Im Verbrenner steckt Potential

... so Deutz-Vorstand Markus Müller



Deutz ist nicht nur ein Traditionsunternehmen, sondern auch ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Jetzt spricht Technik- und Vertriebsvorstand Dr. Markus Müller Klartext: Zum Verbrennungsmotor gibt es in vielen Bereichen auch in Zukunft keine Alternative, doch die Lieferantenbasis erodiert bereits. Die Märkte außerhalb Europas werden wichtiger. Und Deutz profitiert von der Konsolidierung des Marktes.

Müller sprach mit unserem Autor Jens Meiners.

Sie haben vor einigen Wochen die Deutz Days veranstaltet, einen großen Kundenevent. Was waren dort die wichtigsten Themen?
Markus Müller:
Die technologische Transformation ist in vollem Gange, wir diskutieren mehr denn je die Nachhaltigkeit des klassischen Antriebs und wir sind der Klimaneutralität verpflichtet. Den Weg dorthin müssen wir allerdings mit Technologieoffenheit bestreiten. Denn es gehört zur Wahrheit, dass uns der Verbrennungsmotor noch eine ganze Weile begleiten wird. Wir arbeiten am Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe und an der Effizienz unserer Motoren. Andererseits investieren wir in die Elektrifizierung. Unser erstes Hochvolt-System ist serienfähig, wir werden unseren Kunden verschiedene Lösungen anbieten können bis hin zur Brennstoffzelle.

Nachdem in Brüssel auch über Lkw und „Off-Road“-Maschinen gesprochen wird: Können Sie hier in Zukunft überhaupt noch Technologieoffenheit praktizieren, also Verbrennungsmotoren entwickeln und verkaufen?
Markus Müller:
Das Thema treibt uns in der Tat um. Unsere Lieferantenbasis fußt auf vielen Unternehmen, die ihre größten Umsätze mit der Automobilindustrie erzielen, und wenn der Verbrenner im Auto verboten wird, fällt diese Basis in Europa weg. Dieser Trend hat auch schon begonnen. Bei unserem neuen 3,9-Liter-Motor haben uns einige Lieferanten gesagt, dass sie nicht mehr in das Thema investieren werden. Die Lieferantenbasis, die wir für diesen Motor letztlich ausgewählt haben, bleibt uns hoffentlich lange erhalten. Aber die Verunsicherung bei unseren Zulieferern ist spürbar.

Was kann Ihr neuer Motor, der erwähnte 3,9-Liter-Diesel?
Markus Müller:
Ich bin überzeugt, dass er eine nachhaltige Rolle spielen wird. Denn wir sehen momentan eine sinnvolle Anwendung von Elektromotoren bis maximal 100 kW Leistung, darüber lässt sich der E-Antrieb jedoch weder in Sachen Systemkosten noch im täglichen Einsatz sinnvoll einsetzen. Der 3,9-Liter-Motor wird 2024 als klassischer Industriemotor in der Leistungsklasse über 100 kW eingeführt und damit unsere älteren Baureihen 3,6 und 4,1 ablösen.

Was erwarten Sie für die weitere Zukunft?
Markus Müller:
Wenn die Entscheidungen der EU auch bei Nutzfahrzeugen so ausfallen wie beim Pkw, müssen wir uns ernsthaft Gedanken um unsere Lieferkette machen. Und bei zukünftigen Motoren schauen, in welchem Umfang wir in Europa überhaupt noch Partner finden. Vielleicht werden wir tatsächlich gezwungen, die notwendigen Technologien außerhalb Europas zu akquirieren.

Die OEM kämpfen sicher mit ähnlichen Problemen. Können Sie davon profitieren?
Markus Müller:
Wir sehen die Transformation unserer Industrie als Chance für Deutz. Der Markt wird sich weiter konsolidieren und wir wollen als unabhängiger Antriebshersteller eine aktive Rolle dabei spielen. Unsere kürzlich bekanntgegebene Kooperation mit Daimler Truck ist dafür ein gutes Beispiel: Dabei geht es sowohl um mittelschwere Motoren, nämlich die Daimler-Truck-MDEG-Baureihe, die beispielsweise für den Einsatz in Baumaschinen geeignet ist, als auch um schwere Motoren der Daimler-Truck-HDEP-Baureihe, die zum Beispiel große Landmaschinen antreiben können. Deutz erschließt sich auf diesem Weg neue Kundengruppen, spart Entwicklungskosten, erweitert sein Produktangebot bei modernen Verbrennungsmotoren und schafft so die Grundlage für weiteres Wachstum in diesem Bereich.

Was bedeutet diese Kooperation langfristig?
Markus Müller:
Die Zusammenarbeit beider Unternehmen ist ein erster Beleg für die jüngst angekündigte „Dual+“-Strategie von Deutz, die neben der verstärkten Entwicklung eines klimaneutralen Produktportfolios auch auf die Optimierung und Weiterentwicklung der klassischen Motoren setzt. Die Kooperation mit Daimler Truck verbessert unsere Ausgangsposition in einem sich konsolidierenden Markt signifikant, da wir Zugriff auf hochentwickelte Motoren erhalten und gleichzeitig neue Kundengruppen erschließen. Gerade im Bereich "Off Highway" werden konventionelle Antriebe mit Verbrennungsmotoren weiterhin noch benötigt – und können durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe umweltfreundlich betrieben werden. Wir werden deshalb in den nächsten Jahren nicht nur unsere neuen Antriebe weiterentwickeln, sondern auch im klassischen Motorengeschäft weiter wachsen.

