Nobel, nobler, Rolls-Royce

Purer Luxus auf vier Rädern



Rolls-Royce: Kaum eine Automobilmarke ist so exklusiv, so extravagant, so geheimnisvoll wie die Manufaktur aus Goodwood, rund 100 Kilometer südwestlich von London gelegen. Auch die aktuellen Modellnamen Phantom, Ghost, Cullinan und Spectre können exzentrischer nicht sein.



Jahrzehntelang wurden sogar erfolgreich die Pferdestärken von früheren Modellen wie Silver Shadow, Corniche, Camargue & Co. verheimlicht, lediglich ein „die Motorleistung ist stets ausreichend“ war die nichtssagende Antwort.



Äußerst exklusiv ist auch die Anzahl der Händler zwischen Flensburg und Garmisch. In Deutschland gibt es gerade einmal vier Verkaufsstellen und wenn man über Städte mit erhöhter Anzahl von Millionären nachdenkt, also Urbanisationen mit potentiellen Kunden dieser britischen Luxus-Automobile, kommen einem unvermeidlich Hamburg und Düsseldorf in den Sinn. Überraschung: In beiden Städten gibt es keine Rolls-Royce-Händler. Die Hanseaten dürfen sich zum Erwerb auf den Weg nach Berlin machen, Düsseldorfer müssen schweren Herzens nach Köln. Dazu kommen noch zwei weitere Showrooms in München und Radebeul bei Dresden.



Das neueste Modell ist der Ghost Series II mit einem Basispreis von 327.845 Euro. Die Langversion ist ab 364.735 Euro zu haben, und die besonders sportliche Variante Black Badge mit zahlreichen schwarzen Elementen kostet ab 389.725 Euro. Mit seinen unzähligen Lackschichten wird dieses Schwarz zum schwärzesten Schwarz, dass es heute zu erwerben gibt.



Wie alle anderen Rolls-Royce auch wird der Ghost II in Goodwood per Hand gefertigt – mehrere hundert Arbeitsstunden werden benötigt. Imposante 5,55 Meter ist die Limousine lang, als LWB-Version mit langem Radstand werden nochmals 22 Zentimeter mehr geboten. Dieser Zuwachs kommt den Passagieren im Fond und ihrer Beinfreiheit zugute. Dabei ist der Ghost II, zumindest in der Normalvariante, ja eher etwas für Selbstfahrer.



Mit zwölf Zylindern, zwei Turboladern, 571 PS, 850 Newtonmetern maximalem Drehmoment und permanentem Allradantrieb wird das Volant kurzerhand zur Chefsache erklärt, und der Chauffeur kann sich aufs Hochglanzpolieren der Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“ konzentrieren. „Emily“ sagen, warum auch immer, nur die Deutschen zu der wohl schönsten Kühlerfigur der Welt. Die Legende besagt, dass die britische High-Society-Lady Eleanor Velasco Thornton dem Bildhauer Charles Sykes Modell gestanden haben soll. Übrigens: Als Diebstahlschutz der bei bösen Menschen und Souvenirjägern äußerst beliebten „Spirit of Ecstasy“ verschwindet diese blitzschnell im Inneren des monumentalen Kühlergrills, sobald das Fahrzeug abgestellt oder an ihr unsanft gerüttelt wird.



Wir starten unsere gediegene Ausfahrt mit dem Ghost, der übrigens das bislang meistverkaufte Modell der Marke ist. Schon beim Einsteigen in den Luxustempel erfreuen wir uns an einem komfortablen Detail: An den schweren Türen. Die hinteren öffnen sich auch hier, wie beim großen Bruder Phantom, gegenläufig, sie werden per Knopfdruck elektrisch geöffnet und auch wieder verschlossen. Geradezu romantisch wirken die über 1300 kleinen LED-Lämpchen, die als Sternenhimmel über unseren Köpfen funkeln, ab und zu entdeckt man auch eine vorbeischießende Sternschnuppe. Bei einem Rundgang durch die Fertigungshallen in Goodwood konnten wir uns persönlich von der 100-prozentigen Handarbeit überzeugen, auch bei diesen filigranen Ausstattungselementen.



Zum Starten des gewaltigen Triebwerks wird links vom Lenkrad der Start-Stopp-Knopf gedrückt. Zur Gangwahl dient ein filigraner Hebel rechts hinter dem Volant. Pures Understatement ist der hier integrierte Low-Button, der den Sportmodus aktiviert. Hierbei wird nicht nur das Ansprechverhalten, sondern auch der Sound der doppelflutigen Auspuffanlage geschärft.

Sanftes, nahezu lautloses Gleiten ist die ganz große Stärke des Ghost II, aber der Gasfuß bestimmt das Vorgehen und so kann man auch, ganz unvornehm, mit komplett heruntergedrücktem Gaspedal den Standard-Sprint von 0 auf 100 km/h in sportwagenmäßigen 4,8 Sekunden erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 250 km/h elektronisch begrenzt. Erstaunlicherweise wirkt die 2,5-Tonnen schwere Limousine bei den zahlreichen Kurven der Provence, rund um das malerische Château La Coste, 20 Fahrminuten vor Aix-en-Provence gelegen, durchaus leichtfüßig, auch im engen Kreisverkehr zieht er sicher seine Bahn.



Unser Testwagen kostet rund 436.000 Euro, wurde ganz offensichtlich üppig hochgerüstet. Ein Highlight für Freunde analoger Uhren ist der im Armaturenbrett skulptural aufgebaute Zeitmesser oberhalb einer kleinen Emily (in Deutschland dürfen wir das sagen). Eine eue Außenfarbe, Mustique Blue Metallic, mit hauchzarten Glas- und Glimmerstückchen angereichert, ist benannt nach einer karibischen Privatinsel. Dieses Blau wirkt besonders edel, und das herrlich weiche Leder der Sitze verwöhnt auch die Fingerspitzen, passt dazu noch perfekt zur glänzenden Außenhaut.

Ein einmaliger Hochgenuss ist es, Schuhe und Strümpfe auszuziehen und mit den nackten Füßen über die wahnsinnig flauschigen und hochflorigen Fußmatten aus feinster Lammwolle zu gleiten. Nicht nur Freunde von Baby-Schafen, sondern auch Eichhörnchen-Fans müssen jetzt stark sein und ihr Kopfkino besser nicht einschalten, denn in der Rolls-Royce-Manufaktur gibt es Mr. Mark Court. Sein äußerst spezieller Beruf ist der des Coachline-Painter: Ein hochqualifizierter Pinsel-Künstler, der per Hand meterlange und kerzengerade Linien von den vorderen Kotflügeln, dann oberhalb der Türgriffe bis nach hinten zieht. Mit seiner Hand führt er einen Pinsel aus Eichhörnchenborsten. Perfektion in jedem Detail. (aum)

Fotos: Rolls-Royce via Autoren-Union Mobilität

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