Morgengruß von Helmut Harff: Stille?

Wo gibt es die (noch)



Wenn man mich fragt, ob ich Stille mag, so kommt ein promptes Nein. Das Nein wird noch energischer, wenn man mich fragt, ob ich die Stille suche. Ich brauche eigentlich immer Geräusche um mich, bei mir läuft immer das Radio.


Wenn man mich fragt, ob mir Stille Angst macht, dann zögere ich schon etwas. Angst? Nein, Stille macht mir keine Angst, doch ich will hören. Ich will Geräusche um mich rum. Die müssen nicht aus dem Radio kommen. Ich mag das Rauschen des Windes, der gern heftig wehen kann, ich mag das Rauschen des Meeres. Das werde ich demnächst wieder an der Ostsee hören. Ich mag das Schnattern der Gänse auf der anderen Seite des Golfplatzes. Früher mochte ich auch das Rattern der Züge, hervorgerufen durch die noch nicht verschweißten Schienenstöße und ich mag all die Geräusche im Konzert oder im Theater.

Mag ich wirklich keine Stille? Beim Thema Konzert oder Theater kommen mir da schon Zweifel. Ja, ich mag die Stille, wenn der letzte Ton verklungen ist und der Applaus noch nicht aufbrandet. Wenn das mehr als eine Sekunde dauert, dann baut sich bei mir schon eine fast schmerzhafte Spannung auf. Ich mag auch die Stille, die bei einem klassischen Konzert zwischen den einzelnen Sätzen von Musikstücken herrscht. Ich könnte jeden ohrfeigen, der nach einem Satz klatscht, denn der nimmt mir meine Stille.

Stille, die gibt es auch in den Bergen – beim Blick in die Ferne, beim Blick ins Tal. Da höre ich nicht einmal das Säuseln des Windes, die Vögel oder das Glockengeläut der Kirchen im Tal. Stille, das ist auch etwas was ich mag, was ich sogar suche, wenn ich eine Kirche besuche. Ja ein Kirchenkonzert ist toll, doch einfach so in einer kleinen Dorfkirche oder in einem Dom zu sitzen und nichts zu hören – das liebe ich. Ich möchte wahnsinnig gern mal ganz allein im Petersdom im Vatikan sitzen und die göttliche Stille hören. Das muss umwerfend sein.

Still ist es auch auf einem Friedhof. Die besuche ich zwar nicht hauptsächlich wegen der Ruhe, die dort herrscht. Die Ruhe lässt aber meine Phantasie blühen, wenn ich mir vorstelle, wer das mal war, auf dessen Grabstein ich gerade blicke. Der stört meine stille Betrachtung Gott sei Dank nicht.

Wenn ist jetzt gefragt würde, ob ich Stille mag, so würde ich zögern. Wenn man mich allerdings fragt, ob ich mein Frühstück mit der Besten Frau der Welt mag, würde ich ganz laut ja rufen.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Sonntagsfrühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Dolores, Melitta, Melissa

Foto: Pixabay

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