(Hans-Robert Richarz, Autoren-Union Mobilität) Auburn im US-Bundesstaat Indiana liegt auf halber Strecke zwischen Detroit und Chicago und ist ein kleines Städtchen mit nur knapp 14.000 Einwohnern, aber großer amerikanischer Automobilvergangenheit.
Hier gründeten vor 120 Jahren Frank und Morris Eckhart, Söhne eines deutschen Einwanderers, die Auburn Automobile Company, aus der später zwischen den Weltkriegen unter neuen Inhabern so berühmte Marken wie Duesenberg und Cord (Automobile) sowie Lycoming (Maschinen für Autos, Boote und Flugzeuge) hervorgingen.
Heute erinnert in und um Auburn eine Reihe von Automuseen an die ruhmreiche Vergangenheit. Und alljährlich lockt das Auburn Cord Duesenberg Festival Ende August zahlreiche Oldtimer-Fans in den Ort, der sich nicht nur selbst stolz als „Home of the Classics“ (Heimat der Klassiker) bezeichnet, sondern wo auch eines der großen amerikanischen Automobil-Auktionshäuser zu Hause ist: Worldwide Auctioneers. Das Unternehmen ist zwar erst gut 20 Jahre alt, kann aber inzwischen im Club der großen Oldtimer-Versteigerer ein gewichtiges Wörtchen mitreden.
Anfang dieses Jahres brachte es zum Beispiel in Arizona einen 1929er Duesenberg für 2,3 Millionen US-Dollar ( 2,1 Millionen Euro) unter die Leute, 2017 eine 1967er Corvette für 1,98 Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro) und im vergangenen Jahr einen 1938er Bugatti Atalante für 1,7 Millionen Dollar (1,6 Millionen Euro).
Am 22./23. April soll in Auburn erneut die Kasse vernehmlich klingeln, wenn Worldwide Auctioneers bei der sogenannten „The Enthusiast Auction“ hauptsächlich amerikanische Edelkarossen vergangener Zeiten unter den Hammer nimmt.
Ältester Vertreter ist ein 1912er Lambert Model 66C Touring. Der Name Lambert sagt wohl nur wenigen Oldtimer-Interessierten etwas, ist doch John William Lambert einer der vergessenen amerikanischen Auto-Pioniere. Bereits 1891, zwölf Jahre, bevor Henry Ford in Detroit seine Ford Motor Company gründete, baute Lambert in Ohio City (Indiana) – eine Autostunde südlich von Auburn – sein erstes, mit einem Verbrennungsmotor ausgerüstetes Fahrzeug. So begabt er als Ingenieur arbeitete, so untalentiert erwies er sich als Geschäftsmann. Erst als er nach der Jahrhundertwende wohlhabende Investoren fand, ging es für ihn aufwärts. Doch Mitte des Ersten Weltkriegs musste er seine Fabrik endgültig schließen.
Das Auto, das in Auburn unter den Hammer kommen soll, scheint das einzige Lambert-Modell zu sein, das bis heute überlebt hat. Was er einbringen wird, darüber hüllen sich die Auktionatoren in Schweigen, was auch für fast alle anderen Versteigerungsobjekte in Auburn in der vorletzten Aprilwoche gilt, Sie kommen überwiegend mit der Ankündigung „Offered Without Reserve“ unter den Hammer, was so viel heißt, dass kein Mindestpreis angegeben wird. Allerdings kann „no reserve" nach US-Recht relativ sein, denn es wird trotzdem nicht jedes Gebot akzeptiert.
Das gilt auch für die beiden 90 Jahre alten Chrysler Imperial, eine Limousine und ein Cabrio. Die Depression zu Beginn der 1930er Jahre ging am Markt der Luxus-Autos natürlich nicht vorüber, wohl aber am Entwicklungsfortschritt der Fahrzeuge insgesamt, was zu einigen der besonders attraktiven Autos führte, die zu jener Zeit produziert wurden. Kein Wunder, dass diese Ära als „die klassische" gerühmt wird ist. Zu einigen der herausragenden Fahrzeuge jener Zeit zählen die Chrysler-Imperials von 1932. Präsentiert in den zwei Versionen Cabrio und Limousine stand die CH-Serie auf dem neuen 135-Zoll-Radstand, verfügte über einen Achtzylindermotor mit 125 PS/92 kW und ein Vier-Gang-Getriebe mit Handschaltung (Limousine) beziehungsweise 135 PS/100 kW und ein Drei-Gang-Getriebe mit Handschaltung (Cabrio). Beide Oldtimer zählen zu den ausgesprochen seltenen ihrer Zeit.
