Morgengruß von Helmut Harff: Ansehen

Für viele ist das nicht nur aktuell ein Problem

Asiaten sagt man nach, dass der Verlust ihres  Ansehens so schlimm ist, dass sie alles dafür tun, das genau dies nicht passiert. Auch wir sind wohl mehrheitlich um unser Ansehen bemüht.

Wenn uns unser Ansehen egal wäre, würde wohl Mobbing kaum  funktionieren. Wenn wir nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ leben, hat wohl selbst mit übler Nachrede wenig Probleme. Die wachsen andererseits in den Himmel, wenn man eben um jeden Preis darum bemüht ist, alles für sein Ansehen zu tun. Fliegt man auf, verliert man ganz schnell das Ansehen in den Augen andere. Häufig ist es schon vorher passiert, dass man sein eigenes Ansehen eingebüßt hat.
 
Mich hat die Erfahrung gelehrt, dass das Ansehen weit weniger leidet, wenn man nicht so tut, als sei alles in Ordnung, sei man der tolle Typ, der alles im Griff hat. Wenn ich solchem Menschen begegne, der sehr viel wenn nicht alles für sein Ansehen tut, gehen bei mir alle Alarmglocken an und derjenige hat schon an Ansehen verloren.

Ansehen, dem anderen ansehen, dem anderen ansehen was in ihm vorgeht, das ist in Zeiten, in der nahezu alle Menschen eine Maske tragen, auch nicht so einfach. „Ich schau Dir in die Augen Kleines“ – wie es in der deutschen Version im Film Casablanca heißt, reicht zumindest mir nicht aus, zu sehen, was in dem anderen vorgeht. Ja, es gibt die Frage „Können diese Augen lügen“ und ich weiß das gar nicht so genau. Doch eigentlich möchte ich das ganze Gesicht sehen – den Menschen ganz ansehen können. Nein, man verliert mit einer Maske nicht sein Ansehen, aber man verliert einiges seiner Identität und das ist nicht nur nicht komisch, sondern für mich noch immer verstörend. So verstörend wirkten bisher nur vollverschleierte Muslima auf mich.

Ansehen, sich, andere und die Dinge ansehen, das ist etwas ganz wichtiges für uns. Für mich ist der Sehsinn der wichtigste, den ich habe. Selbst nicht hören halte ich nicht für so schlimm. Man muss sich ja nur einmal mit verschlossenen Ohren und dann mit verbundenen Augen zu bewegen versuchen. Dann weiß man, was ich meine. Das ist ja auch kein Wunder, nehmen wir doch die allermeisten Dinge mit unseren Augen wahr. Wir sind Augenmenschen und jeder, der eine Brille braucht, weiß das nur zu gut.

Doch was, wenn die Brille nicht mehr hilft? Wenn das Augenlicht erloschen ist? Was, wenn man blind ist? Ich stelle mir das wie einen ewigen Horrorfilm vor. Ich hatte das in der Familie. Von heute auf Morgen „dank“ eines Krebses war meine verstorbene Frau nahezu blind, konnte nichts mehr lesen, nicht mehr fernsehen, nicht mehr Auto fahren, nicht mehr sehen, was sie anzieht, wie sie geschminkt ist. Sie hatte kein Bild mehr von ihrem Aussehen und sie konnte nicht sehen, wie man sie ansieht. Das ist wirklich nur schwer zu ertragen.

Mir fiel das alles ein, weil mein Kalender mir heute anzeigte, dass heute der „Tag der Sehbehinderten“ ist. Der hat ein interessantes Motto. Das lautet: „Ich sehe so wie du nicht siehst“. Für 2020 hat man naheliegend sich für das Motto: „Unterstützung für sehbehinderte und blinde Menschen in der Corona-Krise“ entschieden. Menschen, die nicht sehen können, tun das auch mit den Ohren. Wenn nun viele mit der Maske auf reden, so ist das ganz sicher schwieriger, das Gehörte in Bilder umzusetzen, weil man ja schon als weniger Behinderter es schwer hat zu verstehen, was das Gegenüber meint.

Und noch eines fällt mir zum Thema Ansehen ein: Man soll sich immer genau ansehen, was da andere so vollmundig erklären. Hätten das mal die Deutschen Anfang der 1930er Jahre gemacht, dann hätte es der D-Day – die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 nie gegeben. Das Ansehen der Deutschen wäre sicherlich noch viel besser als es ist.

Ich sehe jetzt die  Beste Frau der Welt an, die mit einem Lächeln schon mit dem Frühstückskaffee auf mich wartet.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und Gesundheit.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Fridolin, Nicola, Rosa, Nicole

Foto: Pixabay

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