Normalos  werden davon nichts mitbekommen haben. Weitgehend unbemerkt von einer  Öffentlichkeit hat die Bundesregierung Pflöcke für die Zukunft eines  wichtigen Themas in den Boden gerammt: Im Sommer wurde mit dem Gesetz  zum autonomen Fahren der regulatorische Rahmen für führerloses Fahren  geschaffen. Als erstes Land der Welt. 
Das Gesetz, veröffentlicht  am 27. Juli 2021 im Bundesanzeiger, trägt die sperrige Überschrift  „Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des  Pflichtversicherungsgesetzes – Gesetz zum autonomen Fahren“. Darin wird  festgelegt, was der Roboter am Steuer künftig können muss und welche  Rolle er spielen wird.
Schließlich hat das technische System  eines Tages an Stelle des Menschen die Aufsicht über ein autonomes  Automobil, das von selbst lenkt, bremst, anhält, abbiegt, die Spur hält  oder blinkt. Klar, dass sich dazu Fragen ergeben, denn autonome  Fahrzeuge werden gerade zu Anfang ihrer Entwicklung einem Fahranfänger  gleichen, der dazulernt. Eine der wichtigsten Fragen dürfte sein: Wie  sieht es mit dem Versicherungsschutz aus?
Darauf hat der  Großversicherer Allianz jetzt eine Antwort gegeben: Kein Problem.  Wörtlich führte der Vorstandsvorsitzende Klaus-Peter Röhler auf dem 9.  Allianz Autotag Ende September aus: „Wir werden auch den „autonomen  Fahranfängern“ und der „technischen Aufsicht“ Versicherungsschutz bieten  und sie in der Haftpflichtversicherung versichern“. Da gerade eine neue  Technik nicht fehlerfrei sei, werde es auch künftig Unfälle geben, vor  allem im Mischverkehr mit nicht autonomen Fahrzeugen. Das Vertrauen der  Öffentlichkeit in autonome Systeme sei nur gewährleistet, wenn  Unfallursachen – auch Beinaheunfälle – aufgeklärt werden könnten. Röhler  betonte, dass es „jetzt darauf ankommt, dass wir für Europa eine  vernünftige Lösung finden, die es uns erlaubt, auch künftig  Verkehrsunfälle unkompliziert aufklären zu können, um Verkehrsopfer  schnell zu entschädigen und das Vertrauen der Bevölkerung in die neue  Technologie nicht zu zerstören”.
Zur Unfallaufklärung würden  künftig Daten von Systemen wie Radar, Lidar (optische Messungen) und  Kameraaufzeichnungen benötigt. Nur so könnten zum Beispiel Unfälle oder  Beinaheunfälle mit Fußgängern erfasst und bewertet werden. „Leider ist  die Nutzung dieser Daten in Europa derzeit nicht hinreichend reguliert“,  sagte Röhler. Die Forderung, die aus der momentanen Lage folgert, sei  klar: Zum Schutz der personenbezogenen Daten ist ein europaweiter,  unabhängiger Datentreuhänder notwendig, der prüft, ob ein berechtigtes  Interesse an der Unfallaufklärung besteht, und die hierfür  erforderlichen Daten mittels eines standardisierten und  diskriminierungsfreien Datenzugangs den Berechtigten zur Verfügung  stellt. In anonymisierter Form müssten diese Daten auch der  Unfallforschung und der Automobilindustrie zur Verfügung gestellt  werden, damit Fehler schnell korrigiert und die Systeme verbessert  werden können.
Ein weiterer Diskussionspunkt auf der Konferenz  galt dem Halter selbst. Die Gefährdungshaftung des Halters stellt auch  bei automatisierten Fahrsystemen sicher, dass das unschuldige  Verkehrsopfer vollumfänglich geschützt ist. Dennoch wird es in Zukunft  vorkommen, dass auch der Halter verletzt werden kann, wenn er selbst am  Steuer seines automatisiert fahrenden Fahrzeug sitzt und es zum Beispiel  zu einem Unfall kommt, weil die Sebstfahrtechnik versagt hat. Da der  Halter nach aktueller Rechtslage keine Ansprüche gegen sich selbst  stellen kann, bliebe ihm nur ein Anspruch aus dem Produkthaftungsrecht  gegen den Hersteller. Die Allianz ist der Auffassung, dass auch der  Kfz-Halter in seinem Fahrzeug rechtlich geschützt sein muss, wenn er den  Unfall nicht durch einen eigenen Fehler, zum Beispiel durch Missachtung  einer Fehlermeldung, mitverursacht hat. „Wir diskutieren für  Deutschland eine Produktlösung, bei der künftig ausnahmsweise auch der  Fahrzeughalter bei einem vom Fahrzeug verursachten Unfall in den Schutz  der Kfz-Versicherung integriert werden“, sagte Röhler.
