Hic sunt leones – hier sind Löwen. Was für Löwen? Das Leopold-Hoesch-Museum bricht auf zu einer Expedition in die fantastischen Bildwelten von Katharina Jahnke.
Unter dem Titel „Katharina Jahnke. Hic sunt leones“ zeigt das Leopold-Hoesch-Museum im Frühjahr 2025 eine umfassende Einzelausstellung der Kölner Künstlerin. Ausgehend von einer Schenkung vier skulptural angelegter Architekturmodelle und einer Tuschzeichnung von 2004/2005 durch das Sammlerehepaar Gaby und Wilhelm Schürmann aus Herzogenrath, die 2024 erfolgte und den Sammlungsbestand des Leopold-Hoesch-Museums bereichert, wird neben einer neuen ortsspezifischen Wandarbeit in Form einer tapezierten Collage eine repräsentative Auswahl an Werken und Werkgruppen aus den letzten zwanzig Jahren zu sehen sein: Dies sind vor allem weitere Architekturmodelle und Tuschzeichnungen, Collagen, Bücher und Textilien aus dem Besitz der Künstlerin und aus privaten Sammlungen. Ebenso werden erstmals Arbeiten gezeigt, mit denen die Künstlerin sich zuletzt neue Techniken der künstlerischen Auseinandersetzung erschlossen hat: Glasierte Keramikskulpturen und Miniaturgüsse aus Neusilber, die in Form von Hausgeistern den Zugang zur Ausstellung hüten werden.
In thematischen Werkreihen setzt sich Katharina Jahnke mit der Fragestellung auseinander, wie Architekturen, Bilder, Text, Ornament und Formen unser Bewusstsein, unser Denken und unser Verhältnis zur Wirklichkeit prägen. Dafür nutzt sie historisches Material wie Konstruktionszeichnungen aus dem 19. Jahrhundert, kunsthistorische und populäre Buchveröffentlichungen aus dem 20. Jahrhundert und Bildwelten der popkulturellen Gegenwart. Während sie Bildsysteme verschiedener Herkunft und Inhalte unterschiedlicher Bedeutung in neue Konstellationen einbringt, dekonstruiert sie deren Wirklichkeitsgehalt und erzeugt Kontextverschiebungen. Die oft disproportionalen Kombinationen, ihr Witz und die Betonung des Fragmentarischen, Beiläufigen, gelegentlich bewusst Roh-belassenen setzen auf die unmittelbare Wirkung von Fantastik. Es entstehen surreal anmutende, jedoch gleichzeitig stimmig wirkende Welten, die durch gelegentliche Beschriftung zusätzlich zwischen Fiktion und Realität verortet werden. Die bewusste Kennzeichnung des Werks als gebastelt und fragil kontrastiert und vereint sich dabei zugleich mit subtilen Materialqualitäten, der Eleganz verschmelzender Substanzen und der Anmut schillernder Oberflächen.
Katharina Jahnke betritt in ihren Arbeiten bewusst kognitives Neuland und legt die Faszination fantastischer Welten offen, die sie selbst zu ihren Arbeiten inspiriert und das Publikum dazu verführt, den eigenen Fantasien mehr Bedeutung beizumessen, um sich in der Welt zu orientieren. Hierauf spielt auch der Titel der Ausstellung an. Der lateinische Satz „Hier sind Löwen“ bezeichnet auf antiken Landkarten und in mittelalterlichen Schriften Gegenden, die jenseits des bekannten geografischen Raums lagen und demnach mit Gefahr und dem Gegenteil von Zivilisation assoziiert wurden. Sie waren nicht Gegenstand tatsächlicher Erfahrung und realen Wissens, jedoch mit Vorstellungen belegt, die zwar aus dem Bereich vorhandenen Wissens stammten, aber immer auch von Fantasien beflügelt und angereichert waren. Dementsprechend konnte es analog auch heißen: Hic sunt dragones („Hier sind Drachen“), was die gedankliche Dimension dieser Wirklichkeitskategorie zwischen Kenntnis und Fantasie nochmals deutlicher macht: Dass es Löwen gibt, konnte zumindest als gesichert gelten, während die Existenz von Drachen dem Reich der Imagination angehörte. Eine großformatige, mit schriftlichen Benennungen und Erläuterungen ausgestattete Tuschzeichnung wie „Montauk“ (2023) verweist auf den mythenbehafteten Hintergrund dieses Ortes an der äußersten Spitze von Long Island, NY, vor dem dort geschehene Ereignisse gelesen werden: Von der namensgebenden Besiedlung durch indigene Bevölkerung über den Sehnsuchtsort eines frühen Ferienresorts und dem Bankrott seines Investors aufgrund der Weltwirtschaftskrise bis hin zu einem Naturschutzgebiet, das zugleich Militärbasis und Radarstation ist, und schließlich einem literarischen beziehungsweise musikalischen Gegenstand: Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch veröffentlichte eine gleichnamige skizzenhafte Reflexion seines Lebens; die Rolling Stones widmeten einen Song ihrer ’75er Amerika-Tour der dortigen Ferienhauskolonie im Besitz von Andy Warhol.
