Auftragslage für Texter durch ChatGPT

Eine Untersuchung von Schäfer Digital

Infografik: Die größten Befürchtungen in Bezug auf KI | Statista

Sind die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz ein gutes Jahr nach dem Hype um ChatGPT in der breiten Öffentlichkeit angekommen? Gemeint ist nicht, dass K.I. in Zukunft unsere Autos steuern wird oder Krankheiten anhand von Röntgenbildern diagnostiziert. Die Rede ist davon, was K.I. heute schon bewirkt.

Heute schon wird künstliche Intelligenz von vielen Menschen eingesetzt, während andere den Zug verpasst haben. Konkret wird in diesem Artikel die Autorenbranche betrachtet – speziell die Freelancer. Der Autor beschreibt als unmittelbar Beteiligter , warum viele Freelancer keine Arbeit mehr haben und die vor wenigen Monaten noch beliebten Plattformen leergefegt sind.
 
Auf einen Blick

- ChatGPT und andere K.I. Tools können Texte schnell, günstig und fehlerfrei generieren

- Trotz Mangel an Kreativität befürchten Menschen aktuell, dass K.I. Arbeitskraft ersetzen wird

- Dass diese Sorge bereits akut ist, zeigt die Auftragslage für Texter auf den großen Plattformen

- Tausende Freelancer stehen vor leeren Auftragsbüchern und haben in wenigen Monaten eine vermeintlich sichere Einnahmequelle verloren

- Diese Entwicklung führt auch dazu, dass herausragende Texter einen Auftragsboom erleben
 
K.I. als Schreiber

Dass ChatGPT ganze Texte verfassen kann, haben viele Menschen schon mitbekommen. Tatsächlich gibt es mittlerweile zahlreiche Programme, die auf Basis von ChatGPT (oder selten auch anderer K.I.) speziell für das Schreiben von Texten aller Art konzipiert wurden. Die Vorreiter kommen natürlich aus den USA, in Deutschland ist Neuroflash eines der ersten brauchbaren Tools. Eine ebenbürtige Alternative für die deutsche Sprache kommt mit Creaitor aus der Schweiz.

Fakt ist, dass diese Tools in Sekunden ganze Textabsätze hervorbringen, die sich kaum von einem menschlichen Urheber unterscheiden lassen. Wer sich genauer mit diesem Thema auseinandersetzt, wird schnell darauf stoßen, dass die K.I. noch an Kreativität und Aktualität der Informationen scheitert. Auf der anderen Seite schreibt sie schnell, ohne Rechtschreibfehler und günstig.

In den Händen eines geübten Anwenders lassen sich auf diese Weise in wenigen Minuten ganze Artikel erstellen. Nun lassen sich die Tools nicht für alle Anwendungsbereiche verwenden. Einen Blogartikel zum Thema „Wie kann man Muskeln aufbauen“ kann man problemlos durch die K.I. generieren lassen, weil hier eine riesige Datenbasis zur Verfügung steht. Zudem finden in diesem Bereich keine nennenswerten neuen Erkenntnisse statt. Den vorliegenden Artikel kann die K.I. allerdings (noch) nicht generieren, weil die Daten zu aktuell sind und meine Erkenntnisse eine Kombinationsfähigkeit und Kreativität erfordern.

Dennoch verwundert es in diesem Zusammenhang nicht, dass eine der größten Befürchtungen der Menschen in Bezug auf künstliche Intelligenz der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes ist. Eine Umfrage von YouGov aus dem Mai 2023 hat ergeben, dass 29 % der Befragten die Demokratie durch gefälschte/verzerrte Informationen in Gefahr sehen. Dicht dahinter liegt mit 28 % die Angst, dass K.I. die menschliche Arbeitskraft ersetzen wird. Diese Sorge ist akuter, als mancher vielleicht glaubt.
 
Auftragslage für Texter – ein Erfahrungsbericht

Es existieren diverse Prognosen, wie stark sich K.I. auf verschiedene Branchen auswirken wird. So wird beispielsweise in einer Prognose von MarketsandMarkets davon ausgegangen, dass sich der weltweite Umsatz durch K.I. im Gesundheitswesen zwischen den Jahren 2022 und 2027 nahezu verzehnfacht hat. Dies ist natürlich auf der einen Seite eine hervorragende Aussicht, weil damit wahrscheinlich Krankheiten schneller und zuverlässiger erkannt sowie behandelt werden können. Um zu zeigen, dass die Medaille aber auch eine düstere Seite hat, benötige ich keine Statistik.

