Augen auf beim Gebrauchtwagenkauf

ARAG Experten sagen, was Laien beim Gebrauchtwagenkauf beachten müssen



Mal Hand aufs Herz: Wissen Sie auf Anhieb, wo sich bei einem Auto die Bremsleitung befindet? Oder die Zahnriemen? Oder woran man defekte Stoßdämpfer erkennt? Nicht?

Dann sollten Sie, wenn Sie mit dem Kauf eines Gebrauchtwagens liebäugeln, einen Profi an Ihrer Seite haben, der Sie berät. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Wagen nicht hält, was der Verkäufer verspricht. Die ARAG Experten nennen die wichtigsten Punkte, auf die man achten sollte.

Vom Händler oder privat?


Wer auf der sicheren Seite stehen möchte, sollte nach Auskunft der ARAG Experten bei einem Händler kaufen. Denn im Gegensatz zu Privatverkäufern muss der Händler im Kaufvertrag mindestens eine 12-monatige Sachmängelhaftung übernehmen. Und im ersten Halbjahr liegt die Beweislast sogar beim Händler. Er muss bei einer Fahrzeugreklamation oder -rückgabe beweisen, dass die Schäden bei der Übergabe des Wagens noch nicht da waren. Darüber hinaus bieten viele Händler weitere Garantien für den Gebrauchtwagenkauf an, die den Preis allerdings auch in die Höhe treiben. Günstiger sind also in der Regel Fahrzeuge von Privatleuten.

Der erste Blick


Liebe auf den ersten Blick gibt es sicherlich auch bei Fahrzeugen. Doch die ARAG Experten warnen vor der rosaroten Brille beim Gebrauchtwagenkauf. Denn weitaus wichtiger als Modell, Farbe oder womöglich der sympathische Autoverkäufer sind unromantische Fakten. So sollte man möglichst bei Tageslicht und trockenem Wetter zum Autokauf aufbrechen. Denn bei gutem Licht lassen sich Mängel an Karosse und Lack auch für den Laien besser erkennen. Wo Unterschiede in der Lackfarbe zu erkennen sind, wurde eventuell mit Sprühfarbe nachgeholfen, schadhafte Stellen oder Rost zu verdecken. Apropos Rost: Fallen schon beim ersten Blick Roststellen auf, kann man bei Gebrauchtwagen davon ausgehen, dass auch schlecht einsehbare Bereiche befallen sind. Und ein Riech-Tipp der ARAG Experten: Riecht es im Wageninneren muffig oder sind die Scheiben von innen beschlagen, ist das Fahrzeug von innen feucht – meist ein Indiz dafür, dass sich Rost durch die Karosse gefressen hat.

Während ein Gebrauchtwagen möglichst gewaschen sein sollte, um Lackschäden besser zu erkennen, gilt für den Motorraum das Gegenteil: Ist dieser besonders sauber, kann das ein Hinweis darauf sein, dass mögliche Lecks, beispielsweise durch austretendes Motorenöl, vertuscht werden sollen.

Woran auch Laien erkennen können, dass es sich beim Gebrauchtwagen eventuell um ein Unfallfahrzeug handelt, sind Türen, Klappen und Reifen: Wenn die Türen oder die Heckklappe sich ungewöhnlich schwer oder leicht öffnen lassen, auffallende Schließgeräusche machen oder das Spaltmaß – also die Lücke zwischen Tür und Rahmen – zu groß ist, kann es sich um ein Unfallfahrzeug handeln. Auch Reifen, die unregelmäßig abgefahren sind, lassen auf einen Unfall schließen.

Ein Blick in die Papiere

Das Inspektionsscheckheft sollte lückenlos sein. Und zwar das originale Scheckheft. Sonst muss der Käufer davon ausgehen, dass das Fahrzeug nicht regelmäßig gewartet wurde, denn allein die Bezeichnung „scheckheftgepflegt“ bedeutet nicht automatisch, dass alle Wartungen durchgeführt wurden. Fehlt ein solches Dokument, ist bei Privatverkäufern Vorsicht geboten und bei Händlern kann unter Umständen der Kaufpreis reduziert werden. Das Datum der für Fahrzeuge obligatorischen Hauptuntersuchung (HU) ist ebenfalls wichtig und kann durchaus Rückschlüsse auf die Seriosität des Verkäufers geben.

Steht die HU kurz bevor, so ist die Frage berechtigt, warum der Verkäufer sie nicht vorzieht, um den Wagen im Anschluss zu verkaufen. Ist sie erst kurz zuvor und scheinbar erfolgreich durchgeführt worden, weil die gültige Plakette am Kfz-Kennzeichen prangt, muss das nichts heißen. Denn die Plakette wird auch mit Auflagen und einer Frist zur Mängelbeseitigung vergeben. Daher raten die ARAG Experten, sich das Prüfprotokoll zeigen zu lassen. Auch ein Blick in Teil II der Zulassungsbescheinigung hilft: Denn hier stehen die Vorbesitzer des Fahrzeugs. Und je mehr es davon gab, desto eher sollte man die Finger vom Gebrauchtwagen lassen.

