Ein Surrender Seelöwe

... dieser BYD Sealion 7



BYD (Build Your Dreams) erhöht die Schlagzahl. Mit dem Sealion 7 bringt der größte chinesische E-Autohersteller nun bereits seit 2022 sein achtes Modell nach Deutschland.

Der neue Mix aus SUV und Coupé bringt alles mit, worauf nicht nur E-Mobilisten abfahren: sportlich-elegantes Design, hochwertiges und geräumiges Interieur, fette Leistungen und hohe Reichweiten, jetzt sogar gepaart mit schnellen Ladezeiten. Dazu kommen wahlweise Allradantrieb und ein bemerkenswertes Preis-Leistungsverhältnis, mit dem der surrende Seelöwe vor allem dem Model Y von Tesla Paroli bieten soll.

Schon auf den ersten Blick ist die Handschrift des deutschen BYD Global Design Directors Wolfgang Egger zu sehen. Der ehemalige Audi- und Alfa-Romeo-Designchef hat die sogenannte Ocean-Serie entwickelt, zu der bislang die kompakte Schrägheck-Limousine Dolphin, die Mittelklasse-Limousine Seal und deren SUV-Derivat Seal U gehören. Das vierte Meeressäuger-Modell trägt die gleichen Designmerkmale, zu der vor allem Haifischnase mit den LED-Schweinwerfer-Schlitzen gehört, die zusammen mit den Fronteinlässen ein X-Motiv bilden. Auch die schmalen Tagfahr- und Blinkerleisten sowie die tief geformten Kurven, die an die Bewegung von Wellen erinnern sollen, sind aus Seal und Seal U bekannt. Das Seitenprofil mit den während der Fahrt bündig eingezogenen Türgriffen ist glatt, leicht konturiert durch eine Sicke in den Flanken, das coupéähnlich abfallende Fließheck wird durch einen Dachkantenspoiler optisch akzentuiert. Über die gesamte Breite der Heckklappe erstreckt sich eine Lichtsignatur, in der die für die Ocean-Serie typischen „Wassertropfen“-Rücklichter zu sehen sind.



Trotz seines dynamischen Looks bietet der 4,83 Meter lange Sealion 7 durch den üppigen Radstand von 2,93 Metern auch einen großzügig gestalteten Innenraum. Die weichen Sitze sind bequem, der Raum auf allen Plätzen luxuriös und ein optionales Panoramadach bringt Licht und Luftigkeit. Allerdings ist die Fahrposition seltsam hoch, selbst wenn der Sitz auf den niedrigsten Punkt eingestellt ist. Ordentlich Kopf- und Bewegungsfreiheit gibt es dafür auf der variabel verschiebbaren Rückbank. Das Kofferraumvolumen liegt bei 520 Litern, mit umgelegter Rückbank sind es 1789 Liter. Hinzu kommt ein 58 Liter großer vorderer Kofferraum (Frunk) für Ladekabel oder weiteres Gepäck.

Überzeugend sind die nahezu kompletten Serienausstattungen. Schon die Basisversion ist üppig bestückt mit 19-Zoll-Alufelgen, allen Assistenzsystemen, beheizten und belüfteten Vordersitzen, beheizten Rücksitzen, schlüssellosem Zugang und Start, Zweizonen-Klimaautomatik, Ambientebeleuchtung, ein 2,1 Quadratmeter großes Panorama-Glasdach sowie einem drehbaren 15,6-Zoll großen Infotainment-Touchscreen, der sich auf Zuruf in die Vertikale dreht und umgekehrt – ein nettes, wenn auch eher sinnbefreites Gimmick.

Nützlicher ist da schon eher die Sprachsteuerung, die Anweisungen zwischen Fahrer und Beifahrer unterscheiden kann. Auch die kabellose Integration von Apple- und Android-Smartphones, die auf der Mittelkonsole liegend mit bis zu 50 Watt induktiv aufgeladen werden können, ins Bordsystem klappt sehr gut. Doch auch der Sealion 7 bleibt nicht von typischen Infotainment-Schwächen verschont. Neben der fast ausschließlichen Bedienung über den Touchscreen sind viele Funktionen wie die Sitzheizung oder das Abschalten der lästigen Warntöne der Assistenzsysteme tief im Menü versteckt. Da ist vor jedem Start viel Tipperei angesagt.



