Chinesischer Brit-Pop mit Alpen-DNA

... das ist die Brixton Cromwell 1200 für Ralf Bielefeldt



Wetten sind beliebt in England. Noch nicht wissentlich bei den Buchmachern platziert, aber durchaus spannend wäre diese Frage: Wieviel Marktanteile luchst Newcomer Brixton dem Platzhirsch Triumph bei den hubraumstarken Old-School-Bikes ab?

Das Motorrad, das in den Ring steigt, trägt den britisch anmutenden Namen Cromwell 1200. Mit 1222 Kubikzentimetern Hubraum krönt das „Big Bike“ alle bisherigen Modelle der österreichischen Marke unter dem Dach der KSR-Gruppe.

Auch leistungsmäßig spielt die Cromwell 1200 im hauseigenen Modellportfolio in einer eigenen Liga: 83 PS und 108 Newtonemter – das gab es bei KSR, spezialisiert auf 125er und 250er, noch nie. Das bislang stärkste Modell, die Brixton Crossfire 500, kommt auf knapp 48 PS und 43 Nm.

Zündung an, Startknopf drücken und der Twin erwacht sonor und potent, aber nicht zu laut zum Leben. Der erste Gang rastet hörbar ein. Die Anti-Hopping-Kupplung ist schön leichtgängig, das Anfahren fällt leicht. Die flache Sitzbank ist schon im Stand knüppelhart. Dafür erfreut die Sitzhöhe: 800 Millimeter verhelfen den meisten Fahrern und Fahrerinnen zu einem sicheren Stand. Beide Füße auf dem Boden, das schafft Vertrauen angesichts des Fahrgewichts von 235 Kilogramm. Immerhin sind die ausgewogen verteilt. Das Handling ist easy, rangieren fällt leicht. Der Knieschluss am Tank beim Fahren ist schlüssig, auch wenn die vergleichsweise breiten Seitenverkleidungen etwas stören, winkelt man die Beine nicht leicht ab.

Sport und Eco – zwei Fahrprogramme hat Brixton für die Cromwell 1200 komponiert. Der Sport-Modus macht seinem Namen alle Ehre: Die Maschine geht ab wie ein echter Racer, was etwas verblüfft auf einem Bike dieser Machart. Fast schon zu ungestüm hängt sie am Gas. Weniger überraschend geht der standardmäßig eingestellte Eco-Modus zu Werke. Er ist deutlich moderater ausgelegt und macht seine Sache in allen Belangen gut: sanfte Gasannahme, konstante Beschleunigung, gut dosierbar per Ride-by-Wire. So soll das sein. Ein Tempomat ist serienmäßig und kinderleicht zu aktivieren, Tastendruck reicht.

Der kernige Zweizylinder macht seine Sache erstaunlich gut. Das maximale Drehmoment liegt bereits bei 3100 Touren an. Vom Fahrverhalten und vom ganzen Auftreten her ist die Cromwell 1200 ein klassisches Gentleman-Bike – zeitlos, stilvoll, entschleunigend. Genau wie ihr großes Vorbild, die Triumph Bonneville T120. Schwarze Faltenbälge, Rundscheinwerfer, breiter, zum Fahrer geneigter Lenker, markante Tankausformungen, Speichenräder in 18 Zoll vorn und 17 Zoll hinten – dieses Bike macht schon optisch Lust aufs Fahren. Der Look erweckt den Eindruck, Brixton baue schon seit Ewigkeiten solche Maschinen. Dabei gibt es die Marke erst seit 2016.

Die Technik stammt aus China. So dürfte es niemanden verwundern, dass auch der Twin-Motor eine frappierende optische Ähnlichkeit mit dem Bonneville-Triebwerk aufweist: Mattschwarzes Motorgehäuse, gefräste Kühlrippen, schnörkellose Auspuffrohre, die luftige Zweizylinder-Platzierung zwischen Tank und Rahmen – all das kennt man von der Triumph. Auch bei den Abmessungen (Radstand, Lenkkopfwinkel) geben sich die beiden quasi nichts. Folglich auch nicht beim Fahrverhalten, zumindest nicht im Großen und Ganzen.

Vorn und hinten werkeln Kayaba-Federelemente bei der Cromwell 1200. Die Rückmeldung ist gut, das Fahrwerk vermittelt viel Vertrauen, ohne zu maßlosem Heizen zu verführen. In flott gefahrenen Kurven setzen die Fußrasten erst spät auf. Geradeaus geht es theoretisch sehr schnell: 198 km/h gibt Brixton als Höchstgeschwindigkeit an. Aber die werden die wenigsten dauerhaft fahren: Spätestens ab 150 km/h wird es auf nackten Klassikern echt ungemütlich. Die Cromwell 1200 macht da keine Ausnahme. Drei Bremsscheiben sorgen für ordentliche Verzögerung. Durchschnittlich 4,6 Liter auf 100 Kilometer beträgt der offizielle Verbrauch. Der Testkonsum lag mit 5,1 Litern leicht darüber.

„Mit der brandneuen Cromwell 1200 gibst du den Ton an und fährst guten, klassischen Old School Style auf deine eigene, moderne Art“, verkündet KSR selbstbewusst auf der Modellseite seines ersten Big Bikes. Das gilt auch fürs große Rundinstrument: Poppig bunt strahlt das TFT-Display den Fahrer an. Die Grafik baut sich beim Einschalten der Zündung Stück für Stück auf und erstrahlt dann in hell leuchtender Zwiebeloptik. Geschichtet von außen nach innen leuchten die zentralen Informationen weiß, rot und grün auf: Geschwindigkeit, Drehzahl, Kilometerstand, Fahrmodus, Ganganzeige. Wechselt man vom Eco- in den Sport-Modus, gruppieren sich die Infos um, und die Anzahl reduziert sich. Dezent an der Seite des Solo-Rundlings hat Brixton einen USB-Port untergebracht fürs Smartphone oder Navi-Gerät.

LED-Beleuchtung inklusive markantem Tagfahrlichtring und bildschön geformtes Aufsatz-Rücklicht sind Serie. Elektronisch hält sich die Cromwell ansonsten eher bedeckt: Traktionskontrolle und das obligatorische ABS – das muss reichen. Und tut es auch. Dafür lässt sie sich richtig etwas aufhalsen: 220 Kilo Zuladung schreibt Brixton in die Papiere, macht 455 Kilogramm zulässiges Gesamtgewicht. Nicht schlecht für ein Classic-Bike. Zum Vergleich: Die Triumph Bonneville T120 kommt auf 210 kg Packlast, eine BMW R Nine T auf 209 kg, ein modernes Adventure-Reisebike wie die Suzuki V-Strom 1050 auf 198 kg.

Das stärkt das Selbstbewusstsein: Der Einstiegspreis beträgt 10.999 Euro in Deutschland (Österreich: 11.999 Euro). Die Bonneville T120 (80 PS) gibt es ab 13.345 Euro. Die Buchmacher dürfte es freuen. (cen/Ralf Bielefeldt)

Foto: Autoren-Union Mobilität/Bernd Ahrens

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