Evolution des Rechtsmarkts

Sammelklagen verhelfen auch Schwachen zu ihrem Recht



Der Rechtsmarkt ist im Begriff, sich grundlegend zu verändern. Unter anderem führt etwa die Evolution von Massenklagen dazu, dass auf der einen Seite Mandanten von schnelleren und kostengünstigeren Verfahren profitieren können. Auf der anderen Seite müssen sich traditionelle Kanzleien an die neuen Gegebenheiten anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – konsequenterweise auch diejenigen auf der Beklagtenseite.


Es vollzieht sich eine Transformation des Rechtsmarkts, bei der sich Anwaltskanzleien zunehmend spezialisieren – mit Unterstützung von IT-Anbietern, die die notwendige Technologie zur Verfügung stellen. So beschreibt der Münchner Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala aktuelle Veränderungen im Rechtsbereich.

Nun gehören Marktveränderungen grundsätzlich zum „ganz normalen“ Wirtschaftsleben. Sie sind insbesondere technologischen Innovationen, modifizierten rechtlichen Rahmenbedingungen, sich wandelnden Kundenpräferenzen oder veränderten Wettbewerbskonstellationen geschuldet. Als ein typisches Beispiel für Marktveränderungen kann der plötzliche Boom in der Fahrradbranche während der Corona-Pandemie gelten. Gegenwärtig verursacht die Digitalisierung sogenannte disruptive, also tiefgreifende Veränderungen, die die bewährten Geschäftsmodelle ganzer Branchen auf den Prüfstand bringen, gleichzeitig aber auch neue kreieren. Letztlich bergen Marktveränderungen in der Regel Chancen und Risiken zugleich, bringen Gewinner und Verlierer hervor.

Ähnliches vollzieht sich derzeit im Rechtsmarkt, wie Beobachter berichten. Die Rechtsbranche werde zunehmend von technologischen Entwicklungen beeinflusst, konstatiert auch Rechtsanwalt Dr. Fiala. Er sieht eine „bemerkenswerte Entwicklung“ in der Welt des Rechts sich vollziehen: Massenklagen können zunehmend „industriell“ bearbeitet werden – mithilfe von anwenderorientierter Technologie. Diese ermögliche eine effizientere und standardisierte Abwicklung auch kleinerer Streitwerte, macht der Jurist deutlich.

KI ermöglicht effiziente Bearbeitung von Big Data

Ein Instrument, dessen Juristen sich immer öfter bedienen, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Denn sie ermöglicht nicht zuletzt die effiziente Bearbeitung sowie Strukturierung großer Datenmengen und erleichtert das für Juristen unvermeidliche Recherchieren. Dementsprechend schätzen Experten denn auch das Potenzial von KI, den Rechtsmarkt zu revolutionieren, schlicht als riesig ein. Das gilt nicht allein für ChatGPT und andere sogenannte Large Language-Sprachmodelle, die vielfältige Möglichkeiten zur Automatisierung von Routinevorgängen bieten. So tragen sie zur Bewältigung eines größeren Arbeitspensums in kürzerer Zeit bei. Darüber hinaus lernen Juristen, auch immer mehr die Chancen von juristischen KI-Anwendungen zu würdigen, wenn es um die Verarbeitung erheblicher Datenmengen, aber auch die Analyse komplexer Rechtsfragen geht.

Da verwundert es nicht, dass der Markt für sogenannte Legal Tech immer weiter wächst. Experten prognostizieren, dass der globale Legal Tech-Markt aufgrund von generativer KI (GenAI) bis 2027 die Marke von 50 Milliarden US-Dollar erreichen soll („Predicts 2024: The Transformative Impact of Generative AI on Legal Technologies“). Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurde der Markt für Legal Tech noch auf einen Wert von 15,9 Milliarden US-Dollar taxiert. Das fulminante Wachstum dieses globalen Marktes begründen Fachleute mit der Entwicklung von GenAI und sagen voraus, dass sie das Wachstum noch weiter beschleunigen wird.

Dieser technologische Fortschritt ermöglicht auch Massenklagen oder Sammelklagen, ein juristisches Instrument, das Verbrauchern, die sich keine juristischen Auseinandersetzungen mit großen Unternehmen oder gar mächtigen Konzernen leisten können, zu ihrem Recht verhelfen soll – und kann!

Gemeinsam Recht für vergleichsweise Schwächere erstreiten


Menschen, die mit Unternehmen streiten, sind oft überfordert, stellt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fest. Denn Unternehmen sind in der Regel besser organisiert, mächtiger als der einzelne Betroffene. Da kommt die Sammelklage gerade recht: Denn hinter Streitigkeiten mit Unternehmen steckt häufig mehr als ein Einzelfall, so der vzbv. Etwa, wenn Banken die Sparzinsen ihrer Kunden falsch berechnen, Energieanbieter massenhaft unzulässige Preiserhöhungen verschicken oder Autohersteller Fahrzeuge verkaufen, die mehr Schadstoffe ausstoßen als sie dürfen. Alles Fälle, in denen Sammelklagen den betroffenen einzelnen Kunden bereits Entschädigungen verschaffen konnten.

Diesen Fällen ist eins gemeinsam: Es sind viele Verbraucher betroffen. Sie werden zusammen von einem Verband oder von Rechtsdienstleistern, sprich Anwälten bzw. Kanzleien, vertreten, die bei sogenannten Massenschäden eine Abhilfeklage oder eine Musterfeststellungsklage für ihre vielen einzelnen Mandanten führen. Am Ende einer solchen juristischen Auseinandersetzung stehen im besten Fall direkte Zahlungen an die Verbraucher, ohne dass diese selbst noch einmal vor Gericht ziehen müssen, erläutert der Verbraucherverband. So können auch Einzelne zu ihrem Recht kommen, ohne selbst ein Prozessrisiko eingehen zu müssen. Nicht zuletzt dank technologischer Hilfe.

Die Technikunterstützte, quasi industrielle Bearbeitung von Massenklagen, sei ein Phänomen, das sich in den vergangenen Jahren entwickelt habe und nun eine starke Beschleunigung erfahre, erklärt Jurist Dr. Fiala. Anwälte, die sich auf Massenklagen spezialisieren, nutzten fortschrittliche Software und Algorithmen, um eine Vielzahl von Fällen schnell und effizient zu bearbeiten. So können diese Kanzleien auch vielen wenig finanzkräftigen Mandanten, die sich auf einen juristischen Schlagabtausch mit überlegenen Unternehmen nicht einlassen können bzw. sollten, dennoch zu ihrem Recht verhelfen.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

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