Technisch trumpft der Sealion 7 aber mit seiner beeindruckenden Motorleistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h auf. Dafür sorgt ein starker Elektromotor, der mit einer Drehzahl von 23.000 U/min der weltweit schnellste seiner Art sein soll und für ordentlich Schub sorgt. In der Einstiegsversion gibt es davon einen an der Hinterachse mit 230 kW (313 PS), der das SUV in 6,7 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Bei der Allradvariante unterstützt eine weitere E-Maschine an der Vorderachse, wodurch eine Gesamtleistung von 390 kW (530 PS) entsteht. Damit treten aus dem Stand 690 Nm Drehmoment in den Rücken und katapultieren den 2,4-Tonner ansatzlos in 4,5 Sekunden auf Landstraßentempo.

Bei den Akkus setzt BYD auf die neueste Generation der hauseigenen Blade-Batterie, die nicht nur als strukturelles Element im Fahrzeugboden integriert ist, sondern auch auf umweltfreundlichere Lithium-Eisenphosphat-Zellchemie (LFP) setzt – also ohne Kobalt und Nickel auskommt. Außerdem gilt sie als sehr sicher, weil nicht entflammbar und ist dazu noch besonders langlebig. In der Basisversion ist dabei der aus dem Seal bekannte 82,5 kWh-Akku verbaut. Im Sealion 7 soll er 482 Kilometer Reichweite liefern und mit bis zu 150 kW unter Idealbedingungen in 32 Minuten von 10 bis 80 Prozent nachgeladen werden können. Die Spitzenvariante fährt mit einem 91,3 kWh fassenden Stromspeicher, der eine WLTP-Reichweite von 502 Kilometern ermöglichen und sich an einer Gleichstrom-Ladestation mit maximal 230 kW in 24 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen lassen soll. Umso verblüffender, dass BYD die Wechselstrom-Ladung auf maximal 11 kW limitiert hat. An der heimischen Wallbox oder an öffentlichen Ladepunkten ist da viel Geduld gefragt.   

Auch auf der Straße zeigt sich der große Chinese etwas zwiespältig. Während das SUV-Coupé bei moderaten Geschwindigkeiten mit seinem komfortablen Lauf und einer dank Doppelverglasung auffallend leisen Kabine ohne wahrnehmbare Abrollgeräusche überzeugt, wird es bei höheren Tempo nicht zuletzt durch eine gefühllose Lenkung leicht schwammig. Vor allem jenseits von 150 km/h lässt es der Wagen an Stabilität vermissen. Auch das Fahrwerk ist eher auf Komfort denn auf Sport getrimmt. Zwar gibt es frequenzempfindlichen FSD-Dämpfern sowie vier Fahrmodi-Einstellungen (Eco, Normal, Sport, Schnee), doch echte adaptive  Dämpfer wären angesichts der Leistung und des Performance-Anspruchs sinnvoll.



Eines der stärksten Argumente bleibt aber auch bei diesem chinesischem Modell der Preis. Ab 47.990 Euro startet der BYD Sealion 7, neben den bereits erwähnten Features inklusive vieler Goodies, die bei den Wettbewerbern ordentlich Aufpreis kosten. Darunter eine Premium-Soundanlage mit 12 Lautsprechern, eine Wärmepumpe sowie die sogenannte Vehicle-to-Load-Technologie (V2L), mit der externe Elektrogeräte (bis zu 3,3 kW) wie eine Kühlbox, Lichterketten oder eine Kaffeemaschine mit Strom versorgt werden können. In der höchsten Variante gibt es neben Allradantrieb und der großen Batterie ein vergleichsweise schlichtes, aber gut ablesbares Head-up-Display und statt künstlichem (neudeutsch: veganem) echtes Nappaleder für die Sitze. Kostenpunkt 58.990 Euro. Da fangen die Preise für den Tesla Model Y gerade (z. Zt. ab 55.970 Euro) erst an.

Und dennoch fehlt dem chinesischen Crossover-SUV, wovon der US-Bestseller immer noch (trotz seines politisch abgedrehten Eigentümers) eher zu viel hat: Reputation und Markenbekanntheit. Zumindest letzteres will BYD mit dem Aufbau eines Händlernetzes beheben. Bis Ende nächsten Jahres sollen bundesweit 120 Standorte entstehen, in Europa sollen es dann rund 500 sein. (aum)

Fotos: Frank Wald via Autoren-Union Mobilität

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