Morgengruß von Helmut Harff: Sozial schwach

Wer oder was ist das…

Abstand halten, das ist in dieser Zeit die oberste Bürgerpflicht. Manchmal treibt das etwas merkwürdige Blüten, doch die allermeisten Menschen halten Abstand von einander – zumindest in der Öffentlichkeit.

Doch was ist in den eigenen vier Wänden, in denen sich bei sehr vielen Menschen 24 Stunden am Tag das ganze Leben abspielt? Das geht sicherlich einige Tage gut, doch was, wenn man mit anderen Menschen über Wochen auf relativ kleinem Raum die Zeit verbringen muss, wenn man sich gegenseitig auf den Geist geht, wenn man weniger Geld hat, wenn Existenzängste, wenn Zukunftsängste um sich greifen?

Dann, so befürchten viele Menschen nicht zu unrecht, wird es in der einen oder anderen Form zu häuslicher Gewalt kommen, zumindest kommen können. Wird darüber geredet, dann fällt immer wieder der Begriff von sozial schwachen Menschen. Gemeinhin meint man dann Menschen mit einem nicht überragenden Einkommen, die nicht die obersten Sprossen unseres Bildungssystems erklommen haben. Sozial schwach, das sind also Menschen, die ALGII beziehen, die wenig Geld haben, die mehr als zwei Kinder haben.

Ja, diese Menschen haben es in vielen Fällen schwer, doch sind die Menschen nicht einfach ärmer als die Mehrheit? Sind sie deshalb wirklich sozial schwach? Sind diese Menschen deshalb gewalttätiger, kommen diese Menschen deshalb mit der verordneten Isolation schlechter zurecht als begüterte, sind die wirklich sozial schwach?

Nein, ein ganz klares nein. Ich möchte jeden schütteln, der wirtschaftlich schwach gleich sozial schwach setzt. Wo zeigt sich die Kanzlerin sozial stark, wo der oder die Menschen, denen ihre Haustiere wichtiger als die Kinder sind? Ist die alleinerziehende Mutter, die sich liebevoll um ihre Kinder kümmert, sich nicht viel, den Kindern dafür alles machbare gönnt sozial schwächer, als die Karrierefrau, die für ihr Einzelkind eine Nanny engagiert und vielleicht mal am Sonntagvormittag wirklich Zeit für das frustriete Kind hat? Ist der Vater, der sich am Abend zwei, drei Bier vor dem Fernseher gönnt sozial schwächer, als der Vater, der fast jeden Abend auf einem Empfang, auf einem Treffen Drinks zu sich nimmt, die einzeln so teuer sind, wie ein normaler Kasten Bier kostet?

Nein, sozial schwach ist der, der als Politiker mediengerecht verkündet, dass er seinen Nachwuchs jeden Mittwoch von der Kita abholt – wohl wissend, dass er das kaum einhalten kann. Ist ein Postbote, ein Krankenpfleger, der jeden Morgen seinen Nachwuchs mit einem Kuss in der Kita an die sicherlich auch nicht sozial schwachen Erzieherinnen übergibt, da sozial schwächer, obwohl er nur ein Bruchteil verdient?

Nein, soziale Schwäche hat genau wie häusliche Gewalt nicht viel mit dem Kontostand zu tun. Wenn dem so wäre, würden ja die meisten Studenten, aber auch viele freiberufliche Journalisten prügelnd durch die eigenen Wohnungen ziehen.

Ja, auch ich sehe die Gefahr, dass die Ausgangsbeschränkungen zu mehr häuslicher Gewalt führen. Doch man soll nicht nur die finanziell schwachen Menschen, sondern alle dabei im Auge behalten.

Die Beste Frau der Welt und ich ziehen es vor, mit einem Lächeln gemeinsam zu frühstücken. Das lässt Gewalt gar nicht aufkommen.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und Gesundheit.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Angus, Benjamin, Cora, Cornelia, Daniel, Emma, Guido, Kornelia und Neele.

Foto: Pixabay

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