Morgengruß von Helmut Harff: Mythos Zugriffszahlen

Wer zählt da eigentlich was?



Die DDR bezeichnete sich gern als Leseland – und das nicht zu unrecht. Das, obwohl es sehr viele Bücher gar nicht gab oder man sie als „Bückware“ nur mit Beziehungen bekam. Ich allein kaufte so 2.000 Bücher in der damaligen Zeit.


Doch wie war das am Ende der DDR? Da landeten Millionen Bücher im Altpapier, denn viele Bücher bekam man vom Staat oder der Gewerkschaft geschenkt. Das begann mit „Weltall Erde Mensch“, das alle zur Jugendweihe bekamen – also Millionen DDR-Bürger. Vieles an „sozialistischen“ Büchern gab es als zumeist ungeliebte Prämie. Andererseits, gab es Bücher, auch aus DDR-Verlagen, die wanderten von Hand zu Hand. Wer wollte da sagen, was da wie oft und wenn ja überhaupt gelesen wurde?

Als ich dann als Jung-Bundesbürger lokale Zeitungen verlegte, war es vor allem für Anzeigen interessant, wie hoch die Auflage, aber auch wie häufig die Zeitung gelesen wurde. Um so mehr Reichweite, um so teurer die Anzeige. Diese Zahlen konnte man für relativ viel Geld ermitteln lassen. Doch ging das? Meine Zeitungen wurden nicht verkauft, landeten umsonst im Briefkasten. Wer konnte da sagen, wie viele Leser es wirklich gab. Viel besser war es übrigens, wenn die Zeitungen zum Beispiel in Arztpraxen auslagen. Das ist bis heute so, wie ich bei meinem Arzt beobachtete. Innerhalb einer Stunde nahmen sechs Leute die lokale Zeitung in die Hand. Doch was sagt das, außer, dass sie mal in die Zeitung blickten – mal drei, mal zehn Minuten.

Und heute, da haben Menschen in den Onlinemedien Millionen Follower. Doch haben sie auch Millionen Leser oder „nur“ Millionen Menschen, die sich bei ihnen angemeldet haben? Doch was lesen diese Follower wirklich? Ich bin mir sicher, dass man das sehr genau messen kann, doch will das jemand? Was bleibt dann noch von den tollen Zahlen?

Und dann bleibt da noch die Frage, wie viele Menschen Portale wie die von Sportvereinen oder auch von genussmaenner.de nur mal anklicken? Will der Leser nur mal sehen, welche Notapotheke gerade geöffnet hat oder eine Telefonnummer suchen, oder ließt er auf seinem Lieblingsportal zehn Artikel?

Unklar ist auch, welche Kriterien die Zähler eigentlich zugrunde legen. Wird jedesmal gezählt, wenn jemand ein Buch, eine Zeitung in die Hand genommen wird? Wird jedesmal gezählt, wenn jemand auf einer Internetseite eine andere Rubrik, einen anderen Artikel, einen anderen Hinweis anklickt oder erfolgt das nur alle fünf oder 15 Minuten?

Für mich bleiben all diese Zahlen, so sie nicht reine Verkaufszahlen, sind ein absoluter Mythos. Und was ist, wenn zum Beispiel ein Verlag eigene Bücher aufkauft oder einer Leute dafür bezahlt, seine Follower- oder Klickzahlen nach oben zu treiben?

Eine Zahl ist leicht zu überprüfen: An meinem Frühstücktisch sitzen nur zwei Personen - die Beste Frau der Welt und ich.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben:  Erich, Erika, Johannes I., Felix

Foto: Pixabay

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