Versicherte müssen zusätzliche Preisrunde der Krankenkassen nicht tatenlos hinnehmen

... meint Finanztip



Im Energiebereich hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass sich durch einen Wechsel des Gas- oder Stromanbieters Geld sparen lässt. Auch die Kunden von Kfz-Versicherungen nutzen häufig ihre Kündigungsmöglichkeit, die in der Regel bis zum Stichtag 30. November wahrgenommen werden muss, um sich einen günstigeren Vertrag zu sichern.

Nach einer Beitragserhöhung durch den Versicherer können Kunden zudem innerhalb eines Monats kündigen. Vielen Krankenkassenmitgliedern stellt sich aktuell eine entsprechende Frage, denn fast jede vierte Krankenkasse erhöhte in diesem Jahr schon vorzeitig den Zusatzbeitrag, wie das unabhängige Verbraucherportal Finanztip ermittelte.

Normalerweise ändern die Krankenkassen ihre Beiträge jährlich höchstens einmal – zu Beginn eines neuen Jahres. Anfang 2024 taten dies bereits 37 der 73 frei zugänglichen Kassen. Unter den 22 Kassen, die nun unüblicherweise im laufenden Jahr die Beiträge erneut hochsetzten, sind laut Finanztip 17, bei denen dies zum Jahreswechsel bereits erfolgte – und jetzt wiederum. 2024 erhöhten seit April bislang 22 von 95 Krankenkassen ihre Beiträge noch einmal unterjährig, wie Finanztip berichtet. Das ist fast jede vierte (Stand 20.09.). Zum Vergleich: 2023 hob nur eine Krankenkasse im Jahresverlauf ihre Beiträge noch einmal an, 2022 waren es drei. Von der ungewöhnlichen weiteren Preisrunde in diesem Jahr sollen rund 7,6 Millionen Krankenkassenmitglieder betroffen sein.

Die außerplanmäßigen Beitragserhöhungen sind demnach einem milliardenschweren Defizit bei der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldet. Viele der im Spitzenverband GKV zusammengeschlossenen gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland hätten die Kosten etwa für Medikamente und Krankenhausbehandlungen unterschätzt, stellen die Experten von Finanztip fest. Kurz: Die Kassen verkalkulierten sich bei ihren Ausgaben. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) veranschlagt dieses Minus allein im ersten Halbjahr 2024 auf rund 2,2 Milliarden Euro. Laut BMG betrugen die Finanzreserven der Krankenkassen zum Ende des 1. Halbjahres rund 6,2 Milliarden Euro. Dies entspreche 0,23 Monatsausgaben, erläutert das Ministerium. Die gesetzlich vorgesehene Mindestreserve beträgt 0,2 Monatsausgaben.

Konkret standen den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 159,1 Milliarden Euro Ausgaben in Höhe von 161,3 Milliarden Euro gegenüber, so das BMG. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,4 Prozent demnach einen Zuwachs von 7,3 Prozent.

Kein Wunder also, dass die Kassen Geld brauchen. Solche Fehlkalkulationen seien in der Vergangenheit bereits ein paarmal vorgekommen, stellen die Verbraucherberater von Finanztip fest. Doch die daraus resultierenden Defizite wurden bislang durch die Reserven der Krankenkassen abgefedert. Die sind aber inzwischen spürbar geschrumpft. Und deshalb werden nun die Krankenversicherten „zur Kasse gebeten“. Um das Minus auszugleichen, setzen viele Kassen ihren Zusatzbeitrag jetzt sogar während des laufenden Jahres nochmal hoch: Diese Forderung stieg im Schnitt seit Jahresbeginn von 1,70 auf nun 1,78 Prozent. Laut Finanztip liegt die Spanne der Zusatzbeiträge derzeit zwischen 0,90 und 3,28 Prozent des jeweiligen beitragspflichtigen Einkommens.

Damit jedoch nicht genug: Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), der mit rund elf Millionen Versicherten größten in Deutschland, warnte jüngst im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ vor Beitragssatzsteigerungen in der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr auf breiter Front. Demnach sollen sich die Beitragssätze bis zum Ende des Jahrzehnts sogar ungebremst auf 20 Prozent zubewegen – sofern die Politik immer weitere Gesetze mache, die zu steigenden Ausgaben führten, mahnte Baas. Zur besseren Einordnung: Der allgemeine Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt derzeit bei 14,6 Prozent der Einkünfte – zuzüglich des Zusatzbeitrags, der je nach Kasse unterschiedlich ausfällt und im Schnitt bei 1,7 Prozent liegt. Summa summarum ergibt sich so ein aktueller Krankenkassenbeitrag von im Mittel 16,3 Prozent.

Der allgemeine und der ermäßigte Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung wird vom Gesetzgeber jeweils jährlich festgelegt. Darüber hinaus kann jede Krankenkasse individuell einen Zusatzbeitrag erheben. Wird dieser angehoben, steht es Versicherten frei, ganz einfach zu einer günstigeren Kasse zu wechseln. Denn bei Beitragserhöhungen genießt der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Damit kann man innerhalb von zwei Monaten von dem bisherigen Versicherer zu einem neuen wechseln. Wichtig dabei ist allerdings, dass die vorgeschriebenen Fristen eingehalten werden. So hat die Kündigung spätestens in dem Monat, in dem der höhere Beitrag erstmals berechnet wurde, bei der aktuellen Krankenkasse einzugehen.

Man stellt einfach online den Mitgliedsantrag, den Rest erledigt die neue Kasse – und kündigt auch die alte Krankenversicherung, erläutert Finanztip. Eine sogenannte Versicherungslücke muss also niemand fürchten. Allerdings empfehlen die Verbraucherberater ebenfalls, bei der Auswahl eines neuen Krankenversicherers die jeweiligen Leistungen der Gesellschaften genau zu vergleichen. Damit man am Ende nicht doch wieder „draufzahlt“.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

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