Babbel zum Unwort des Jahres 2021 „Pushback“

Kommentar von Karina Indytska, Linguistin und Sprachexpertin bei der Sprachlernplattform


Gerade gab die „Sprachkritische Aktion“ das Unwort des Jahres 2021 bekannt. Aus rund 1.300 Vorschlägen fiel die Wahl auf „Pushback“ – das Wort beschreibt die Praxis von Europas Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen. „Pushback“ beschönige einen Prozess der Abschiebung, der Menschen die Möglichkeit nehme, ihr Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen, begründete die Jury das Urteil.

Karina Indytska, Linguistin und Sprachexpertin bei der führenden Sprachlernplattform Babbel, ordnet die Wahl wie folgt ein: „Die Spitzenplatzierungen bei der Wahl des Unworts des Jahres 2021 unterstreichen erneut, dass sprachliche und gesellschaftliche Entwicklungen Hand in Hand gehen. Die Jury beweist ein feines Gespür dafür, diese Entwicklung zu identifizieren und zu benennen.

Platz drei teilen sich die Wörter “Impfnazi” und “Ermächtigungsgesetz” – zwei Neologismen, die auf historischen und sozio-politischen Ereignissen beruhen. Kaum etwas hat die deutsche Geschichte auf solch eine grausame Weise geprägt wie der Nationalsozialismus. Und kaum etwas hat in den vergangenen Monaten so viel Polemik ausgelöst wie die Corona-Pandemie. Die Verknüpfung dieser bedeutungstragenden Ereignisse mit Hilfe von Sprache und die versuchte Umdeutung von tradierten Begriffen, lässt neue, oftmals höchst potente Wörter entstehen.

Auf Platz zwei schafft es der Begriff “Sprachpolizei” – eine beinahe ironische Wahl, da er genau die Menschengruppe diffamieren will, die den starken Einfluss von Sprache auf die Gesellschaft betont, und sich daher für einen inklusiven Sprachgebrauch einsetzt.

“Pushback”, Platz eins, ist aus linguistischer Sicht vor allem auf drei Ebenen problematisch und daher eine durchaus passende Wahl für das Unwort des Jahres 2021.

Schauen wir uns die ursprüngliche Bedeutung an, finden wir im Wörterbuch die Definition “the action of forcing an object backward”*, übersetzt: die Aktion, ein Objekt zu zwingen, zurückzuweichen – ideal also, um sich auf Dinge (z. B. Gesetzesentwürfe) zu beziehen, aber absolut demütigend und abwertend im Zusammenhang mit Menschen.
 
Diese Definition mag vielen Deutschsprachigen nicht bekannt sein, da es kein deutsches Wort ist. Es handelt sich um einen Anglizismus. Der Effekt, den eine solche Entlehnung aus einer anderen Sprache hat, ist deutlich: Die Verwendung einer Fremdsprache erzeugt Intransparenz. Diese wiederum bedeutet weniger negative Konnotationen und mehr Raum für Interpretation.

Und so kommen wir zu dem dritten Punkt – der verhüllenden oder euphemisierenden Natur des Begriffs. Hinter dem auf den ersten Blick “unschuldigen” Wort steckt ein menschenfeindlicher Prozess, der Menschenrechtsverletzungen und oftmals auch Gewalt und Verbrechen einschließt. Im politischen Diskurs werden diese mithilfe des Wortes “Pushback” verschleiert, um die Taten zu rechtfertigen und die Wahrnehmung der Ereignisse zu beschönigen.

Eine kritische Auseinandersetzung mit Wörtern sollte also nicht unterschätzt werden, denn Sprache bedeutet auch Macht und prägt unsere Welt maßgeblich."

 
*Siehe: https://www.merriam-webster.com/dictionary/pushback

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