Probefahrt – ein Muss

Wie das Fahrzeug in Kurven fährt, ob es die Spur beim Geradeausfahren halten kann, ob die Bremsen greifen, wie sich die Gänge schalten lassen, ob der Motor normale Geräusche macht – all dies erfährt man erst bei einer Probefahrt. Und die sollte sowohl durch die Stadt, als auch auf die Autobahn führen, um das Auto auch bei höherer Geschwindigkeit zu testen. Wer noch nicht viel Erfahrung hinter dem Lenkrad gemacht hat, sollte einen erfahrenen Autofahrer mitnehmen und ebenfalls fahren lassen. Vor der Probefahrt sollte der Motor kalt sein. Nur dann erkennt man, ob der Wagen gut anspringt. Nach der Probefahrt sollte man einen Blick unter die Motorhaube werfen und kontrollieren, ob nirgendwo Flüssigkeit bzw. Öl austritt.

Vor einer Probefahrt sollte allerdings geklärt werden, ob das Fahrzeug versichert ist. Nur eine Vollkaskoversicherung bietet dem potenziellen Käufer eine gewisse Sicherheit. Beim Privatfahrzeug muss man als Probefahrer im Schadensfall nur die Selbstbeteiligung und unter Umständen die Höherstufung bei der Versicherung bezahlen. Bei einem Händler können Kunden davon ausgehen, dass ein Unfall während der Probefahrt komplett abgesichert ist, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Aber auch dies sollte vorher mit dem Händler besprochen werden.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte den Gebrauchtwagen bei einer offiziellen Prüfstelle vorführen. Ab 30 Euro kann man hier einen Rundumcheck machen lassen, bei dem alle relevanten Fahrzeugteile untersucht werden.

Passende Urteile

Schwer nachweisbare Vorschäden


Die Frau hatte den Gebrauchtwagen bei einem Händler erstanden. Das Fahrzeug wurde ihr als unfallfrei verkauft. Doch als sie schuldlos in einen Auffahrunfall verwickelt wurde und den Wagen in Reparatur gab, stellte sich heraus, dass es bereits einen ähnlichen Schaden vorher gegeben haben musste. Weil die Betroffene nicht beweisen konnte, dass es beim Kauf des Autos keinen erkennbaren Vorschaden gegeben hatte, weigerte sich die Versicherung des Unfallgegners, die Reparaturkosten zu erstatten. Einen Zeugen, der bestätigen konnte, dass kein Vorschaden erkennbar gewesen war, durfte sie erst beim Berufungsgericht nennen. Der angestellte Kfz-Mechaniker des Autohauses, bei dem die Frau ihren Gebrauchtwagen erstanden hatte, konnte bestätigen, dass er das Fahrzeug vor Ankauf durch seinen Arbeitgeber gründlich untersucht hatte. Dabei seien keinerlei Beschädigungen oder unsachgemäß reparierte Vorschäden festgestellt worden.

Der TÜV, der den Wagen vor Übergabe an die Betroffene untersucht hatte, hatte ebenso keine Vorschäden erkannt wie der DEKRA-Sachverständige, der das Auto nach dem Unfall begutachtet hatte. Da die Geschädigte hier nachweisen konnte, dass ein eventueller Vorschaden ordnungsgemäß repariert worden war, musste der Versicherer für sämtliche Aufwendungen wegen des erneuten Schadens zahlen (Oberlandesgericht Celle, Az.: 14 U 86/21).

„Gekauft wie gesehen“ nicht immer gültig


Bei einem privaten Gebrauchtwagenkauf wird im Kaufvertrag gerne die Formulierung „gekauft wie gesehen“ verwendet. Damit wollen Verkäufer eine Gewährleistung ausschließen. Doch laut ARAG Experten erfasst der Ausschluss nur solche Mängel, die ein Laie bei einer Besichtigung erkennen kann. In einem konkreten Fall kaufte die Klägerin von privat einen gebrauchten Peugeot für gut 5.000 Euro. Nach einiger Zeit wollte sie das Fahrzeug zurückgeben und ihren Kaufpreis zurückerhalten. Sie behauptete, das Fahrzeug habe einen erheblichen Vorschaden, von dem sie beim Kauf nichts gewusst habe. Der Verkäufer bestritt einen Vorschaden und berief sich außerdem auf die Formulierung im Kaufvertrag „gekauft wie gesehen“.

Doch die Richter bestätigten ihren Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufs, denn der Pkw habe nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen einen erheblichen, nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden aufgewiesen, den sie als Laie nicht hätte erkennen können (OLG Oldenburg, Az.: 9 U 29/17).

Foto: Pixabay

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