Skorpion unter Strom

Geht das gut?



Mit kleinen Tuningmaßnahmen machte Carlo Abarth den kleinen Fiat 500 groß. Und wer weiß, wo Fiat heute stünde, wenn die Marke nicht 2007 ihren Cinquecento mit Retro-Anklängen fürs neue Jahrtausend wiederbelebt hätte? Die Abarth-Tradition durfte da gleich mit auferstehen. Und nachdem Fiat es bereits vorgemacht hat, gesellt sich zu den kleinen Turbos 595 und 695 nun auch der Abarth 500e. Skorpion unter Strom? Geht das gut?


„Fahrspaß war noch nie so elektrisierend“, steht da vollmundig auf der Internetseite von Abarth. Acid Green und Poison Blue, Adrenaline Red und Venom Black sowie Antidote White – die Bezeichnungen der Karosseriefarben lassen zumindest schon einmal aufhorchen. Keine Frage, der in unseren Augen gelbe Testwagen in Acid Green macht optisch mächtig was her.



Auch das Interieur gefällt mit seinen Alcantara-Bezügen, der Alu-Pedalerie mit Skorpion-Symbol und den sportlichen Sitzen mit integrierten Kopfstützen. Aber natürlich geht es hier und dort nicht ohne harten Kunststoff. Etwas ungewohnt, und nicht wirklich ansprechend, kommt hingegen die „Gangschaltung“ daher. Die Einstellungen „P“, „R“, „N“ und „D“ sind auf schnöden Tasten in der Mittelkonsole hinterlegt statt auf einem Dreh-Schalter.

Abarth rüstet die Topversion serienmäßig mit einem Soundgenerator aus, der bereits im Leerlauf ordentlich die Muskeln spielen lässt. Wer dann aufs Fahrpedal tritt, der bekommt einen anschwellenden Klang zu hören – und ist versucht, den Schaltknüppel zum Hochschalten zu suchen. Sicher, Fans lieben die Marke nicht zuletzt auch wegen ihres Sounds, aber das künstlich erzeugte Motorengeräusch hat einen kleinen Schönheitsfehler: Beschleunigung wird zwar akustisch umgesetzt, aber das Grundrauschen des Leerlaufs läuft im Hintergrund weiter.



Nicht umsonst hat Fiat-Konzern Stellantis daher für Journalisten eine Kurzanleitung für den Soundgenerator ins Handschuhfach gelegt. Leider fanden wir die angegebene Einstellung zur – zunächst nur probeweise gedachten – Abschaltung nicht im Menü des Infotainments und waren beinahe am Verzweifeln. Schließlich stellte sich heraus, dass das über das Cockpit-Display erledigt wird. Seitdem herrschte Ruhe im Abarth 500e – und wurde auch beibehalten. Künstliche Verbrennergeräusche hat die kleine Sportskanone wirklich nicht nötig. Schneller Antritt – in sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h – und hohe Fahrstabilität sind alles, was das Auto-Herz begehrt. Wer muss sich das noch künstlich bestätigen lassen (alle eingefleischten Abarth-Fans mögen es uns nachsehen)? Aber das ist eine Geschmacksfrage. Einen Nachteil hat das Abschalten des künstlichen Klangs dann aber doch: Man hört beim Abbiegen den doch recht lauten und vor allem eher hölzern klingenden Blinker.

Auch der Abarth 500e ist das, was die Marke seit nunmehr 60 Jahren verspricht: Fahrspaß mit kleinstem Gerät. Einen Tod muss er dennoch sterben. Mehr als 200 Kilometer am Stück sind bei angemessener Fahrweise leider nicht drin, eher noch etwas weniger, denn eine Batterie quetscht man angesichts der unsicheren Ladeinfrastruktur nur selten bis kurz vor Schluss aus. Auch wir machten wieder die Erfahrung, dass an einer Stelle drei von vier Ladepunkten außer Betrieb waren und wir das Glück hatten als erster dort anzukommen. Ein nachfolgender Audi wartete, ein etwas später noch dazu kommender MG machte unverrichteter Dinge sofort wieder kehrt.



Der E-Abarth-Fahrer hat die Wahl zwischen den drei Fahrprogrammen Turismo mit etwas zurückgenommener Leistung, Scorpion Street und Scorpion Track mit entsprechend angepassten Parametern. In den ersten beiden Stufen beherrscht der 500e das One-Pedal-Fahren und in der Gangart Turismo galoppiert der Abarth noch stramm genug, wobei er recht komfortabel abrollt. Für die beherztere Landstraßenfahrt empfiehlt sich der Street-Modus. Die unmittelbare ansprechende Lenkung bildet stets eine hervorragende Rückmeldung. Der Geschwindigkeitswarner ist da äußerst willkommen, denn der Abarth verleitet immer wieder zum Überschreiten des Tempolimits auf der Landstraße (erst recht, wenn der Soundgenerator schweigt).

Der kleine Sportwagen ist mit den Bridgestone Potenza Sport auf 18 Zoll griffig bereift und lässt sich auch auf feuchter Fahrbahn nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Nicht ganz in das ansonsten stimmige Gesamtbild passen will die extrem synthetisch wirkende Bremse, die so gut wie keinerlei haptische Rückmeldung bietet. Aber zum Glück braucht man sie im Alltag dank der starken Rekuperation ohnehin nicht so oft.



Bei voll geladener Batterie meldete uns der Bordcomputer eine Reichweite von 228 Kilometern. Bei 56 Prozent Restkapazität waren es dann 100, bei 50 Prozent 88 Kilometer. Wir brachten den Akku in einer halben Stunde von 23 auf 80 Prozent seiner Kapazität und in 40 Minuten auf 91 Prozent und 194 Kilometer Reichweite.

Das horizontal arbeitende Powermeter wirkt zunächst etwas schlicht, die einfache Lösung erweist sich aber Ende als die beste. Die Höchstgeschwindigkeit endet bei 155 km/h, das ESP ist abschaltbar. Mit Verbräuchen von 20 bis 21 kWh muss gerechnet werden, was angesichts einer Normangabe von ebenfalls nicht gerade geringen 18,8 Kilowattstunden in Ordnung geht. Wer per nicht adaptivem Tempomat mit etwa 110 km/h über die Autobahn rollt, kommt auch mit weniger aus.

Der Abarth 500e bietet neben einem USB-C- erfreulicherweise auch noch zwei USB-A-Anschlüsse. Die Türen werden übrigens per Knopfdruck elektronisch geöffnet und für das Panoramadach gibt es lediglich ein Sonnenrollo und keine Dachhimmel-Jalousie. Ebenso konsequent hätte Abarth da eigentlich auch gleich noch auf die hinteren Sitze verzichten können. Die Knie bohren sich in die Rückenlehne der Vordersitze und der Kopf stößt unweigerlich ans Dach. Aber ein Familienauto wollte Carlo Abarth eh nie bauen. (cen)

Fotos: Autoren-Union Mobilität/Stellantis

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