Die Ikone kommt jetzt aus Affalterbach

Jens Meiners, Autoren-Union Mobilität, genoss den Mercedes-AMG SL



Obwohl er sich immer wieder neu erfunden hat, ist er seit Jahrzehnten eine Konstante im Mercedes-Programm: Der Roadster SL. Jetzt ist es wieder soweit, es ist Zeit für den nächsten Sprung. Der fällt diesmal noch etwas größer als sonst aus, denn erstmals ist nicht Mercedes-Benz für die Entwicklung zuständig, sondern das Tochterunternehmen Mercedes-AMG in Affalterbach, spezialisiert auf Sportwagen und Hochleistungs-Fahrzeuge der oberen Kategorie.

Die Sportwagen-Gene des neuen SL manifestieren sich bereits im sehr leichten Rohbau. Der Rahmen besteht komplett aus Aluminium. Trotz des niedrigen Gewichts sind Torsions- und Quersteifigkeit besser als beim jetzt auslaufenden GT Roadster. Genau wie dieser, jedoch anders als der bisherige SL, verfügt der neue SL nun wieder über ein Stoffdach. Dieses soll sich durch herausragenden Akustik-Komfort und entsprechende Dämmeigenschaften auszeichnen, so dass wohl niemand das sperrige Metall-Klappdach des Vorgängers vermissen dürfte.



Der SL wird in seiner neuen Modellgeneration wieder zum 2+2-Sitzer; die Rücksitze sind tief ausgeformt, bequem unterkommen können dort allerdings nur Kinder oder Kleinwüchsige. Bei früheren Modellgenerationen konnte man die kleinen Rücksitze auch zugunsten einer ausgekleideten Gepäckmulde weglassen. Unsere Sitzprobe hat ergeben, dass man vorne perfekt sitzt; Armaturentafel und Mittelkonsole sind vom aktuellen, hochmodernen Stil der Marke ausgeprägt. Mercedes-AMG nennt die Bildschirmdarstellung analoger Instrumente „hyperanalog“.

Das Infotainmentsystem und auch die Assistenzen des neuen SL liegen auf dem bereist sehr hohen Niveau der C-Klasse, entsprechen jedoch nicht der S-Klasse. Das ist bei einem Sportwagen aber völlig in Ordnung, denn wer einmal am Volant des SL Platz genommen hat, möchte es vermutlich nicht bei erster Gelegenheit wieder aus der Hand geben. Das gilt insbesondere für die beiden Hochleistungsvarianten, mit denen Mercedes-AMG zum Marktstart antritt. Sie hören auf die Modellbezeichnung SL 55 4-Matic+ und SL 63 4-Matic+, Beide sind mit dem fabelhaften 4,0-Lier-V8-Biturbo ausgerüstet, der im SL 55 476 PS (350 kW) leistet und im SL 63 auf 585 PS (430 kW) kommt. Der Spurt von null auf 100 km/h dauert je nach Version 3,9 bzw. 3,6 Sekunden, die Spitze liegt bei 295 bzw. 315 km/h. Die bisher zumindest pro forma übliche Abregelung bei 250 km/h findet beim neuen SL nicht mehr statt.



Für die Kraftübertragung sorgt der hauseigene Neun-Gang-Automat, der AMG-typisch über eine nasse Anfahrkupplung verfügt, die den Wandler ersetzt. Allradantrieb ist Serie. Allerdings wird es noch eine Reihe weiterer Varianten geben; eine hinterradgetriebe Variante ist denkbar, und es wird mit Sicherheit einen Plug-in-Hybriden geben, der – wie beim kommenden C63 – auf einem Vierzylinder basiert. Sechszylinder sind ebensowenig geplant wie ein V12.

Der neue Mercedes-AMG SL verfügt serienmäßig über ein Stahlfahrwerk mit Verstelldämpfung und eine Hinterachslenkung; beim SL 63 gibt es zudem eine hydraulische Wankstabilisierung. Das „Curve Control“-System des Vorgängers, der sich in die Kurve legen konnte, ist beim neuen Modell technisch nicht mehr darstellbar.



Als frischgebackenes Kind der AMG-Dependance gibt sich der neue SL sportlicher denn je, soll aber trotzdem die Spreizung zum komfortablen Boulevard-Cruiser schaffen. „Im Prinzip sind wir zu den Ursprüngen des SL zurückgegangen“, sagt AMG-Chef Philipp Schiemer. Und meint damit eines der begehrenswertesten Autos, die jemals gebaut wurden: Den 300 SL Roadster von 1957. Schön, dass diese Ikone so überzeugend neu erfunden wurde.

Fotos: Autoren-Union Mobilität/Daimler

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