Auf dem  Kongress kam ferner die Frage auf, ob und wie sich das Schadengeschehen  von Elektroautos zu Fahrzeugen mit herkömmlichen Antrieben  unterscheidet. Antwort: Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede. Bei  der Unfallreparatur hingegen sieht man jedoch deutliche Unterschiede,  die sich aus den Normen oder Herstellervorgaben für die Reparatur von  Elektrofahrzeugen ergeben. Beispielsweise kommt es schnell zu einem  wirtschaftlichen Totalschaden, wenn die Vorgaben des Herstellers  zwingend vorsehen, dass die Batterie nach Airbag-Auslösung entsorgt  werden muss. Auch kann ein vom Marder angebissenes Hochvoltkabel heute  nicht repariert werden. Das verteuert den Schadenaufwand deutlich. So  könne ein notwendiger Kabelsatz bis zu 7000 Euro kosten. Es geht aber  auch anders: Einige Automobilfirmen verwenden Schutzummantelungen, die  getauscht werden können. Die Reparaturkosten ließen sich dadurch um bis  zu 97 Prozent reduzieren.
Eine wichtige Erkenntnis einer  Untersuchung des Allianz-Technikzentrums (ATZ) war, dass bei schwer  beschädigten Elektrofahrzeugen dem Halter neben den Reparaturkosten  weitere Aufwendungen entstehen können. Grundsätzlich kann ein Stromer  nur in einer Werkstatt repariert werden, die eine Qualifikation für  „eigensichere HV-Fahrzeuge“ ausweist. Wobei das Kürzel HV für Hochvolt  steht. Ist die Eigensicherheit infolge schwerer Beschädigung nicht mehr  gegeben – und das ist bei einem relativ kleinen, aber teuren Anteil der  Schäden der Fall –, dann genügt die Qualifikation des Werkstattpersonals  nicht. Aus der Schadenpraxis weiß die Allianz, dass diese Verzögerungen  in der Schadenbearbeitung die Reparaturdauer verlängern. Ein weiterer  Unterschied zur Unfallreparatur von Fahrzeugen mit konventionellen  Antrieben liegt darin, dass der Akku von reinen E-Autos auch bei nicht  mehr funktionsfähiger Anlage noch immer viel Energie enthält, was eine  Bergung schwierig mache und zusätzliche Kosten durch die notwendige  Brandvorsorge verursache.
Die Untersuchung hat ferner gezeigt,  dass auch bei Elektrofahrzeugen die Unfallreparaturen der größte Hebel  für eine günstige Versicherungseinstufung sind. Dabei ähneln  Elektrofahrzeuge in Typklasse und Verteilung der Schadenarten den  Benzinern, während Plug-in-Hybride dem Diesel-Pkw ähnlich sind. Dies  erklärt sich aus der unterschiedlichen Nutzung der beiden Fahrzeugarten.  Rein elektrische Antriebe werden bislang primär im urbanen Umfeld  benutzt, analog zum Benzinantrieb. Die Plug-in-Hybride dagegen werden  häufig in größeren und langstreckentauglichen Modellen eingesetzt und  sind daher im Schadengeschehen den Dieselfahrzeugen ähnlicher.
Interessant  ist nicht zuletzt eine Zahl, die verdeutlicht, wie es um die  Brandgefahr bei E-Autos steht. In Deutschland werden jährlich etwa  15.000 Pkw-Brände gemeldet. Der Anteil der Elektrofahrzeuge daran liegt  weit unter einem Prozent. „In unserer Untersuchung sehen wir weiterhin  keine höhere Brandwahrscheinlichkeit bei Elektrofahrzeugen im Vergleich  zu konventionellen Benzinern oder Dieselfahrzeugen“, sagt Carsten  Reinkemeyer, Leiter Sicherheitsforschung im AZT.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Bosch
Im Falle eines Knalles
Die Bundesregierung hat schon vorgesorgt
Veröffentlicht am: 19.10.2021
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