Prien am Chiemsee – im Januar 2025 Zahlen, Daten, Fakten! Dafür interessieren sich geschichtsinteressierte Menschen. Ist das so? Nun, das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Wer sich wirklich für Geschichte interessiert, sucht nicht nur nach nackten Informationen. Ein solcher Mensch sucht Orte auf, an welchen die vermeintlich tote Vergangenheit zum Leben erweckt und sinnlich spürbar wird.
Deswegen pilgern Touristen zu Kirchen, Denkmälern, uralten Friedhöfen und anderen historischen Stätten. Doch nichts geht über den Flair eines Ortskerns. Hier befindet sich der Geburtsort einer jeden Gemeinde oder Stadt. Hier beginnt die Geschichte des Ortes. Man spricht nicht umsonst von der Altstadtatmosphäre. Das Phänomen gilt auch für Prien am Chiemsee, dem einzig anerkannten Luft- und Kneippkurort Oberbayerns. Die Geburtsstunde von Prien am Chiemsee ist eng verbunden mit dem Handwerksviertel am Gries. Das Viertel weist eine lange wie bewegte Geschichte auf. Kaum jemand kennt diese Geschichte so gut wie Helga Schömmer. Das Priener Urgestein erzählt bei Ortsführungen wissbegierigen Schulklassen und Touristen die Geschichte des Handwerksviertels am Gries. Doch dabei bleibt es nicht. Helga Schömmer erzählt immer auch lebhafte Geschichten, die nicht im Geschichtsbuch stehen.
Eine kurze Zeitreise durch Priens Geschichte
Prien wurde im Jahr 1158 als Gerichtsort gegründet. Zum wirklichen Leben erweckt wurde der Ort erst Ende des 15. Jahrhunderts, als langsam das Handwerksviertel am Gries entstand. Gut 50 Jahre später, Mitte des 16. Jahrhunderts, entwickelten sich die für die Region wichtigen Wochenmärkte. Als Folge dieser Wochenmärkte wurden weitere Handwerksbetriebe am Gries ansässig. Und doch bestand das Gries vor dem Jahr 1600 gerade mal aus drei Häusern. Erst im 17. und 18. Jahrhundert siedelte eine Vielzahl von Handwerkern in den Bereich des Gries, da das Wasser der Prien für viele Gewerbe lebensnotwendig war.
Diese Epoche gilt als Hoch- und Blütezeit des historischen Viertels. Bis zur Auflösung des Grieser Handwerksviertels aufgrund der herannahenden Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts waren bis zu 31 Gewerbe amtlich gemeldet.
Vergessene Handwerksberufe
Ältere Semester erinnern sich nostalgisch, für die im Smartphone-Zeitalter sozialisierte junge Generation offenbart sich eine fremde Berufswelt. Wenn Helga Schömmer interessierte Gruppen durch das Handwerksviertel am Gries führt, erinnert sie an längst vergessene Berufe. Es waren Färber, Seiler, Sattler, Wagner, Kupferschmiede, Seifensieder, Büchsenmacher, Glaser, Kunstmaler, Schneider, Strumpfstricker, Lumpensammler, Fassbinder und Schuhmacher, die sich am Gries ansiedelten. Und nicht zu vergessen die Gerichtsamtmänner, schließlich war Prien ursprünglich und bis in das Jahr 1960 hinein, ein Gerichtsort.
Bei einem Spaziergang durch‘s Gries, vorbei an denkmalgeschützten Häusern wie dem ehemaligen Amtshaus, dem „Stegsattler“ oder dem „Weißgerber“ verlässt die Vergangenheit das Geschichtsbuch. Dann wird die Geschichte des Handwerksviertels am Gries im wahrsten Sinne des Wortes offensichtlich.
Das Gries heute
Heute ist das Gries eines von 36 Ortsteilen von Prien. Zwar hat es seine Bedeutung als Handwerksviertel durch die Entstehung der Gewerbegebiete außerhalb der Ortschaft verloren. Das Gries ist und bleibt dennoch bis heute eines der beschaulichsten Ecken in Prien. Die idyllische Schönheit und das Flair des Viertels sind nicht der einzige Grund. Alte Orte erzählen immer auch alte Geschichten. Es handelt sich um amüsante Anekdoten, die Jung und Alt zum Schmunzeln bringen.
Die Geschichte erzählt immer Geschichten
Von zweien dieser Geschichten rund um das Handwerksviertel am Greis weiß nicht nur Helga Schömmer zu erzählen. So gelang es etwa dem ortsansässigen Weißgerber im Jahr 1751 mittels einer Spende an die Kirche den Prienern zu verbieten, Fasching zu feiern. Das allein stellt kein erwähnenswertes Ereignis dar. Die Pointe dieser historischen Anekdote jedoch ist, dass dieses Verbot über 200 Jahre, bis weit ins 20. Jahrhundert, galt. Noch berühmter ist die kuriose Geschichte rund um die Siegesgenius-Skulptur, besser bekannt als „Grieser Engel“. Das Kriegerdenkmal aus dem Jahr 1872 steht neben der Linde im Gries. Die Skulptur des Engels mag nach heutigen Moralvorstellungen unverdächtig sein, löste jedoch im 19. Jahrhundert heftige Diskussionen in Prien aus. Der Grund? Ganz im Gegensatz zum Pfarrer empfanden viele Bürger Priens den bedeckten Busen des Sieges-Engels als überdimensioniert.
Zahlen, Daten, Fakten? Geschichte ist weitaus mehr als nackte Information
Foto: Tanja Ghiradini
Das Handwerksviertel am Gries
Die Geschichte erzählt immer Geschichten
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