Laut  Kraftfahrt-Bundesamt ist mit knapp über 610.000 Zulassungen zwischen  Januar und September 2020 der Anteil von Pkw mit reinem Dieselantrieb  inzwischen auf 30 Prozent gesunken. 
Neben gezielter  Diskreditierung in der Folge des Dieselskandals und drohenden  Fahrverboten liegt es vermutlich auch daran, dass für alle  Neuzulassungen ab 2021 die Abgasnorm Euro 6d verpflichtend wird.  Tatsache ist, dass immer mehr Hersteller Dieselmodelle aus dem Programm  genommen haben. Ist der Diesel auf dem Rückzug?
Zunächst traf es  die Kleinwagen. Beim drei- und fünftürigen Mini etwa sucht man den  Diesel schon seit 2019 im Konfigurator vergeblich. Auch bei Seat fährt  der Ibiza künftig ohne Dieselantrieb, ebenso wie der Arona. Gleiches  gilt für VW Polo und T-Cross, die wegen zu geringer Nachfrage künftig  auf den TDI verzichten müssen. Parallel dazu verloren aber auch die  Großen ihre sparsamen und durchzugskräftigen Antriebe. Bei Porsche war  schon nach dem Diesel-Skandal Schluss mit Selbstzündern. Der Audi Q7 V8  TDI und sein Konzernzwilling VW Touareg V8 TDI geben nun ihre  Achtzylinder-Diesel für einen Benziner-Hybriden her. Auch BMW mustert  noch in diesem Jahr seinen erst 2016 eingeführten  Sechszylinder-Topdiesel M50d aus. Wird der Diesel also vom unteren und  oberen Rand des Marktes schrittweise ausgemustert?
Wenn es nach  den Herstellern der wichtigsten Flottenfahrzeuge geht, wohl eher nicht.  Im Gegenteil, sogar im pandemiegeplagten 2020 fällt der Dieselanteil bei  BMW, Audi, Mercedes oder VW zeit- und modellweise höher aus als im  Vorjahr. „Für Kunden mit hoher Jahresfahrleistung ist der Diesel nach  wie vor der Motor der ersten Wahl“, sagt BMW-Sprecher Dieter  Falkensteiner. Vor allem in den 3er- und 5er-Baureihen ebenso wie in  deren SUV-Derivaten ist der Selbstzünder unverändert gefragt.
Dieselmotoren-Anteile steigen
Auch  bei Mercedes ist der Dieselanteil am Gesamtabsatz in Europa stabil  geblieben, in Deutschland laut Unternehmenssprecher René Olma sogar von  Januar bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen. Und  auch Audi und VW berichten von einem steigenden Dieselmix. Bei den  Ingolstädtern beträgt der Anteil aktuell gut ein Drittel, wobei die  Verteilung in den Baureihen noch deutlicher ausfällt. A4 Avant, Q7 und  Q8 fahren zu gut drei Viertel mit einem Diesel, beim A6 Avant sind es  sogar 85 Prozent.
Ähnliche Werte meldet Volkswagen. Beim großen  Touareg sind mit 97 Prozent so gut wie alle Dieselfahrer. Den Passat  Variant kaufen die Kunden zu 68 Prozent als TDI, wobei sich hier auch  erstmals der Hybrid-Effekt bemerkbar macht. Denn 23 Prozent entfallen  hier auf das Plug-in-Hybridmodell GTE. „Ähnlich könnte das im nächsten  Jahr auch für Golf und Tiguan aussehen“, mutmaßt VW-Sprecher Christian  Buhlmann, weil dann in allen Klassen ein Plug-in-Benziner verfügbar ist.  Aktuell liegt der Golf 8 bei 39 Prozent Diesel-Einbaurate, wobei die  gerade erst eingeführten Varianten (GTD, Variant) noch nicht mitgezählt  sind. Ähnliches gilt für den Tiguan mit 46 Prozent.
