Monsieur le Président musste schlucken, als er am 7. Oktober 1948 auf dem Pariser Automobilsalon Zeuge einer Weltpremiere wurde. Auf dem Stand von Citroën enthüllten die Verantwortlichen das erste neue Nachkriegsmodell der Marke, dessen Entwicklung bereits in den 1930er-Jahren begonnen hatte.
Der Präsident hatte dabei noch Glück, dass ihm die 1937 fertiggestellte des intern „Toute petite Voiture“ genannte Version erspart blieb. Citroën hatte nach dem Start der Limousine 11 CV, auch Traction Avant genannt, beschlossen, einen einfachen und vor allem preiswerten Kleinwagen für die ländliche Bevölkerung Frankreichs zu entwickeln.
1934 hatte Citroën-Boss Pierre-Jules Boulanger seinem Chefentwickler André Lefèbvre, der später auch für den DS verantwortlich zeichnete, einen vermeintlich einfachen Auftrag erteilt: „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet und dabei nur drei Liter Benzin verbraucht. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Und schließlich muss das neue Auto wesentlich billiger sein als unser Traction Avant. Das Aussehen des Wagens spielt dabei überhaupt keine Rolle.“
Das Endergebnis war 1937 eine viertürige Limousine mit einem Faltdach und einem schwächlichen luftgekühlten Zweizylinder sowie einem Scheinwerfer – damals waren zwei Scheinwerfer noch nicht vorgeschrieben. Immerhin reichte die Leistung von neun PS, um vier Personen samt Gepäck mit maximal 50 km/h durch die französische Provinz zu schaukeln. Die geplante Präsentation auf dem Pariser Automobilsalon im Jahr 1939 musste wegen des Kriegsausbruchs ausfallen, und die bis dahin 250 gebauten Vorserienmodelle wurden bis auf vier Exemplare zerstört. Sie überlebten in einem geheimen Versteck auf dem Testgelände in La Ferté Vidame in Nordfrankreich und wurden nach Kriegsende weiterentwickelt. Das einmal gewählte Design blieb erhalten, allerdings spendierten die Techniker des Hauses dem 2CV einen zweiten Scheinwerfer.
Mit dem Kleinwagen kehrte Citroën zu seinen Wurzeln zurück, denn der Gründer der Marke, André Citroën, war in den 1920er-Jahren nach dem Vorbild von Henry Ford angetreten, die Automobilität einem größeren Kundenkreis zu ermöglichen. Eines der ersten „Volksmodelle“ seines Unternehmens war damals der Trèfle (Kleeblatt), der ziemlich schnell von Opel als „Laubfrosch“ kopiert wurde.
Der 2CV mag ästhetisch eine durchaus fragwürdige Erscheinung gewesen sein, doch am Ende des Salons stand Citroën vor so vielen Bestellungen, dass der Kleinwagen mangels Produktionskapazitäten und fehlenden Rohstoffen zugeteilt werden musste. Die Lieferfristen stiegen anfangs auf sechs Jahre, sodass die Verantwortlichen in Paris Kriterien entwickelten, welche Berufsgruppen zuerst beliefert werden sollten.
In Deutschland lief der 2CV bald unter dem Spitznamen „Ente“ über die Straßen, was angeblich auf einen niederländischen Journalisten zurückgeht, der den Kleinwagen in seinem Blatt als „hässliches Entlein“ bezeichnete. In Frankreich blieb es beim „Deuche“ – eine eher nüchterne Abkürzung für die beiden französischen Steuer-PS, die dem Wagen seinen Namen gaben. Wie kein anderes Modell machte der 2CV die Franzosen in der Nachkriegszeit mobil. Den Menschen reichten damals die vier Türen, das Faltdach und die hervorragende Federung, die bei schnellen Kurvenfahrten eine durchaus beängstigende Seitenneigung entwickelte. Fahrleistungen waren nebensächlich, und erst gegen Ende seiner Laufbahn übersprang der 2CV dank bulliger 28 PS die 100-km/h-Marke. Der Kleinwagen mit den großen inneren Werten markiert den Beginn der Massenmotorisierung in Frankreich und steht in einer Reihe mit dem Volkswagen Käfer oder dem Morris Minor in Großbritannien, wo mit dem Bijou zwischen 1959 und 1964 in der britischen Citroën-Fabrik in Slough ein formschönes zweisitziges Coupé mit Kunststoff-Karosserie auf 2CV-Basis entstand. Insgesamt 211 Modelle wurden gebaut.
Während sich der Käfer im Laufe der Jahre zu einem Weltauto entwickelte, blieb der 2CV eher heimatverbunden. Bis zum Ende seiner Produktion brachte es der kleine Franzose einschließlich der Transporter-Versionen auf etwas mehr als fünf Millionen Exemplare. Zwar schafften einige Modelle sogar den Sprung über den Großen Teich in die USA, und auch in den französischen Kolonien schätzten die Menschen den 2CV, doch die wichtigsten Märkte blieben Frankreich und am Ende Deutschland, wo eine treue Kundschaft ein ums andere Jahr den Fortbestand des Modells mit der zerbrechlichen Karosserie sicherte. Am Ende überlebte der 2CV sogar seinen Nachfolger. Die gefälliger gestaltete Dyane kam 1967 auf den Markt und verschwand 1983 wieder.
Die deutschen Kunden blieben dem 2CV auch noch treu, als sich die Franzosen längst vom „rollenden Regenschirm“ abgewendet hatten und sich für modernere Modelle entschieden. Bis zum Schluss im Jahr 1990 setzte Citroën in Deutschland konstant rund 10.000 Exemplare ab. In seinem letzten Produktionsjahr kostete der 2CV immerhin 9900 Mark, was 7865 Kunden nicht abhielt, sich für das rollende Technik-Fossil zu entscheiden. In den letzten Produktionsjahren verstanden es die Franzosen allerdings auch perfekt, das Modell mit seiner antiken Technik auf dem Markt zu halten. Ein Sondermodell nach dem anderen überzeugte die Kundschaft, die sich allerdings im Laufe der Jahre deutlich verändert hatte.
Aus dem einfachen Fahrzeug für das ländliche Frankreich war in Deutschland inzwischen ein Statement geworden. Eine frankophile, selbst ernannte intellektuelle Elite wollte mit ihrer Wahl ihren Konsumverzicht demonstrieren, und dafür war der einfache 2CV genau das richtige Vehikel. Wie Porsche-Piloten grüßten sich in Deutschland die 2CV-Fahrer. Die eingebauten Defizite wie die Rostanfälligkeit und die nicht gerade niedrigen Werkstattkosten wurden dabei gerne ausgeblendet.In Frankreich verschwand der 2CV schnell von den Straßen und landete auf den Schrottplätzen der Nation. Inzwischen hat der kleine Citroën aber offensichtlich wieder die Herzen der Menschen erobert. Spezialisten bauen den 2CV mit rostsicheren Teilen nach, und spezialisierte Unternehmen bieten Ausritte mit dem Kleinwagen an.
Der 2CV blieb am Ende ohne direkten Nachfolger. Allenfalls das Visa Cabrio kam dem Charme des Klassikers nahe. (cen/ww)
Fotos: Auto-Medienportal.Net/Citroen
Die älteste Ente der Welt
... und ein automobiles Statement der etwas anderen Art
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