen, dass das was er mir da darbietet, das Beste überhaupt ist. Manchmal hilft auch einfach zu sagen, dass man seine Produkte noch gar nicht kennt und man das gern ändern wird. Machen Sie das mal - Sie werden sich wundern.

Nun muss ich mir nur noch einige Notizen machen, um nicht den Überblick zu verlieren und später nicht was Falsches zu berichten oder zu bestellen.

Ehrlich ich liebe solche Präsentationen. Man muss nur aufpassen, dass man es mit dem Probieren nicht übertreibt. Das nimmt einem nicht nur die Leber übel.

Foto: Pixabay

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