Golf-Schläger mit Platzreife

... der Kia Ceed Sportswagon



Kombis sind so etwas wie die Funktionsjacken unter den Autos: vernünftig und praktisch, aber nicht wirklich sexy – wenn sie nicht gerade Avant oder Shooting Brake heißen.


Musterknabe und ungekrönter König der kompakten Kombinationskraftwagen ist der Golf Variant, hinter dem sich alle Wettbewerber einreihen müssen. Ausgerechnet aus einem Teil der Welt kommend, in dem die beliebte europäische Karosserieform überhaupt keine Rolle spielt, macht mit der dritten Generation des Kia Ceed Sportswagon nun ein ernsthafter Rivale dem Golf den Thron streitig.

Gegenüber dem Vorgänger hat Kia seinen kompakten Kombi-Bestseller in der dritten Generation um knapp zehn Zentimeter auf 4,60 Meter gestreckt. Das schafft jede Menge Raum für Mensch und Material. So dürfen sich vor allem die Fond-Passagiere über spürbar größere Schulter- und Beinfreiheitlässt freuen. Und der 625 Liter große Kofferraum schluckt bereits in der normalen Bestuhlung 20 Liter mehr als der Wolfsburger Platzhirsch Golf Variant (605 Liter), von Opel Astra Sports Tourer (560 Liter) oder Ford Focus Turnier (575 Liter) gar nicht zu reden.

Werden die dreigeteilten Sitzlehnen (40:20:40) bequem per Handgriffhebel vom Gepäckabteil aus zu einer nahezu ebenen Ladefläche umgeklappt, gehen sogar 1694 Liter (Golf: 1620 Liter) rein. Während die abgesenkte Ladekante das Befüllen serienmäßig erleichtert, wartet der Ceed SW in der Topausstattung mit einem besonderen Clou auf: Die Kofferraumklappe öffnet sensorgesteuert, ohne dass man dazu auf dem Parkplatz mit der Kiste in den Händen den einbeinigen „Flamingo“ machen muss. Einfach mit dem Schlüssel in der Tasche hinters Heck stellen und nach vier Sekunden öffnet sich die Klappe wie von Geisterhand.

Dynamische Figur

Trotz der üppigeren Proportionen sieht der Ceed Sportswagon nicht behäbig aus. Im Gegenteil, je zwei Zentimeter breiter und flacher macht der Kombi mit verkürztem Front- und getrecktem Hecküberhang seiner Zusatzbezeichnung gemäß auf der Straße eine dynamische Figur. Bis zur Fahrzeugmitte ist er identisch zur Limousine mit großem Grill, breitem unteren Lufteinlass und serienmäßigem LED-Tagfahrlicht. Auch Cockpit und Armaturentafel stammen aus dem Fünftürer – betont horizontal ausgerichtet mit zweigeteilter, leicht zum Fahrer geneigter, Mittelkonsole.

Der obere Bereich wurde in unserem Testwagen mit der Ausstattung GT-Line von dem freistehenden Acht-Zoll-Touchscreens des Infotainments geprägt, im unteren finden sich Schalter und Tasten für das serienmäßige Audiosystem und die optionale Klimatisierung. Soft-Touch-Oberflächen sowie reichlich Metall- und Chromoptik geben dem Interieur ein wohnliches Ambiente. Dazu gesellt sich eine Armada an Assistenten, darunter erstmals ein Stauassistent, der den Ceed Sportswagon mittig in der Spur hält und von 0 bis 180 km/h selbsttätig lenkt, bremst und beschleunigt. Auch ein Parkroboter, der das Einparken in Längs- und Querrichtung übernimmt, zählt zu dem 1890 Euro teuren Technologiepaket.

Schalten von leichter Hand

Aus der Motorenpalette, die wie bei der Limousine aus drei Benzin- und zwei Dieselvarianten besteht, selbstverständlich alle mit Ottopartikelfilter und SCR-Katalysator nach Abgasnorm Euro 6d-Temp zertifiziert, hatte Kia uns den Top-Turbobenziner 1.4 T-GDI in der GT-Line-Ausführung vor die Tür gestellt. Das 140 PS (103 kW) starke Turbo weiß mit seinen 242 Newtonmetern (Nm) Drehmoment vom Start weg mit kräftigem Antritt und spritzigen Zwischenspurts zu überzeugen. Mit 9,1 Sekunden für den Standardsprint kann sich der Kombinationskraftfahrer sogar mit den urbanen Heißspornen an der Ampel messen. Zumal die in unserem Testwagen verbaute Sechs-Gang-Schaltung die Kraft auch noch von leichter Hand nahtlos auf die Straße bringt. Die 2000 Euro für das Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe sind da möglicherweise besser in das Navigationspaket inklusive Zehn-Zoll-Bildschirm, JBL-Premium-Soundsystem und Online-Dienste (1290 Euro) plus einer passenden Metallic-Lackierung (590 Euro) angelegt.

Auch in punkto Laufruhe verliert der Vierzylinder im Normalbetrieb nur selten die Fassung. Bei höherem Tempo auf der Autobahn lässt er dann zwar schon von sich hören, aber nichts, was besonders unangenehm oder nicht auch bei den Wettbewerbern zu finden ist. Jedoch schnellt dann der Verbrauch in die Höhe. Auf den reinen Autobahnetappen zeigte der Bordcomputer, sobald es über die Tempo-130-Marke ging, auch schon mal zweistellige Werte. Im Durchschnitt kamen wir allerdings mit 7,4 Litern aus – ein akzeptabler Wert angesichts der Leistung.

Apropos: Auch die Koreaner wissen inzwischen, was ihre Modelle wert sind und nähern sich bei der Preisgestaltung der niedersächsischen Konkurrenz an. Ab 17.690 Euro startet der Sportswagon in einer sehr abgespeckten Magerversion. Unser Testwagen in der zweithöchsten GT-Line-Ausstattung kostete mit 27.290 Euro fast 10.000 Euro mehr. Und dann ist immer noch längst nicht alles drin. Die Platinum Edition mit allem Schnick und Schnack (unter anderem digitales Cockpit mit HD-Display, sämtliche Assistenzsysteme, Ledersitze mit Heizung und Lüftung, elektrischer Heckklappe, Glasschiebedach) geht erst ab 33.190 Euro los. Die teuerste Variante in dieser Ausstattung mit 136-PS-Diesel und Doppelkupplungsgetriebe steht schließlich mit 37.840 Euro in der Liste. Da muss selbst der teuerste Listen-Golf (TDI, 150 PS, DSG, Highline) mit seinen 32.650 Euro passen.

Fazit: Kia bietet mit dem Ceed Sportswagon eine mehr als akzeptable Alternative zum Wolfsburger Platzhirschen. Ob Materialauswahl, Qualitätsanmutung, Ausstattung oder Bedienung, bewegt sich der sportlich gestylte Koreaner auf Augenhöhe, in Sachen Platz und Geräumigkeit übertrifft er sogar alle Wettbewerber. Auch die Motoren stimmen, wenn auch die Auswahl mit zwei konventionellen Turbo-Benzinern, einem Plug-in-Hybrid und einem Mild-Hybrid-Diesel im Spektrum von 100 bis 140 PS im Vergleich etwas dünn und schlapp erscheint. Leider ist das bei den Preisen bis knapp unter die 40.000-Euro-Grenze genau das Gegenteil.

Fotos: Auto-Medienportal.Net/Kia

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