Morgengruß von Helmut Harff: Alles Helden

Wie sich die Sprache ändert…

Krisen brauchen immer eines – Helden. So ist es auch in diesen Zeiten. Hierzulande ist immer und überall von Helden die Rede. Bisher hatte ich eher den Eindruck, dass man weniger gern von Helden spricht. Schließlich haben uns Helden vielfach nicht gerade glücklich gemacht, sieht man mal von Comichelden und solchen auf der Leinwand ab.

Wenn etwa meine Mutter sagte „Du bist mir ja ein Held“, so war das nicht gerade positiv gemeint. Auch die DDR kannte jede Menge Helden, doch die wurden eher offiziell dazu gemacht, als dass man diese so ansah. Und dann gibt es wirklich Menschen, die entpuppen sich in speziellen Situationen als Helden, weil sie heldenmütig handeln. Sie sind dann auch das, was Wikipedia über den Helden sagt: Ein Held ist eine Person, die eine Heldentat, also eine besondere, außeralltägliche Leistung vollbringt. Solche Menschen sind beispielsweise die, die monatlich als „Helden der Straße“ ausgezeichnet werden.

Und heute? Da wimmelt es von "Helden des Alltags". Man muss sich schon sehr darum bemühen, nicht irgendwann in diese Kategorie eingeordnet zu werden. Ja, wie schon gesagt, es gibt in jeder Krise Helden, Menschen die außergewöhnliches leisten. Doch ist das ein Grund, dass gerade die Medien, aber auch gern die Politik nahezu gebetsmühlenartig von den „Helden des Alltags“ sprechen? Ich habe da sehr große Zweifel.

Wieso? Dazu einige Beipiele: Verkäuferinnen werden gern als solche „Heldinnen des Alltags“ bezeichnet. Wieso aber, einige machen ihren Job, die meisten sitzen zuhause, weil ihre Arbeitsstellen schlicht geschlossen haben. Letzter sind ganz sicher in der Mehrheit. Sind Verkäuferinnen deshalb Helden?

Gestern hörte ich im Radio zwei Beiträge. In dem einen geht es um die Brummi-Fahrer als „Helden des Alltags“, im anderen darum, dass sehr viele Speditionen kurz vor der Pleite stehen, keine Aufträge haben, ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.

„Helden des Alltags“ sind nach aktueller Lesart auch die Mitarbeiter in Krankenhäusern und Arztpraxen. Komisch nur, dass viele Krankenhäuser nur zu 40, 50 Prozent ausgelastet sind, man selbst hier schon über Kurzarbeit und Pleiten spricht, dass die Mediziner dazu aufrufen, auch in diesen Zeiten bei Erkrankungen die Arztpraxen aufzusuchen. Macht man das, wenn dort alle als „Helden des Alltags“ voll mit dem Kampf gegen das Virus beschäftigt sind?

Um es klar zu sagen, ich ziehe vor all den genannten Berufsgruppen ganz tief den Hut. Sie machen alle einen tollen Job. Doch sie pauschal zu Helden zu machen, das geht mir deutlich zu weit. Wenn das alles Helden sind, wie will man die ehren? Ja, Helden werden geehrt. Das ging den Kriegshelden, den Helden der Arbeit in der DDR und das geht den „Helden des Monats“ so. Wie werden wohl die aktuellen Helden geehrt? Mit einer Urkunde? Mit einer Prämie? Mit einem Dankeschön vom Bundespräsidenten, mit einem Orden, mit einem Denkmal?

Ich habe da eine Idee: Man vergisst all die Frauen und Männer auch dann nicht, wenn die Krise längst Geschichte ist, wenn wieder alle Verkäuferinnen verkaufen, wenn alle Brummifahrer wieder im Stau stehen und wenn alle Krankenschwestern und Ärzte alles dafür tun, dass wir wieder gesund werden. Helden eint nämlich vor allem eines – man vergisst sie nicht. Zumindest geht es sehr vielen Helden so.

Ja, man sollte dann auch all die nicht vergessen, die jetzt um ihre Existenz bangen, die jetzt trotz Sorgen und sinkendem Einkommen ihren Nachwuchs zuhause betreuen und beschulen. Man sollte die nicht vergessen, die jetzt mit nur sehr wenig persönlichem Zuspruch durch das Leben kommen müssen. Das gilt auch für die, die ohne Gewese ihren Nachbarn helfen. Diese Liste der „Helden des Alltags“ – zu denen auch all die Mitarbeiter in Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen gehören - ließe sich noch lange fortsetzen.

Ich habe aber schon heute eine Bitte: Man soll mit Begriffen wie „Helden des Alltags“, aber auch mit Begriffen wie „Krieg gegen das Virus“ oder „Soldaten im Kampf gegen das Virus“ sehr sparsam umgehen. Nachplappern von Sterotypen ist nämlich alles andere als ein heldenhaftes Tun.

Es hat auch nichts heldenhaftes, wenn ich jetzt Brötchen für das Frühstück mit der Besten Frau der Welt hole. Mein Bäcker möchte auch keinen Orden als „Held des Alltags“. Er möchte wie schon seit Jahren schlicht überleben.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und Gesundheit.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Werner, Wigbert

Foto: Pixabay

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