Dem kalifornischen Goldrausch von 1849 ist es letztendlich zu verdanken, dass sich der Name Studebaker zu einer Ikone im amerikanischen Automobilbau entwickelte. Bereits im späten 18. Jahrhundert hatte sich die deutschstämmige Auswanderfamilie Stautenbecker in der Gegend von Philadelphia mit dem Transport von Menschen und Gütern beschäftigt. Später „amerikanisierte“ sie ihren Namen und gründete Mitte des 19. Jahrhunderts in South Bend (Indiana) die Studebaker Wagon Company. Wesentlichen Anteil am Betriebskapital steuerte John Studebaker bei, der zunächst selbst erfolglos nach Gold geschürft, danach aber ein beträchtliches Vermögen in San Franzisco als Händler von Schubkarren und Fuhrwerken für die Goldsucher gemacht hatte.
Bereits 1897 beschäftigte sich Studebaker mit Motorfahrzeugen, die elektrisch angetrieben wurden, freilich mit geringem Erfolg. Das änderte sich entscheidend erst nach dem Ersten Weltkrieg mit der Studebaker Corporation. Damals war das Unternehmen der erste amerikanische Automobilhersteller, der eine kontrollierte Teststrecke eröffnete. Zu jener Zeit kam auch der 1925er Studebaker ER Standard Duplex Phaeton auf den Markt, der jetzt in Auburn einen neuen Besitzer oder eine neue Besitzerin finden soll. Die Besonderheit des top restaurierten Fahrzeugs sind seine Räder mit Speichen aus Holz.
Einen ähnlich klangvollen Namen wie der Studebaker trägt auch der nächste Kandidat. Er vertritt die Marke Packard. Die 1938er Packard1605 Super 8 Cabrio-Limousine wurde damals für 3970 US-Dollar verkauft und war eine der teuersten Karosserievarianten in der Super 8 Packard-Reihe. Es handelte sich um einen Fünfsitzer, der mit einer Heizung, einem Defroster und einer neuen feststehenden Kühlerfigur ausgestattet war. Das professionell restaurierte Fahrzeug, das in Auburn versteigert wird, trägt einen Acht-Zylinder-Motor unter der Haube, der bei 3800 Umdrehungen pro Minute (U/min) 125 PS/92 kW leistet und seine Kraft über ein handschaltbares Vier-Gang-Getriebe auf die Hinterräder verteilt.
Die 1957 eingeführte Marke Edsel der Ford Motor Company gilt bis heute als Musterbeispiel für eine gescheiterte Produktpräsentation. Der Name sollte an den 1943 verstorbenen einzigen Sohn des Firmengründers Henry Ford I und Vater von Henry Ford II erinnern. Doch erhebliche Qualitätsprobleme, ein viel zu hoher Preis und ein für den damaligen Geschmack misslungenes Design bescherten Ford einen Verlust in Milliardenhöhe. Über das Auto machte der Spruch „every day something else leaks“, zu Deutsch: „Jeden Tag ist etwas anderes undicht“, die Runde. Als schließlich zu allem Überfluss amerikanische Frauenverbände in der Kühlerpartie sexistische Andeutungen vermuteten, war das Aus nicht mehr zu verhindern. Heute geht das in Auburn angebotene Edsel Cabrio von 1958 als Schönheit durch. Inzwischen gilt es zusammen mit seinen Brüdern und Schwestern als begehrtes Sammelobjekt.
Das trifft zweifellos auch für das 1968er Shelby GT500KR Cabrio zu. Das offene Fahrzeug des ehemaligen Rennwagenpiloten und Konstrukteurs Carroll Shelby gilt nahezu als unbezahlbar und gehört zu den seltensten und teuersten Autos, da nur wenige überhaupt davon hergestellt wurden. In ihm arbeitet ein 428 Cobra Jet Motor, also eine Sieben-Liter Maschine, die 335 PS/246 kW leistet. Der Shelby Mustang beschleunigt von 0-100 km/h in 6,7 Sekunden und erreicht dabei ein Drehmoment von 510 Newtonmeter (Nm). Während der Planung des GT500 KR erfuhr Carroll Shelby, dass Chevrolet einen 396 Camaro herausbringen wollte, der den Spitznamen ‚King of the Road‘ führen sollte. Er beschloss aber, sich diesen Spitznamen für seinen GT500 KR sichern zu lassen. Zu Recht.
Mehr als 50 Fahrzeuge werden am 22./23. April in Auburn versteigert. Doch auch wessen Kontoauszüge zu Bescheidenheit mahnen, kann etwas finden. Es kommen zusätzlich über 400 kleine und große Sammlerobjekte unter den Hammer, vom Tretauto für Kinder bis zur nostalgischen Tanksäule von Anno dunnemals.
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Worldwide Auctioneers
Auktion für Spezialisten
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