Während ich aktuell in erster Linie beratend und strategisch als Freelancer im Bereich SEO arbeite, unternahm ich meine ersten Schritte als Texter. In diesem Kontext war auch auf verschiedenen Plattformen angemeldet, um leicht an Aufträge zu gelangen. Die beiden größten Plattformen waren textbroker.de sowie content.de.

Textbroker war stets die größere Plattform und ich erinnere mich daran, dass nicht selten mehr als 1.000 Aufträge im öffentlichen Pool auf die Vergabe warteten. So konnte ich beispielsweise im Jahr 2012 genau 195 Texte erstellen. Content.de hatte nach meiner Erinnerung eine kleinere Auswahl, aber auch hier waren in der Regel ein paar Hundert Aufträge zur freien Verfügung.

Später nahm meine Arbeit als Texter immer mehr ab und seit 2015 habe ich nur noch DirectOrders ausgeführt – Aufträge von Stammkunden, die direkt an mich vergeben wurden. Durch diese DirectOrders hatte ich aber stets einen Einblick in die Auftragslage und mir sind nie großartige Schwankungen aufgefallen – bis Ende 2022.

ChatGPT wurde am 30. November 2022 öffentlich gemacht. Die Technik dahinter war übrigens gar nicht so neu: GPT-3 wurde bereits 2020 entwickelt. Viele K.I.-Tools funktionierten bereits mit dieser Version und lieferten hervorragende Ergebnisse. Doch erst das Update zu GPT-3.5 ermöglichte einen derart gewaltigen Sprung, dass die Welt in wenigen Tagen in große Aufregung versetzt wurde.

Seit Ende 2022 werfe ich regelmäßig einen Blick auf die Auftragslage bei textbroker.de und content.de. Im Dezember 2022 waren noch einige Aufträge verfügbar, allerdings war die Anzahl nicht mit alten Zeiten vergleichbar. Seit Januar 2023 sind die öffentlichen Aufträge ausgestorben. Dies ist keine Übertreibung. Ich habe seitdem tatsächlich noch keinen einzigen frei verfügbaren Auftrag gesehen.

Gründe für die schlechte Auftragslage

Die Erklärung dafür ist zu einer Hälfte offensichtlich. Naheliegend ist, dass ehemalige Kunden nun Texte selbst mit Hilfe von ChatGPT oder einem anderen Tool erstellen. Das wird sicherlich einige Kunden betreffen. Allerdings wird dies kaum alle Kunden betreffen. Die Arbeit mit ChatGPT oder einem Tool erfordert trotzdem Zeit. Je nach Thema, Umfang und Routine im Umgang mit der Software kann durchaus auch eine halbe Stunde oder mehr erforderlich sein. Zeit, die viele Auftraggeber nicht haben. Das Bestellen eines Textes dauert immerhin nur wenige Minuten.

Hinzu kommt wahrscheinlich, dass Auftraggeber verunsichert sind. Wie können sie sicher sein, dass die bestellten Texte tatsächlich von einem Menschen verfasst wurden. Hat der Texter nicht vielleicht einfach nur ChatGPT bedient?

Neben der Frage, ob die Dienstleistung dann noch ihren Preis wert ist, muss sich auch die Frage nach den Auswirkungen von AI Content stellen. Ein Großteil der bestellten Texte wird für die Suchmaschinenoptimierung eingesetzt. Es handelt sich also um Texte, die bei Google und Co. erscheinen sollen. Allerdings ist noch völlig unklar, wie die Suchmaschinen langfristig auf K.I. Texte reagieren werden.

Textbroker.de hat bezüglich des letzten Aspektes einen Scanner eingeführt, der angeblich K.I. Content erkennen soll. Wenn man sich mit diesem Thema auseinandersetzt, wird man schnell feststellen, dass es aktuell noch keine zuverlässigen Scanner dieser Art gibt.
Der letzte Grund, wieso die öffentlichen Aufträge dramatisch abgenommen haben, ist, dass viele Kunden nun auf bewährte Texter setzen. Sie stellen womöglich angestellte Texter ein, buchen Freelancer oder beauftragen auf den genannten Plattformen Texter, mit denen sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben.

