Morgengruß von Helmut Harff: Erinnern

Warum nicht alles aufschreiben?



Dieser Tage saß ich mit anderen alten weißen Männern zusammen. Wir rissen Zoten, überboten uns darin, über die Frauen möglichst sexistisch herzuziehen, rühmten uns unsere Erfolge bei jungen Frauen, machten die dralle Kellnerin an.


NEIN!!!!!! Gibt es solche Männer überhaupt noch? Na ja, ich befürchte schon, doch wir sind solche Kerle nicht. Wobei, auch wir kamen im Laufe des Abends immer mehr darauf, uns unsere Geschichten zu erzählen. Da wir die Geschichten des jeweils anderen noch nicht kannten, war das Ganze recht spannend. Wir, alles Berliner und Brandenburger und alle schon im Rentenalter, haben also unser halbes Leben in der DDR zugebracht, keiner hatte vorzeitig den Arbeiter-und Bauernstaat verlassen. Die einen hatten Karriere gemacht, die andern sind ebenfalls ziemlich gut durch das Leben gekommen.

Und doch, wenn man uns zugehört hätte, wäre man kaum auf die Idee gekommen, dass wir in der besten DDR aller Zeiten aufgewachsen sind. Zumindest waren die Erinnerungen an diese, aber auch an die Zeit danach höchst unterschiedlich. Obwohl keiner wirklich dem sozialistischen Teil Deutschlands nachtrauert, war der eine Funktionär, der andere Bürgerrechtler, suchte der eine seine Nische, der andere den beruflichen Erfolg. Es war eigentlich genau ein Abbild dessen, wie das Leben in der DDR verlaufen sein konnte. Im Übrigen setzten sich die sehr unterschiedlichen Biografien auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik fort.

Wie das so kommt, meinte einer, dass wir so viel zu erzählen haben, dass man das doch aufschreiben müsste. Mit man meinte man dann mich, den Schreiberling. Ja warum nicht die Erinnerungen aufschreiben. Mir geistert diese Idee ja schon jahrelang durch den Kopf. Doch bisher habe ich einfach nicht die Ruhe dazu gefunden.

Doch dann das Erstaunliche: Die anderen meiner Gesprächspartner haben sich mit dem gleichen Gedanken schon getragen und zwei haben schon angefangen, Material wie Bilder, aber auch Familiengeschichten zu sammeln. Eigentlich hatten sie auch den Plan, mit Erreichen des Rentenalters unter die Schriftsteller zu gehen. Doch wie das so ist, Rentner haben eben niemals Zeit.

Aber wie sagt der Volksmund: Ein Mann, ein Wort! Wir haben uns verabredet, uns immer mal wieder zu treffen und über die Verarbeitung unserer Erinnerungen auszutauschen, vielleicht sogar schon das erste Kapitel vorzulesen.

 Nicht in Erinnerungen, sondern im sonntäglichen Frühstück mit der Besten Frau der Welt werde ich jetzt schwelgen.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Sonntagsfrühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Gerlinde, Ottokar, Edigna, Denis, Mechthild

Foto: Pixabay

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