Gestern waren die Beste Frau der Welt und ich in einer brandenburgischen Großstadt unterwegs. Die Stadt wird geprägt durch die riesigen Backstein-Kirchen. Da fällt eine Kirche in den Ausmaßen einer Dorfkirche kaum auf, zumal wenn sie ständig geschlossen ist. Nicht so gestern, da stand die Tür weit auf und wir blicken hinein.
Was ich sah, verblüffte mich sehr, denn wir blickten nicht in eine christliche Kirche, sondern in eine Synagoge. Eine Synagoge hier, wo ich noch nie etwas von Juden gehört habe? Eine Synagoge ohne Poller davor, ohne ein Polizeiauto an der Seite und Gesetzeshüter mit Maschinenpistolen? Und das in einer Stadt, von der man hört, wenn über Aktivitäten von Rechten zu berichten ist, die als Hochburg der AfD gilt, in der man Ausländer so weit im Osten der Republik nicht mag?
Da stimmt was nicht, und so nahmen wir die freundliche Einladung eines Mannes an, der uns zum Besuch des jüdischen Gotteshauses, des Zuhauses einer liberalen Gemeinde einlud. Wir erfuhren, dass die Kirche einst eine der zugewanderten, der aus ihrer Heimat geflüchteten Hugenotten war, sich dann hier die evangelischen Christen zum Gottesdienst trafen, bevor die Kirche als solche aufgegeben und zweckentfremdet wurde.
Seit zehn Jahren ist sie jetzt der Ort, in dem sich die Juden der Stadt treffen. Also eigentlich besteht die Gemeinde – sie zählt rund 400 Mitglieder – ausschließlich aus russischen und ukrainischen Juden und man spricht wohl nur russisch. Juden, die muttersprachliche Deutsche sind, gibt es hier nämlich schon lange nicht mehr.
Angesprochen auf die Abwesenheit von sichernder Polizei, schmunzelte unser Begleiter. Das werde er immer wieder gefragt, doch in dieser Stadt ist alles friedlich. Na, vielleicht schrecken die jungen Männer am Eingang auch etwas ab. Wären die nicht in Zivil, könnte man die auch für kampferfahrene Männer halten, wie wir sie von Fotos aus Russland oder der Ukraine kennen.
Da steht also in einer immer wieder geschmähten Stadt im Osten ein kleines Gotteshaus, dass vor allem für eines steht – für Zuwanderung. Da kamen vor Jahrhunderten die Hugenotten, später viele auf der Suche nach einem besseren Leben weit aus dem Osten, nach dem Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge aus dem heutigen Polen und jetzt eben aus Russland und der Ukraine. Da ist es wahrscheinlich, dass sehr viele Menschen in dieser Stadt einen Migrationshintergrund haben, auch wenn in vielen Fällen die Zuwanderung schon länger zurück liegt.
Ach ja, wir haben uns dann das Gotteshaus, in dem noch immer die christliche Orgel steht, angesehen. So gut wie nichts deutet auf eine Synagoge hin. Eigentlich fehlt nur das Kreuz auf dem Turm und im Schaukasten entsprechende Aushänge.
Alles Nazis im Osten? Es wird Zeit, endlich mal genauer hinzusehen.
Ich sehe jetzt auch genau hin. Schließlich will ich wissen, was die Beste Frau der Welt an Frühstück gemacht hat.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.
Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Ignatius, Joseph v. Ar., Herrmann
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: Alles Nazis, da im Osten
… oder was Vorurteile wert sind
Veröffentlicht am: 31.07.2024
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