In einem offiziellen Statement von content.de wird genau diese Verschiebung zu Direct Orders genannt. Dies ist aber nur ein schwacher Trost für alle Texter, die noch keine starke Kundenbasis aufbauen konnten.
 
In den letzten Jahren habe ich deutlich mehr Texte als Auftraggeber bestellt als als Auftragnehmer geschrieben. Ich habe daher auch Einblick in die Profile der Texter bei textbroker.de. Leider ist die Suchfunktion auf maximal 200 Ergebnisse beschränkt, so dass ich keine exakte Anzahl der registrierten Texter angeben kann.

Laut eigener Aussage sind bei textbroker.de mehrere Tausend Texter angemeldet. Ein kleines Indiz: Eine Suche nach Textern mit dem Buchstaben „q“ im Namen hat bereits 183 Ergebnisse hervorgebracht. Mehrere Tausend Texter scheint daher nicht übertrieben zu sein.
All diese Texter werden kaum einen ausreichend lukrativen Kundenstamm aufgebaut haben. Ich selbst habe mich 2011 bei textbroker.de angemeldet und habe nach einigen Jahren sehr guter und zuverlässiger Arbeit nur eine Handvoll Stammkunden aufbauen können. Von diesen Stammkunden hätte ich nicht leben können.
 
Eine positive Entwicklung?

Nun scheint die oben genannte Sorge, dass künstliche Intelligenz Arbeitskräfte kosten wird, nicht unbegründet zu sein und zumindest für Texter auf den genannten Plattformen bereits eingetreten zu sein. Und obwohl ich weiß, dass ich die nachfolgenden Sätze aus der bequemen Position heraus verfassen kann, dass ich nicht mehr auf die Aufträge der Plattformen angewiesen bin, möchte ich die aktuelle Entwicklung nicht negativ betrachten.

Ich habe den Vorteil, dass ich beide Seiten kenne: die Seite der Texter und die Seite der Auftraggeber. In Summe waren meine Erfahrungen mehr als durchwachsen. Natürlich gab es auch Lichtblicke. Ich erinnere mich an eine zuverlässige Autorin, die viele Texte für ein von mir betreutes Yoga-Projekt verfasst hat. Die Artikel habe ich ihr als Direct Order zukommen lassen und habe hervorragende Arbeit erhalten. Doch leider war dies die Ausnahme.

Ist es nun ein Verlust für die Auftraggeber, wenn schlechte oder mittelmäßige Texter durch die künstliche Intelligenz abgelöst werden? So hart es auch klingt: Nein. Warum soll ich für einen langweiligen Text ohne Expertise und mit Fehler bezahlen, wenn die K.I. dies schnell, fehlerfrei und günstig ausführen kann.

In diese Richtung argumentieren zahlreiche Experten: Die K.I. wird eine Gefahr für schlechte und mittelmäßige Arbeitskräfte sein. Die herausragenden Arbeitskräfte werden einen Boom erleben. Genau so sehe ich es auch speziell für die Autorenbranche. Wer gut schreiben kann – ansprechend, fachlich korrekt, fehlerfrei, emotional, mit kreativen Ideen und unerwarteten Konstruktionen – muss sich in den nächsten Jahren nicht fürchten. Im Gegenteil: Solche Texter werden zunehmend gefragt sein.

Sobald ich wieder ein Projekt aus dem Bereich Yoga oder Spiritualität betreue, werde ich auf die oben genannte Texterin zurückkommen. Zwar kann ChatGPT mir hierzu auch Texte verfassen; an die Qualität der Texterin wird es aber nicht herankommen. Dieses „Plus“ an Qualität bei gleichzeitig absoluter Zuverlässigkeit ist mir die höheren Kosten wert.
 
Fazit

Die Sorge, dass künstliche Intelligenz Arbeitsplätze gefährden wird, ist sicherlich nicht unbegründet. Bereits heute haben mehrere Tausend Texter auf Plattformen wie textbroker.de oder content.de keine Arbeit mehr.

So problematisch diese Entwicklung im Einzelfall sein mag, so gut ist sie für die Qualität der geleisteten Arbeit. Schlechte oder mittelklassige Texter werden von der K.I. ersetzt werden. Herausragende Texter erleben bereits jetzt einen Nachfrageboom.
Was im Bereich der Texterstellung bereits eingetreten ist, wird sicherlich auch andere Branchen in ähnlicher Form heimsuchen.

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