Importeure ziehen die Reißleine
Doch  weitere Gesetzesverschärfungen könnten noch dem einen oder anderen  weiteren Selbstzünder den Garaus machen. Schon vor den gerade scharf  diskutierten Entwürfen zur Einführung der Abgasnorm Euro 7 hat das  EU-Parlament kürzlich mit großer Mehrheit einen Vorschlag verabschiedet,  nach dem zur Einhaltung der EU-Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen ab  September 2022 nur noch RDE-Daten unter realen Fahrbedingungen verwendet  werden sollen. Um diese Grenzwerte von 80 mg NOx nach WLTP im Labor und  120 mg pro Kilometer nach RDE auf der Straße zu erreichen, braucht es  schon jetzt aufwändige Abgasreinigungen. Experten beziffern die kleine  Chemiefabrik im modernen Diesel-Auspuffstrang, bestehend aus  Oxidationskatalysator, Partikelfilter, Stickoxid-Speicher-Katalysator,  SCR-Katalysator inklusive Harnstofftank, auf 1500 Euro Mehrkosten. Das  ist für einzelne Modelle einfach zu teuer.
Viele Importeure haben  deshalb schon längst die Reißleine gezogen. Nach Toyota und Nissan will  auch Honda die Selbstzünder mit den anstehenden Modellwechseln aus dem  Programm nehmen. Beim überarbeiteten Mazda CX-3 fällt der Diesel aus dem  Programm, ebenso wie beim Renault Captur. Und auch Volvo verbannt  schrittweise den Diesel aus seinen Modellen. Jüngstes Beispiel: das  erfolgreiche Kompakt-SUV XC40, das hierzulande zu mehr als die Hälfte  mit Diesel geordert wurde und demnächst nur noch mit mehr oder weniger  elektrifizierten Benzinern zu haben ist.
Diesel hat Zukunft im Flottengeschäft
Und  doch ist in nächster Zeit nicht mit dem Ausverkauf des Diesels zu  rechnen. Vor allem im Großkunden- und Flottengeschäft spielt er dafür  eine zu große Rolle. Nach wie vor gilt die Faustformel: Je mehr  Langstreckenpriorität, Größe und Gewicht des Fahrzeugs, umso höher der  Dieselanteil. „Diesel sind auf absehbare Zeit unerlässlich zur Senkung  der Kohlendioxid-Emissionen“, sagt Audi-Technikexperte Udo Rügheimer.  Und auch der jüngste Entfall des V8 TDI sei kein Beginn des Aussterbens  der Dieseltechnik. „Mit diesem V8 haben wir erstmals bewiesen, wie  leistungsfähig und sparsam ein performanter TDI sein kann“, so der  Audi-Sprecher. Bis 2024 will Audi 37 Milliarden Euro in die  Weiterentwicklung der Antriebe stecken. Rund ein Drittel davon fließt in  die Elektromobilität, in den anderen zwei sind auch Vorleistungen für  moderne Verbrenner-Technologien enthalten. Deshalb habe „der TDI mittel-  und langfristig einen festen Platz im Angebotsportfolio bei Audi“, so  Rügheimer.
Auch bei Mercedes „hat der Diesel für  Premium-Fahrzeuge definitiv eine Zukunft“, sagt Sprecher René Olma und  verweist auf die neuen nach Euro 6d zertifizierten Diesel der Schwaben,  die „über viele tausende Kilometer Laufleistung unter RDE-Bedingungen“  mit Stickoxid-Durchschnittswerten um die 25 bis 30 mg überzeugten. Das  zeige, dass „die NOx-Herausforderung mit der neuesten Motorengeneration  auch bei Diesel-Fahrzeugen technisch gelöst werden kann“, so der  Mercedes-Sprecher. 
Foto: Auto-Medienportal.Net/Audi
Diesel-Dämmerung
Totgesagte leben länger
Veröffentlicht am: 24.11.2020
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