Reparieren statt neu kaufen

Produkte sollen nachhaltiger werden



Es hat lange gedauert. Doch nach jahrelangen Debatten hat das Europäische Parlament schließlich im April 2024 die Richtlinie über die Förderung des „Rechts auf Reparatur“ verabschiedet.

Ziel der Rechtsvorgabe ist es, nachhaltigeren Konsum zu fördern, indem die Reparatur defekter Waren erleichtert, Abfall reduziert und der Reparatursektor unterstützt werden. Damit kamen die EU-Abgeordneten dem Wunsch vieler Verbraucher nach: Schon 2020 hatten in einer Eurobarometer-Umfrage 77 Prozent der Konsumenten in der EU geäußert, Produkte lieber reparieren zu lassen als neue zu kaufen. Die neue Richtlinie ist am 1. Juli 2024 in Kraft getreten.

Wenn etwa ein Elektrogerät kaputtgeht, ist es bislang oft einfacher und günstiger, es zu ersetzen, als es zu reparieren, stellt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland fest. Dies ist vielfach hohen Reparaturkosten und mangelndem Service geschuldet. Daher sind Verbraucher am Ende in der Regel gezwungen, das defekte Gerät durch ein neues zu ersetzen und das alte zu entsorgen. Das hat nach Ansicht vieler Experten aus dem Umwelt- und dem Verbraucherschutz jedoch wenig mit nachhaltigem Konsum zu tun. Der wird vielfach zudem durch die sogenannte Obsoleszenz ausgebremst: Wenn Hersteller ihre Produkte so konzipieren, dass diese nur für eine bestimmte Zeit oder Nutzungsdauer funktionieren, wie Verbraucherschützer schon seit Längerem kritisieren. Nicht selten sind demnach einzelne wichtige Komponenten der Geräte so verbaut, dass man sie nicht austauschen bzw. ersetzen kann.

Dieser „Unsitte“ will die EU-Legislative nun mit der Richtlinie über das Recht auf Reparatur entgegenwirken. Denn die Reparatur nicht nur elektronischer Geräte kommt der Umwelt zugute, weil so der Ressourcenverbrauch verringert, Treibhausgasemissionen eingespart und auch weniger Energie verbraucht werden. Und nicht zu vergessen: In der EU kommen jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall zusammen. Dabei ist Elektronikschrott die am schnellsten wachsende Abfallquelle in der EU, von der allerdings bisher nicht viel recycelt wird.

Stattdessen soll in der Gemeinschaft nun aufgrund von Ressourcenknappheit und Klimawandel der Übergang von einer Wegwerf-Gesellschaft zu einer kohlenstoffneutralen, ökologisch nachhaltigen und schadstofffreien Kreislaufwirtschaft bis 2050 geschafft werden. Das sieht der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft der Brüsseler Kommission vor, der in Einklang mit dem EU-2050-Klimaneutralitätsziel im Rahmen des sogenannten Green Deals steht. Letztlich soll eine bessere Reparaturfähigkeit von Waren aber auch den Geldbeutel der Konsumenten in der EU schonen, so die Absicht von EU-Kommission, Europäischem Rat und Parlament. Daher gilt jetzt die Devise „Reparatur vor Austausch“.

Was bedeutet dies nun konkret für Verbraucher? Die neue Reparaturpflicht sieht vor, dass Hersteller ihre Produkte nach der gesetzlichen Gewährleistungszeit zu angemessenen Preisen und innerhalb angemessener Zeiträume reparieren müssen, erläutert das EU-Parlament. Demnach sollen die neuen Vorschriften dafür sorgen, dass die Hersteller rechtzeitig und kostengünstig Reparaturen durchführen sowie zudem die Verbraucher über ihr Recht auf Reparatur informieren. Bei Geräten, die in der Gewährleistungszeit repariert werden, wird der Haftungszeitraum um ein Jahr verlängert. So soll es sich noch mehr lohnen, sich für die Reparatur statt für den Kauf eines neuen Geräts zu entscheiden.

Aber auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung haben Hersteller gängige Haushaltsprodukte wie Waschmaschinen, Staubsauger und sogar Smartphones zu reparieren, wenn sie nach EU-Recht technisch reparierbar sind. Diese Liste von Produktkategorien soll im Laufe der Zeit erweitert werden. Außerdem kann, wer möchte, auch während der Reparaturzeit ein Ersatzgerät ausleihen oder, falls eine Reparatur nicht möglich ist, sich für ein generalüberholtes Gerät entscheiden.

Letzteres trifft augenscheinlich den Nerv vieler Konsumenten. Denn in einer aktuellen repräsentativen Erhebung des Marktforschungsunternehmens Ipsos im Auftrag des TÜV-Verbands gaben jüngst 35 Prozent der Befragten an, in den vergangenen zwei Jahren ein gebrauchtes Smartphone, Handy oder IT-Gerät gekauft zu haben. Dabei wird zwischen „normalen“ gebrauchten und technisch generalüberholten Geräten („refurbished“) unterschieden, wie der TÜV-Verband erklärt. Mit 19 Prozent erwarb demnach fast jeder Fünfte ein zuvor aufbereitetes Gerät bei einem professionellen Anbieter. Und 12 Prozent kauften ein nicht überholtes gebrauchtes Gerät bei einer Privatperson sowie 8 Prozent bei einem professionellen Händler.

Nach Einschätzung des TÜV-Verbands ist in den vergangenen Jahren ein großer Markt für technisch überholte gebrauchte Geräte entstanden. Geräte aus zweiter Hand würden immer beliebter, berichtet Juliane Petrich, Referentin für Politik und Nachhaltigkeit beim TÜV-Verband. Damit sich der Kauf lohne, müssten allerdings sowohl die Funktionsfähigkeit als auch die Langlebigkeit der Produkte garantiert sein, betont die Expertin.

Laut dieser Umfrage ist vor allem die jüngere Generation auf dem Gebrauchtmarkt aktiv. Demnach kauften 55 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in den vergangenen zwei Jahren ein gebrauchtes IT-Gerät oder Smartphone, bei den 30- bis 39-Jährigen waren es 43 Prozent. In den höheren Altersgruppen sinke der Anteil der Gebrauchtkäufer dagegen deutlich, teilt der TÜV weiter mit: Unter den 40- bis 49-Jährigen waren es 30 Prozent, bei den 50- bis 59-Jährigen 27 Prozent und in der Altersgruppe der 60 Plus nur noch 24 Prozent. Neben einem Bewusstsein für den Umwelt- und Klimaschutz spiele der geringere Preis gebrauchter Geräte eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung, stellt der TÜV-Verband fest. „Grundsätzlich sollten IT-Geräte und Smartphones möglichst lange bis zum Ende ihrer Lebensdauer genutzt werden, um Ressourcen zu schonen“, rät Petrich.

Prinzipiell empfehlen Verbraucherverbände Käufern, die Produkte lange nutzen und bei einem Defekt nicht gleich aussortieren wollen, beim Erwerb auf die Reparierbarkeit zu achten. Denn dies dient sowohl dem eigenen Geldbeutel als auch Umwelt und Klima. Insofern bedeute das neue Gesetz einen wichtigen ersten Schritt in Richtung „Recht auf Reparatur“, begrüßt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland die Richtlinie. Aus Sicht des EVZ geht die Vorgabe an einigen Stellen jedoch noch nicht weit genug. Vor allem, weil die Reparaturpflicht außerhalb der Gewährleistung nur für Produkte gilt, die von gesonderten Ökodesign-Verordnungen erfasst werden.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

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