Na, die trauen sich ja was: Die EU beschließt das Verbrenner-Aus – und Mazda bringt einen komplett neuen Sechszylinder-Diesel auf den Markt. Tatsächlich hatten die Japaner schon immer ihren eigenen Kopf und entwickelten Technologien abseits des Mainstreams.
Doch ihr Flaggschiff CX-60 ausgerechnet jetzt mit einem aufgeladenen 3,3 Liter großen Selbstzünder anzubieten, wirkt wie ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Brüssel.
Für Mazda indes ist es nur ein weiterer Baustein ihrer „Multi-Solution-Antriebsstrategie“ und für den leitenden Motorenentwickler Daisuke Shimo „einer der saubersten Diesel der Welt“. Angeboten wird der längs eingebaute Reihensechszylinder in zwei Leistungsstufen mit 200 PS (147 kW) in Verbindung mit Hinterradantrieb und 254 PS (187 kW) in Kombination mit dem Allradsystem. In letzterem Fall weist das Datenblatt 5,2 Liter und 137 g/km CO2 nach WLTP-Norm aus – ein Fabelwert für ein gut zwei Tonnen schweres SUV mit Sechszylindermotor und Automatikgetriebe, bei dem sogar die deutsche Premiumkonkurrenz passen muss. Der kleinere soll nach WLTP-Norm sogar nur 5,0 Liter verblasen, was CO2-Emissionen von nur 128 g/km entsprechen.
Daisuke Shimos Zauberformel dafür lautet DCPCI (Distribution-Controlled Partially Premixed Compression Ignition), eine Verbrennungstechnologie, die durch eine auf die Millisekunde gezielte Mehrfacheinspritzung einen Wirkungsgrad von über 40 Prozent erreicht und damit Verbrauch und Emissionen senken kann. Dazu kommt das geringe Gewicht des Motors, das dem eines Vierzylinders entspricht sowie ein 48-Volt Mildhybrid-System mit 12,4 kW (17 PS) starker E-Maschine, das die sogenannte Segelfunktion im Schiebebetrieb ermöglicht und Bremsenergie zurückgewinnt.
Schon auf den ersten Kilometern überzeugt der Antrieb mit Durchzug und Laufruhe. Zwar ist beim Start zu hören, dass ein Selbstzünder unter der Haube anspringt. Doch hat das 4,75 Meter lange SUV einmal Fahrt aufgenommen, ist vom Motor so gut wie nichts mehr zu hören. Nicht zuletzt auch ein Verdienst der serienmäßigen Achtstufen-Automatik, die wegen des integrierten Elektromotor ohne den dynamikraubenden Hydraulikwandler auskommt und durch ebenso flotte und sanfte sowie effiziente Schaltvorgänge glänzt. Allein beim spontanen Tritt aufs Pedal mogelt sich noch hie und da ein leises Nageln unter die tonangebenden Windgeräusche.
Den Standardsprint absolviert das Allrad-Topmodell in 7,4 Sekunden, die Spitze ist bei 219 km/h erreicht: nicht langsam, aber auch nicht besonders sportlich. Doch dafür ist das knapp zwei Tonnen schwere SUV-Flaggschiff wohl auch nicht gedacht und gemacht. Was nicht heißen soll, dass der CX-60 nicht auch die zügige Kurvenfahrt beherrscht. Das Fahrwerk ist dafür ausreichend straff gestimmt und durch leichtes Abbremsen des hinteren kurveninnen Rades wird die Karosse auch bei hohen Geschwindigkeiten im Zaum gehalten. Trotz seines üppigen Gewichts liegt der Wagen so gut in der Hand und lässt sich auch in schnellen Kurvenpassagen leichtfüßig dirigieren. Noch einen Tick besser fühlt sich das ungeachtet der geringeren Leistung beim Hecktriebler an.
Doch weniger die engagierte Kurvenhatz, das sanfte Dahingleiten auf der Langstrecke scheint die Paradegangart des CX-60. So lassen sich auf den bequem konturierten Sesseln auch die vielen Annehmlichkeiten im aufwändig gedämmten Innenraum besser genießen – zumindest in der von uns gefahrenen Top-Ausführung Takumi, die von japanischer Ästhetik und traditioneller Handwerkskunst geprägt ist und unterschiedliche Materialien wie Ahornholz, Nappaleder und Chromelemente kombiniert. Türverkleidungen und Instrumententafel sind mit Textilien inklusive detailreichen Nähten bezogen, die nach der Kunst des japanischen Bindens gefertigt sind und den Blick auf das darunter liegende Material frei gibt. Im Gesamteindruck ein ansehnlich-elegantes, fast skandinavisch anmutendes Ambiente. Wer lieber sportliches Schwarz bevorzugt, sollte die Ausstattungs-Alternative „Homura“ wählen. Darüber hinaus warten weitere Premium-Features in der Aufpreisliste.
Dazu gehören neben den üblichen Komfort- und Sicherheitsfeatures wie Head-up-Display, Matrix-LED-Licht, Panorama-Glasschiebdach, Bose-Soundsystem sowie die gängigen Assistenzsysteme wie Kollisionswarner und Notbremssysteme vorn und hinten, adaptiver Tempomat mit Stop&Go-Funktion, Rückfahrkamera auch ein 360-Grad-Monitor mit Durchsicht-Funktion wie sie auch Land Rover für seine SUV anbietet. Ein schönes Gimmick ist das so genannte „Driver Personalization System“, das anhand einer Gesichtserkennung und einmaligen Eingabe der Körpergröße automatisch die optimale Sitzposition findet und auch die übrigen Einstellungen (Lenkrad, Spiegel, Head-up Display, Klimaanlage, Sound-System, Assistenzsysteme) den persönlichen Vorlieben anpasst. Serienmäßig lässt sich das Handy kabellos verbinden und deren Funktionen über den Multi-Commander, Sprachsteuerung oder über den zentralen 12,3-Zoll-Infotainment-Farbdisplay bedienen.
Die neuen Sechszylinder-Diesel sollen die Plug-in-Hybrid-Variante ergänzen, die dem CX-60 im vergangenen Jahre in Deutschland einen erfolgreichen Start mit 5410 Verkäufen bescherte. Für den neuen Selbstzünder rechnet der hiesige Mazda-Geschäftsführer Bernhard Kaplan mit 40 Prozent Anteil am Gesamtvolumen, wobei sich Dreiviertel davon seiner Meinung nach wohl für die Allradvariante entscheiden werden. Die kostet in der zweiten Ausstattungsstufe „Exclusive-Line“ mindestens 51.350 Euro. Der Hecktriebler mit 200 PS startet mit der „Prime-Line“-Basisversion schon ab 46.150 Euro. 850 Kunden haben schon jetzt einen verbindlichen Kaufvertrag unterschrieben, berichtet Kaplan. Dass der CX-60 offenbar das Zeug hat, mit der deutschen Konkurrenz in den Ring zu treten, belegt die bisherige Kundenstruktur: „Rund 42 Prozent der CX-60-Käufer sind von anderen Marken zu Mazda gewechselt“, so Kaplan, „allen voran von deutschen Premiummarken wie Mercedes-Benz, BMW und Audi, aber auch von Volkswagen“. (cen/Frank Wald)
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
CX-60 D - Automobiler Mittelfinger
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