Historie und Histörchen (100)

Langstrecken-Rekorde



Sein Tod im Alter von 96 Jahre ließ jetzt Erinnerungen an Treffen mit Prof. Carl H. Hahn wieder aufleben, persönliche Erinnerungen an seine Begeisterung fürs Auto, seinen geschäftlichen Erfolg und seinen Umgang mit Menschen, zu dem seine Rolle als Spitzenmanager ihn nicht verpflichtet hätte.

In den frühen 70-ger Jahre, Carl H. Hahn, steckte gerade in seiner Phase beim Reifenhersteller Continental (1972 bis 1982), lud er den jungen Motorredakteur der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ auf das Volkswagen-Testgelände nach Ehra Lessin ein. Der hatte es nicht leicht, mit Frau und seinem 65-ger Export-Käfer den Eingang zu finden, traf aber schließlich am Rande der Schnellfahrbahn auf eine kleine Gruppe, darunter Carl H. Hahn und der allseits bekannte Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein, alle neben einem weißen Porsche Coupé.

Wir verbrachten dann einen schönen sonnigen Tag zusammen auf der Leitplanke an der Schnellfahrbahn, während Huschke von Hanstein im Porsche alle paar Minuten allein auf dem schnellen Asphalt seine Bahnen zog. Bei dem Porsche handelte es sich um den Privatwagen von Hahn, ein Serienfahrzeug ohne irgendwelche Leistungssteigerungen. „Nur sauber eingefahren“, versicherte der Conti-Chef, der es immerhin auch als Zulieferer erreichen konnte, dass ihm das große Volkswagen-Testgelände einen Tag zur Verfügung stand. Wie hieß es später in einem Schlagertext? Niemals geht man so ganz.

Huschke von Hanstein fuhr diverse Rekorde für Langstrecke und Serienfahrzeuge und wir hatten Zeit, uns zu unterhalten. Am Ende des Tages waren meine Frau und ich uns sicher: ein netter Mann. Den hat die Conti gar nicht verdient.

Zehn Jahre später am kalten Buffet des MPC-Abends. Der Motor Presse-Club hatte zum traditionalen Treffen der Journaille und der Manager am Vorabend der IAA geladen. In der Schlange vor mir Prof, Hahn. Der dreht sich mit dem leeren Teller in der Hand zu mir um, begrüßt mich mit Namen und teilt mir mit, er habe leider entscheiden müssen, dass ich nicht Pressesprecher für die Nutzfahrzeuge des Konzerns werden könne. Die IG Metall habe auf einer hausinternen Besetzung bestanden. Es wurde übrigens ein Fahrwerksentwickler.

Ich hätte nicht gedacht, dass der Vorstandvorsitzende von VW in diese Entscheidung einbezogen werden würde. Noch mehr wunderte ich mich, dass er wusste, um wen es ging und ihm die Botschaft persönlich überbrachte, wenn auch in einem eher entspannten Umfeld.

In den 90-ger Jahren verblüffte er den an Technik und Fahreigenschaften interessierten Motorredakteur mit einer wirtschaftlichen Botschaft, die er dieses Mal nicht in einem entspannten Umfeld vortrug. Bei der Hauptversammlung der AG teilte er den versammelten Aktionären mit, China sei nun mit mehr als einer Millionen abgesetzten Fahrzeugen der größte Markt von Volkswagen.

Der Mann vor der Leitplanke hatte noch mehr Rekorde im Blick als die für einen sauber eingefahrenen Porsche. (Peter Schwerdtmann/cen)

Foto: Volkswagen

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