Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, spielen neben der Elektrifizierung der Fahrzeuge synthetische Kraftstoffe eine Schlüsselrolle. Mit den so genannten Refuels lässt sich die CO2-Belastung im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen um bis zu 90 Prozent reduzieren.
Wie viel von diesen nachhaltigen Treibstoffen benötigt werden, und wie die grünen Raffinerien der Zukunft beschaffen sein müssen, will ein Forschungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) herausfinden. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit sieben Millionen Euro gefördert. Mit dem Leiter des Projekts, Professor Nicolaus Dahmen, sprach Walther Wuttke.
Auch in Zukunft werden noch viele Fahrzeuge von Verbrennungsmotoren angetrieben. Selbst wenn bis 2030 tatsächlich 15 Millionen Elektroautos in Deutschland fahren sollten, bleiben rund 30 Millionen Verbrenner auf den Straßen. Welche Rollen können Refuels bei der Verringerung der CO2-Belastung spielen?
Nicolaus Dahmen:
Sie können den Umstieg auf erneuerbare Antriebe beschleunigen. Man kann natürlich auf E-Fahrzeuge warten, aber es geht schneller, wenn wir erneuerbare Kraftstoffe einsetzen. Daneben haben wir die Bereiche, wo die Elektrifizierung schwierig ist, also beim Schwerlastverkehr, bei Baumaschinen, der Schifffahrt und dem Flugverkehr. Es gibt aktuell sehr große Anstrengungen in Forschung und Entwicklung, diese alternativen Kraftstoffe herzustellen. Da haben wir in Deutschland einen Vorsprung. Wenn man auf diesem Gebiet die Technologieführerschaft übernehmen will, muss diese Technologie aber auch eingesetzt werden. Wenn wir die nicht selbst nutzen, kann man sie auch nur schwer ins Ausland verkaufen.
Aus welchen Rohstoffen werden die Refuels hergestellt?
Nicolaus Dahmen:
Das sind vor allem nachhaltig erzeugter Wasserstoff, Pyrolyseöl aus Bioreststoffen wie Stroh oder Restholz, Methanol aus erneuerbaren Rohstoffen und Fischer-Tropsch-Öl, das grünem Rohöl entspricht. Diese Produkte können wie Erdöl transportiert und gelagert werden, und die Wertschöpfung findet dann in Deutschland statt.
Wie unterscheiden sich e-Fuels von Refuels?
Nicolaus Dahmen:
E-Fuels sind eine Teilmenge der Refuels. Erneuerbare Kraftstoffe schließen für uns die e-Fuels ein, aber auch fortschrittliche Biokraftstoffe.
Welche Mengen können von den Refuels in Zukunft produziert werden?
Nicolaus Dahmen:
Wir befinden uns aktuell noch im vorindustriellen Stadium. Allerdings wird der Bedarf an flüssigen Treibstoffen in Zukunft deutlich sinken, wenn der Pkw-Bereich elektrifiziert wird. Heute liegt der Bedarf bei 45 Millionen Tonnen, und in 20 Jahren sollten wir deutlich darunter liegen. Die absolute Menge ist nicht die dramatische Frage. Wir gehen davon aus, dass die Rohstoffe importiert werden. Wir importieren dann kein Rohöl mehr, sondern Zwischenprodukte, die bei uns zu Kraftstoffen veredelt werden, und sichern so die Standorte der Raffinerien. Refuels sind aber auch eine Möglichkeit für Länder, die den Verkehr nicht direkt elektrifizieren können, aber dennoch nachhaltig gestalten wollen. Der Bedarf an erneuerbaren Kraftstoffen wird weltweit steigen. Daher ist es auch sinnvoll, in diesem Bereich die Technologieführerschaft zu übernehmen. Die bei uns entwickelte Technologie und die Anlagen können wir dann auch exportieren.
Wann können größere Mengen der Refuels eingesetzt werden?
Nicolaus Dahmen:
Wenn alle Rahmenbedingungen definiert sind, könnten wir in fünf Jahren so weit sein. Die ersten Anlagen werden aber nicht riesig sein. So planen wir aktuell mit der Raffinerie Miro im Karlsruher Rheinhafen. Man baut nicht gleich eine Produktionsstätte für Millionen Tonnen – da wäre das wirtschaftliche Risiko viel zu groß. Wenn heute die entsprechenden Investitionsentscheidungen getroffen werden, könnten wir 2028 mit der Produktion beginnen. Zum Teil benötigen wir neue Anlagen, aber man muss nicht alles neu bauen, und der heute bestehende Raffinerieverbund kann genutzt werden. In unserem Projekt untersuchen wir, wie die Prozesse in die bestehenden Raffinerien integriert werden können.
Können die Refuels neben den schwer zu elektrifizierenden Bereichen auch beim Pkw eine Rolle spielen?
Nicolaus Dahmen:
Im Pkw-Bereich geht es vor allem um die Bestandsflotte, und da suchen wir nach flexiblen Lösungen. Wenn man die vorhandenen Verbrennerfahrzeuge mit Benzin und Diesel versorgen will, obwohl bekannt ist, dass der Bedarf dort bei zunehmender Elektrifizierung zurückgehen wird, dann ist es sinnvoll, nach anderen Einsatzgebieten zu suchen. Dann kann man in den Flugverkehr oder den Dieselmarkt gehen. In diesem Szenario kann man die Bestandsflotte schnell mit erneuerbaren Treibstoffen versorgen, und auf lange Sicht auf neue Bereiche umstellen. Mit unserem Projekt wollen wir zeigen, wie das möglich ist.
Muss die Antriebstechnik der vorhandenen Fahrzeuge verändert werden?
Nicolaus Dahmen:
Die Treibstoffe müssen die aktuellen Nomen erfüllen, und das tun sie. Damit sind keine Umstellungen notwendig. Allerdings müssen die Hersteller ihre Fahrzeuge natürlich für die neuen Treibstoffe freigeben.
Wie hoch sind die Kosten bei der Erzeugung der Refuels im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen?
Nicolaus Dahmen:
Wir rechnen bei den Refuels mit dem Faktor zwei bis drei gegenüber den klassischen Kraftstoffen, so dass wir, Stand heute, bei der Herstellung fortschrittlicher Biokraftstoffe bei einem Preis von 1,50 Euro ohne Steuern liegen. Die e-Fuels sind wegen des höheren Strombedarfs deutlich teurer und liegen bei mindestens 2,50 Euro pro Liter. Refuels lassen sich außerdem auch mit den konventionellen Kraftstoffen mischen und erleichtern so den Umstieg auf diese neuen Stoffe.
Arbeiten Sie mit Automobilherstellern zusammen?
Nicolaus Dahmen:
Im Pkw-Bereich haben wir als Institut in Baden-Württemberg eine enge Anbindung an die Industrie. Neben Automobilherstellern und der Raffinerie in Karlsruhe haben wir auch den Chemieanlagenbau und die chemische Industrie als Partner im Projekt.
Welche andere Einsatzmöglichkeiten gibt es für die Refuels?
Nicolaus Dahmen:
Raffinerien produzieren ja nicht nur Treibstoffe. Sie liefern auch Heizöl und Rohstoffe für die Chemie, die eine besonders hohe Wertschöpfung erzielen. In unserem Projekt untersuchen wir auch, ob die Raffinerien auch in Zukunft die Chemie beliefern können, wenn andere Ausgangsstoffe eingesetzt werden, um eine Abwanderung der Industrie zu verhindern. (cen/ww)
Foto: Autoren-Union Mobilität/KIT
„Refuels wären in fünf Jahren einsetzbar“
... so Nicolaus Dahmen im Interview
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