Im Verbrenner steckt also noch Potential?
Markus Müller:
Ganz sicher. Der Wirkungsgrad insbesondere bei größeren Motoren kann noch deutlich verbessert werden, inzwischen wurden schon 50 Prozent Wirkungsgrad ausgerufen. Die wichtigsten Stellhebel dabei sind die weitere Minimierung der Reibleistung, die Elektrifizierung der Nebenaggregate, Zünddruck, Materialoptimierung und eine noch leistungsfähigere Abgas-Nachbehandlung. Bei den Abgasnormen laufen die Industriemotoren im Windschatten der Nutzfahrzeugbranche und auch wir stellen uns auf schärfere Anforderungen ein.

Was können synthetische Kraftstoffe leisten?
Markus Müller:
Es ist in Europa Konsens, dass wir so schnell wie möglich aus fossilen Kraftstoffen aussteigen müssen. Umso fragwürdiger ist es, dass E-Fuels nicht auf den CO2-Ausstoß angerechnet werden, weil man damit unmittelbaren Einfluss auf die Bestandsflotte hätte. Ein Unternehmen wie Aramco kann klimaneutrale Treibstoffe in einigen Regionen bei einem Strompreis von 1-2 Cent pro kWh erzeugen. Perspektivisch kommen wir damit in einen Bereich, der diese Kraftstoffe erschwinglich werden lässt. Wir haben ja grundsätzlich ausreichende regenerative Energie zur Verfügung. Da die Sonne zudem keine Rechnung schickt, erübrigt sich auch die Kritik am Wirkungsgrad.

Wie ist der Status beim Wasserstoffantrieb?
Markus Müller:
Ja, und dabei denken wir vor allem an den Verbrennungsmotor. Derzeit laufen vier davon auf Prüfständen und einer im Feldversuch. Die Ergebnisse sind vielversprechend, bisher haben wir keine größeren 'Roadblocks' identifiziert. Im Drehmomentverlauf bleibt der Diesel zwar unschlagbar, aber wir kommen mit diesem Motor durch andere Turbo-Technologien und Verbrennungsabstimmungen dem Diesel nahe. 2024 gehen wir in Serie. Wir können dabei auf bestehende Kernkompetenzen, Lieferketten und installierte Kapazitäten bis hin zur Service-Infrastruktur zurückgreifen. Und haben dennoch eine CO2-freie Technologie.

Es gibt aber auch Kritik. In Kalifornien wurde diese Technologie zum Beispiel kritisiert, weil die Motoren mit Öl geschmiert werden.
Markus Müller:
Die Schmierölverbräuche im Wasserstoffmotor durch Kleinstmengen im Brennraum liegen auf einem derart niedrigen Niveau, dass sich die Emissionen an der Nachweisgrenze befinden. Mein letzter Stand ist: Wenn der Kraftstoff frei von Kohlenstoff ist, handelt es sich um eine CO2-freie Technologie.

Sie arbeiten auch an der Brennstoffzelle?
Markus Müller:
Nur indirekt. Wir haben hier in ein Startup investiert, das eine Hochtemperatur-Zelle entwickelt. Die dänische Blue World Technologies nutzt grünes Methanol, um in einem Reformer Wasserstoff zu erzeugen, der dann in den Brennstoffzellen-Stack geht. Mit dem Rückgriff auf grünes Methanol werden im ersten Schritt die problematischen Themen Speicherung und Infrastruktur für reinen Wasserstoff entschärft.

Bei allem Fokus auf neue Technologien: Wie entwickeln sich eigentlich die Märkte außerhalb Europas?
Markus Müller:
Aus meiner Sicht wird sich die Welt noch weiter diversifizieren. Das Thema Elektrifizierung wird kontrovers diskutiert und die weniger stark regulierten Märkte werden noch sehr viel länger auf den Verbrenner setzen, auch auf Dieselkraftstoff. Die Vorgaben zum Klimaschutz divergieren in den Regionen ebenfalls erheblich. Wir sind auf zeitlich unterschiedlichen Pfaden unterwegs und müssen auch deshalb einen technologieoffenen Ansatz fahren, um auf jedem Markt die effizientesten Antriebe anbieten zu können. Alles mit unserem übergeordneten Ziel im Blick: Bis 2050 wollen wir klimaneutral sein.

Können Sie im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Umfeld eigentlich noch genügend Nachwuchsingenieure und Auszubildende finden?
Markus Müller:
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Während man früher an renommierten Hochschulen kaum noch in den Hörsaal gepasst hat, sind die Anmeldungen im Maschinenbau, insbesondere in den Bereichen Thermodynamik und Motorentwicklung, stark gesunken. Heute müssen wir viel tun, um Mitarbeiter zu rekrutieren. Wir betreiben ein eigenes Talentmanagement, auf das wir stolz sind. Und wir halten selbst Vorlesungen, auch um klar zu sagen, dass nicht der Verbrennungsmotor das Problem ist, sondern der Kraftstoff, und dass wir diese Technologie noch lange im Markt sehen werden. (cen/Jens Meiners)

Foto: Autoren-Union Mobilität/Deutz

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