Schon die „Haunted houses“ (2004) handeln von mysteriösen Orten aus der Zeit des großen Hollywood-Glamours, als Filmstars wie Götter verehrt und entsprechend mystifiziert wurden. Oder auch die Tuschzeichnungen des Parkas von Pete Townsend oder des Dufflecoats von David Bowie, die diversen illustrierten Cover des Romans „Krieg der Welten“, das Antlitz von Penelope Cruz, das in einer Reihe mit Köpfen antiker Göttinnen auftaucht: Sie alle sind exemplarisch für die alchimistische Praxis Katharina Jahnkes, die zwischen Recherche und Erfahrung, eigener Anschauung, realer Lebenswirklichkeit und medialer Projektion changiert.
Die Ausstellung, die im historischen Teil des Leopold-Hoesch-Museums stattfindet und in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden ist, ist in vier Kapitel gegliedert, deren Begrifflichkeiten aus dem Bereich Raumausstattung stammen. Neben dem Empfangszimmer gibt es einen Bibliotheksraum, der Buchwerken und dem Thema Text und Schriftlichkeit gewidmet ist, es gibt ein intimes Ankleidekabinett und einen Studiensaal zum Thema Architektur. Alle sind sie allerdings durchsetzt vom Einbruch der Wildnis, vom Disparaten und dem Prinzip der Improvisation, das Ordnungen und Darstellungsweisen verschiedener Kategorien zusammenbringt, vermischt und so neue Dimensionen der Betrachtung eröffnet wie erschließt.
Katharina Jahnke, geboren 1968 in Berlin, lebt und arbeitet in Köln. Nach einem Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Kunstakademie Düsseldorf hatte sie verschiedene Stipendien, wie beispielsweise das Reisestipendium der Kunstakademie Düsseldorf, das DAAD-Stipendium in Los Angeles, eine Residenz am Deutschen Studienzentrum in Venedig, das Atelierstipendium des Kölnischen Kunstvereins sowie Arbeitsstipendien der Kunststiftung NRW und des Landes Nordrhein-Westfalen. Neben ihrer Tätigkeit als freischaffende Künstlerin arbeitet sie als Kunstvermittlerin und nimmt Lehraufträge wahr, etwa an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, an der Kunstakademie Düsseldorf oder an der Folkwang Universität der Künste.
Zur Ausstellung wird ein Katalogbuch erscheinen. Ausstellung und Katalogbuch werden großzügig gefördert von der Kultur- und Naturstiftung der Sparkasse Düren sowie dem Museumsverein Düren e.V.
Veranstaltungen zur Ausstellung im Überblick
Do. 13.3.2025, 19 Uhr
Museumsdialog zur Ausstellung: Gemeinsamer Rundgang mit der Künstlerin und der Kunsthistorikerin und Autorin Dr. Barbara Hess, im Leopold-Hoesch-Museum, 3 Euro, Mitglieder Museumsverein Düren frei
Do. 6.3.2025, 17 Uhr
Art & Drinks – Das After-Work-Special am eintrittsfreien Donnerstag
Kurzführung durch die Ausstellung mit Markus Mascher durch die Ausstellung mit anschließendem gastronomischen Angebot im Museumscafé
Öffentliche Führungen
An jedem ersten Sonntag im Monat um 15 Uhr, 3 Euro zzgl. Museumseintritt
Eintritt frei
• Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
• Für Schulklassen
• Für alle Besucher*innen an jedem ersten Donnerstag im Monat
Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren
Hoeschplatz 1
52349 Düren
www.leopoldhoeschmuseum.de
www.papiermuseum-dueren.de
www.dueren.de
Bild: Katharina Jahnke, Because you complicate things! (aus: 22 Köpfe, 22 Spiderman-Zitate), 2022, Collage, ungerahmt, 30 x 22 cm, Courtesy die Künstlerin und M29, Köln
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
KATHARINA JAHNKE. HIC SUNT LEONES
Ausstellung um Leopold-Hoesch-Museum und im Papiermuseum Düren
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