Carrera Hybrid

... die Revolution der Modellrennbahn?



Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, das ist nicht die Revolution des Slotracings, weil es hier keine Schlitze (engl. = Slot) gibt. Es ist auch keine Weiterentwicklung von Drift, wenngleich hier ebenfalls Sturmkind dahintersteckt. Und es ist noch nicht einmal wirklich neu, denn es gibt zum Beispiel schon seit rund zehn Jahren Real FX.
 

Dass Carrera Hybrid so viel Aufmerksamkeit bekommt, hängt sicher zunächst einmal damit zusammen, dass es sich um ein neues Systems des Weltmarktführers bei der Modellrennbahn handelt. Gleichwohl gibt es aber auch einige bislang nicht bekannte neue Möglichkeiten.

Carrera Hybrid beginnt zunächst mit Grundpackungen, denen jeweils zwei Porsche 911 GT3 in unterschiedlichen Farben beigelegt sind. Die Fahrzeuge sind im Maßstab 1:50 ausgeführt und zeichnen sich durch ausreichende Detailtreue aus. Die flachen Fahrbahnstücke sind 24 Zentimeter breit und erlauben verschiedene Streckenlayouts.

Beim Auspacken fällt sofort auf, dass keine Controller vorhanden sind. Gesteuert wird das Hybridsystem nämlich über eine App. Das eröffnet viele Möglichkeiten der Renngestaltung vom Fahrzeugtuning über Trainingsaufgaben bis hin zum simulierten Reifenverschleiß und ähnlichem. Das Herunterladen und die Verknüpfung mit dem Fahrzeug geht einfach. Und die wichtigsten  Einstellungen zu Beginn erschließen sich nahezu von selbst. Dazu gehört beispielsweise auch die Einstellung des gewünschten maximalen Lenkeinschlagwinkels, die in drei Stufen einstellbare Stärke der Fahrassistenz, und ob man „realistisch“ oder „schnell“ unterwegs ist (Slotracer kennen das: Fährt das Auto mit maßstabsgerechter Geschwindigkeit oder fegt es exorbitant rasant über die Bahn?). Zudem können neben den von Carrera vorgeschlagenen Grundlayouts auch die eigenen gebauten Strecken in der App abgespeichert werden.

Alles in allem ist Carrera Hybrid relativ rasch startklar. Der Aufbau und die grundsätzliche Inbetriebnahme sind unkompliziert. Das gilt erstaunlicherweise auch für die ersten Fahrversuche. Dank KI verlässt das Auto nicht gleich bei jedem Fahrfehler die Bahn, so dass etwas ungeschickt agierende Anfänger nicht gleich die Lust am Rennen verlieren. Und wenn der Porsche doch einmal neben der Strecke landet, findet er in der Regel auch wieder rasch zurück auf die Piste.  

Zwar können die kleinen Sportrennwagen auch rückwärts fahren, aber vorwärts geht es mit KI-Unterstützung ausschließlich im Uhrzeigersinn. Daher gibt es, anders als beim Slotracing, auch getrennte Links- und Rechtskurven. Wer auf die technische Hilfe verzichtet, kann auch anders herum fahren, denn die kleinen Carrera-Autos lassen sich wie ganz gewöhnliche RC-Cars bewegen und benötigen noch nicht einmal die Fahrbahn.

Die KI lenkt mit




Unser Eindruck: Je schneller das Fahrzeug fährt, desto stärker greift die KI ein und führt den Wagen dann über einen weitgehend vorgezeichneten Weg. Das eröffnet andererseits die Möglichkeit, das Auto alleine lenken zu lassen und nur Gas und Bremse zu betätigen. Da verwundert es allerdings, dass das System im Einzelspieler-Modus kein selbstfahrendes Trainingsfahrzeug als Gegner bietet.

Die Fahrzeugsteuerung per Smartphone, durch dessen entsprechende Bewegung der Wagen auch gelenkt wird, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Der Bildschirm selbst bietet die Grundfahrfunktionen Gas geben und Abbremsen mit rechtem und linken Daumen. Zudem gibt es eine Gang- und Geschwindigkeitsanzeige sowie Motorensound. Aktivierbar sind außerdem eine Launch Control und ein Boost. Zudem lassen sich Parameter wie starke oder schwache Bremsunterstützung wählen. Die App dient nicht nur zur Fahrzeugeinstellung und Optimierung, sondern ist auch Rundenzähler und erfasst die Daten (bisherge Bestzeit, zurückgelegte Strecke usw.). Im Modus „Realistisch“, also maßstabsgerecht, erreichten wir auf der eigenkonstruierten Strecke mit der drei Bahnstücke langen Geraden Topspeeds von um die 165 km/h im vierten Gang.  

Bis zu 30 Fahrer



Interessant wird das System aber natürlich erst im Mehrspieler-Modus. Bis zu 30 Fahrer (!) sollen sich gleichzeitig auf der Strecke tummeln können, wobei die Breite der Bahn theoretisch drei Autos nebeneinander zulässt. Carrera Hybrid kann alternativ übrigens auch über gängige Playstation- oder Switch-Controller gesteuert werden. Etliche Nutzer finden das besser als mit dem Smartphone.

Das System hat weniger mit der klassischen Modellrennbahn etwas zu tun als vielmehr mit RC-Autos, die hier auf Spielkonsolenfeatures treffen. So können sich im Remote-Modus auch Spieler an verschiedenen Orten der Welt digital miteinander ein Rennen liefern. Es gibt verschiedene Stufen vom Rookie über den Professional bis hin zur Motorsportlegende.

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es sicher bald auch noch andere Fahrzeugmodelle als den Porsche geben und die App im Laufe der Zeit noch weitere Funktionen erhalten wird. Denn es verwundert doch schon, dass sich nur der Reifenverschleiß vorgeben lässt, Optionen wie leerer Tank oder nasse Fahrbahn hingegen fehlen.

Unterm Strich bleiben zwei Dinge positiv festzuhalten: Der Maßstab der Autos und die Größe der Schienen eignen  sich auch für kleinere Räume. Ein Starterset kostet faire 149,99 Euro und findet sich teilweise auch 20 Euro günstiger. Ein Fahrzeug schlägt mit 49,99 Euro zu Buche, was angesichts der Modellgröße zunächst etwas viel wirkt, aber mit Blick auf die Technik ebenfalls in Ordnung geht. Für den gleichen Preis werden dann auch zwei Erweiterungssets mit acht bzw. zehn Bahnstücken angeboten.

Die Streckenteile ziehen übrigens gerne Staub. Nicht umsonst hat Carrera den Fahrzeugen daher auch einen Reifenreiniger beigefügt.Unser Fazit: Carrera Hybrid ist interessant, holt Digital Nerds in die physische Welt zurück und bietet viel Spaß zu einem fairen Preis. Eingefleischten Slotracer dürfte das System einmal eine willkommene Abwechslung sein – aber nicht aus der gewohnten Bahn werfen. (aum)

Fotos: Autoren-Union Mobilität

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