Wirtschafts-News vom 11. August 2021

Können Verbraucher bald nahezu alle Darlehensverträge widerrufen?



Der EuGH entscheidet am 9. September darüber, ob nahezu jeder Darlehensvertrag aufgrund unzureichender Pflichtangaben auch Jahre nach einem Abschluss widerrufbar ist. Vorgelegt wurde diese Rechtsfrage allerdings nicht vom BGH – sondern vom LG Ravensburg.

Sollte sich der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts anschließen, könnten Millionen Verbraucher bares Geld sparen, wie Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Rechtsanwaltskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte erklärt.

Bereits am 26. März 2020 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem spektakulären Urteil die Rechte von Verbraucherinnen massiv gestärkt und nebenbei per Urteil das gesamte deutsche Verbraucherkreditrecht auf den Kopf gestellt (EuGH Urteil v. 26.03.2020, Az. C-66/19). Die EuGH-Richter entschieden, dass die meisten deutschen Kreditverträge die sich aus EU-Recht ergebenden Voraussetzungen nicht erfüllen. Insbesondere die Informationen zum Beginn der Widerrufsfrist würden in den meisten Verträgen auf ein Labyrinth von Paragrafen verweisen (sog. Kaskadenverweis), was nicht den Anforderungen an Klarheit und Prägnanz genüge.

Das Resultat der unzureichenden Widerrufsinformation: Die Widerrufsfrist hat nie zu laufen begonnen, so dass Millionen Verträge, die zwischen Juni 2010 und heute abgeschlossen wurden, noch heute widerrufen werden können. Am 9. September wird nun ein weiteres wichtiges EuGH-Urteil mit großer Spannung erwartet (Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20).

Angestoßen wurde das Verfahren vom Landgericht (LG) Ravensburg. Das Thema des aktuellen Rechtsstreits sind fehlende Pflichtangaben zum Verzugszins in Verbraucherdarlehensverträgen. Im Verfahren geht es um drei Autokreditverträge. Geklagt hatte unter anderem ein Autokäufer, der 2015 einen Kredit in Höhe von über 10.000 Euro aufnahm und diesen 2019 noch widerrufen wollte.

Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt: „Im juristischen Fachjargon spricht man insoweit auch vom Vorabentscheidungsersuchen. Mit einem derartigen Vorgehen fuhr das LG Ravensburg zuletzt beinahe regelmäßig dem BGH in die Parade. Der Grund hierfür: Der BGH weigert sich in konstanter Beharrlichkeit, die bei ihm anhängigen Verfahren auszusetzen und sie selbst dem EuGH vorzulegen. Dadurch, dass die Ravensburger Richter immer und immer wieder den EuGH anrufen, zeigen sie, dass sie der bankenfreundlichen Rechtsprechung des BGH kritisch gegenüberstehen.

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