
Erkältung,  Magenverstimmung oder gar eine Grippe – wen es erwischt hat, der geht  morgens lieber zum Arzt statt ins Büro. 
Gerade während der  Corona-Pandemie wäre es geradezu fahrlässig, mit Erkältungs- oder  Grippesymptomen zur Arbeit zu gehen. Für Arztbesuche während der  Arbeitszeit gibt es aber auch in Corona-Zeiten Regeln. 
ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer erklärt, welche das sind.
Darf ich während der Arbeitszeit zum Arzt gehen?
Tobias Klingelhöfer: 
Zunächst  einmal hat der Chef seinen Mitarbeitern gegenüber eine Fürsorgepflicht.  Demnach darf er ihnen nicht grundsätzlich verbieten, während der  Arbeitszeit zum Arzt zu gehen. Die Gründe müssen allerdings eindeutig  sein, wie z. B. heftige Zahnschmerzen, plötzlich einsetzendes Fieber  oder ein kleinerer Unfall am Arbeitsplatz. Ist die Untersuchung  medizinisch unvermeidbar und ein Termin außerhalb der Bürozeit nicht mit  der Öffnungszeit der Praxis vereinbar, darf der Arbeitnehmer ebenfalls  während der Arbeitszeit zum Arzt gehen. Auch bei organisatorischen  Gründen in der Praxis, wie beispielsweise das morgendliche Blutabnehmen,  muss der Chef auf seinen Mitarbeiter verzichten.
Wer in Teilzeit  arbeitet, wird allerdings in der Regel Probleme haben, einen triftigen  Grund für einen Arztbesuch während der Arbeitszeit zu finden. Denn bei  einem halben Arbeitstag darf der Chef davon ausgehen, dass man genügend  Zeit hat, den Arzt außerhalb der Arbeitszeiten aufzusuchen. Im  schlimmsten Fall müssen Teilzeitbeschäftigte damit rechnen, dass sie  ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren oder die ausgefallene  Arbeitszeit nachholen müssen.
Was gilt für das Home-Office?
Tobias Klingelhöfer: 
Auch  wenn Corona-bedingt viele Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten,  gelten die gleichen Regeln wie für das Büro: Wer zum Arzt muss, sollte  einen Arztbesuch nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit planen.  Auch, wenn man im Home-Office etwas flexiblere Arbeitszeiten hat, muss  der Chef informiert werden, sobald man den heimischen Arbeitsplatz  verlässt, um einen Arzt aufzusuchen. Dabei ist es auch egal, ob der Chef  die Heimarbeit angeordnet hat oder der Arbeitnehmer freiwillig im  Home-Office arbeitet.
Muss ich einen Arzttermin beim Chef begründen?
Tobias Klingelhöfer: 
Abmelden  ja, den Grund nennen, nein. Streng genommen sind Arbeitnehmer nicht  verpflichtet, dem Chef zu verraten, was ihnen fehlt und warum sie zum  Arzt gehen. Deshalb steht auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ja auch  keine Diagnose. Was der Chef jedoch einfordern darf, ist eine vom Arzt  unterschriebene Bescheinigung über den Praxisbesuch. Aber aus Gründen  der Kollegialität würde ich unbedingt dazu raten, dem Arbeitgeber  zumindest grob mitzuteilen, was los ist.
Kann mein Chef mir für einen Arztbesuch den Lohn kürzen?
Tobias Klingelhöfer: 
Geht  ein Arbeitnehmer aus einem der eben genannten Gründe zum Arzt, muss der  Arbeitgeber ihn bezahlt freistellen. Davon sind übrigens auch die  Wegezeiten zum und vom Arzt betroffen. Das hat das Bundesarbeitsgericht  bereits vor Jahrzehnten festgestellt (Az.: 5 AZR 92/82). Es genügt  übrigens schon, wenn der Arzt den Mitarbeiter zu einem bestimmten Termin  einbestellt und den terminlichen Wünschen des Patienten auf Verlegung  der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will. Für  Arbeitnehmer, die in Teil- oder Gleitzeit arbeiten, gelten allerdings  höhere Hürden für die Freistellung. Ihnen darf zugemutet werden, die  berufliche Flexibilität zu nutzen, um Arzttermine in die Freizeit zu  legen.
Wann darf der Chef einen Arztbesuch während der Arbeitszeit verbieten?
Tobias Klingelhöfer: 
Wenn  eine sofortige Behandlung nicht nötig ist, kann der Arbeitgeber vom  Mitarbeiter verlangen, seinen Arztbesuch in die Freizeit zu verlegen.  Eine herausgefallene Plombe etwa oder Vorsorge- und  Routineuntersuchungen wären typische Fälle. Hier gilt das Prinzip der so  genannten Leistungstreuepflicht. Danach muss der Arbeitnehmer  versuchen, den Arbeitsausfall für den Chef so gering wie möglich zu  halten. Allerdings möchte ich hier einschränkend hinzufügen, dass auch  in einem nicht akuten Fall Arbeitnehmern nicht zugemutet werden kann,  wochenlang auf einen Arzttermin zu warten.
Wie verhält es sich bei regelmäßig erforderlichen Arztbesuchen?
Tobias Klingelhöfer: 
Je  häufiger ein Arbeitnehmer zum Arzt muss, desto größer ist natürlich  sein Arbeitsausfall und damit wächst seine Pflicht, möglichst viele der  Termine in die Freizeit zu verlegen. Vor allem, wenn die Notwendigkeit  fragwürdig ist: So könnte der Chef durchaus sein Veto einlegen, wenn es  sich um eine mehrmals die Woche stattfindende Physiotherapie handelt.  Ein nierenkranker Arbeitnehmer hingegen, der mehrmals die Woche zur  Dialyse geht, muss natürlich vom Chef freigestellt werden.
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