Ein grüner Rolls-Royce für den Blauen Engel

... kommt unter den Hammer



Großer Bahnhof am Montag, dem 14. April 1930, im Pasadena Station von Los Angeles. Auf dem Bahnsteig wartet Regisseur Josef von Sternberg auf Marlene Dietrich, die in ihrer deutschen Heimat durch den Film „Der blaue Engel“ soeben zum Weltstar aufgestiegen ist.

Jetzt hat sie einen Vertrag mit den Paramount Studios für zwei Hollywood-Streifen unterschrieben, bei denen Sternberg – wie schon im „Blauen Engel“ – ebenfalls die Regie führen wird. Und da sich die damals erst 28-jährige Schauspielerin in Kalifornien auf Anhieb wohl fühlen soll, hat Sternberg gleich zwei Gastgeschenke von Paramount mitgebracht: einen prächtigen Blumenstrauß und einen nicht minder eindrucksvollen Rolls-Royce Phantom 1. Im Sommer soll das Cabriolet bei RM Sotheby’s unter den Hammer kommen.

Der Rolls-Royce mit der Fahrgestellnummer S317KP war von dem französisch-amerikanischen Karosseriebauer Hibbard & Darrin in Paris entworfen und als Cabriolet gebaut worden. Damals beschränkte sich Rolls-Royce – zu jener Zeit verfügte das Unternehmen über Werke in Großbritannien und den USA – auf die Herstellung von Fahrwerk und Mechanik seiner Autos, die Karosserien entstanden auf Kundenwunsch bei darauf spezialisierten Handwerkern.

Das Auto als Filmstar

Unter dem Blech des offenen Autos mit Stoffverdeck der Diva aus Deutschland arbeitete ein 7,7 Liter großer Sechszylindermotor, der 95 PS (70 kW) leistete. Damit war er in der Lage, den 5,50 Meter langen sowie 1,80 Meter breiten Eineinhalbtonner und Nachfolger des legendären Silver Ghost bis auf 145 km/h zu beschleunigen. Bereits im ersten Liebesdrama „Morocco“ („Marokko“) mit Marlene Dietrich und Gary Cooper, das in Deutschland 1931 unter dem Titel „Herzen in Flammen“ in die Kinos kam, tauchte das Auto als tragende Rolle der Hauptdarstellerin in der Wüste von Kalifornien auf.

Nach Abschluss der Dreharbeiten ging der Besitz des Phantom am 30. November 1930 offiziell von Josef von Sternberg und den Paramount Studios an Marlene Dietrich über. Das geht aus Aufzeichnungen von Rolls-Royce hervor. Einige Tage später feierte „Morocco“ in den USA Premiere und brachte der Schauspielerein und Sängerin ihre erste und Zeit ihres Lebens einzige Oscar-Nominierung ein. Sie wurde danach mehrmals mit ihrem luxuriösen Auto für Werbezwecke fotografiert, doch ob sie für den Wagen auch „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ war, wie sie im „Blauen Engel“ gesungen hatte, ist eher zweifelhaft.

Die Tochter erinnert sich

Maria Riva, Dietrichs Tochter, war 1931 im Alter von sechs Jahren zu ihrer Mutter nach Kalifornien gezogen. In ihren 1992 erschienenen Memoiren konnte sie sich „an das große grüne Auto und seine faszinierend geformte Kühlerpartie“ gut erinnern. Andere Kindheitserinnerungen bezogen sich auf Fahrten mit Mutters Wagen zum Luxus-Kaufhaus Bullocks am Wilshire Boulevard oder an den Strand. Doch niemals saß Mama am Steuer, stets der eigens dafür angeheuerte Chauffeur in Livree namens Harry Wright.

Wie aus den Memoiren weiter zu entnehmen ist, tauschte Marlene Dietrich schließlich ihren grünen Rolls-Royce gegen einen Cadillac V-16 Town Car, der mit einem so großen Kofferraum ausgestattet war, dass er genug Platz für das Gepäck anlässlich einer Europatournee bot. Wann das geschah, ist nicht bekannt.

Odyssee durch Sammlerhände

Nach einigen Jahren tauchte der Rolls mit der Fahrgestellnummer S317KP im Besitz eines Autosammlers namens J. R. „Bob“ Creighton auf. 1960 bestand dessen damals 16-jährige Nichte ihre Fahrprüfung am Steuer des Dietrich-Autos. Die junge Frau hatte das Fahren mit dem großen und schweren Auto auf der Ranch ihres Onkels gelernt. Zu dieser Zeit stand der Meilenzähler des Fahrzeugs auf 64.000. Den Wagen erbte Mitte der 1970er-Jahre Bob Creightons Tochter. Ein Familienmitglied begann einen Restaurierungsversuch, eine Initiative, die aber nie über das Zerlegen der Karosserie hinaus ging.

Den Schrotthaufen kaufte 2007 der legendäre Autosammler und Rechtsanwalt John O’Quinn aus Texas, der es im Laufe seines Lebens auf über 800 Exemplare seltener Fahrzeuge im Wert von zusammen weit über 100 Millionen Dollar gebracht hatte. O’Quinn ließ es sich 500.000 Dollar (heute umgerechnet ca. 456.500 Euro) für eine mehrjährige Restauration des Dietrich-Cabrios beim Rolls-Royce-Experten Rick Hamlin im US-Bundesstaat Kansas kosten.

Hamlins Team zerlegte die ursprüngliche Karosserie bis auf die letzte Schraube und kam dabei auf die Spur von Details der Markenzeichen von Hibbard & Darrin sowie von Restbeständen des ursprünglichen mittelgrünen Metallic-Lacks. Zu den Besonderheiten des Fahrzeugs zählten filigrane Türgriffe, die typischen Trapezfenster sowie im Innenraum Verzierungen aus Buchenholz. Hinzukamen der ungewöhnliche Rückspiegel und die sportliche zweiteilige Windschutzscheibe.

Zweimal fiel schon der Hammer

2012 erschien der Wagen bei Bonhams auf einer Versteigerung in Scottsdale, Arizona. Der Erlös: 524 000 Dollar (damals 409.000 Euro). Drei Jahre später, am 12. März 2015, kam der Ex-Dietrich-Rolls-Royce erneut bei Bonhams, diesmal auf Amelia Island in den USA, unter den Hammer. Der Wagen hatte damals bereits auf mehreren „Concours d’Elegance“-Fahrten erfolgreich mitgewirkt wie zum Beispiel 2012 am Pebble Beach bei Monterey in Kalifornien und 2013 auf Amelia Island, einer Insel vor der Küste Floridas. Damals legte ein Sammler für den Wagen 742.500 Dollar (seinerzeit etwa 667.000 Euro) auf den Tisch.

Im Sommer steht dem grünen Rolls-Royce wahrscheinlich ein weiterer Besitzerwechsel bevor, wenn er zwischen dem 17. und dem 19. August erneut versteigert wird, diesmal von RM Sotheby’s. Ob er diesmal die Millionengrenze knacken wird? (cen/hrr)

Foto: Autoren-Union Mobilität/ PictureLux/The Hollywood Archive

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