Ist  ein Tesla eine potenzielle Todesfalle? Diese Frage steht hinter einem  Prozess, der seit dieser Woche vor dem Amtsgericht Potsdam verhandelt  wird. Zwei junge Frauen starben, der Fahrer konnte sich aus dem in Brand  geratenen Model S retten. Ihm wird fahrlässige Tötung und fahrlässige  Körperverletzung vorgeworfen.
August 2022, Landstraße 73 bei  Dobbrikow im brandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming: In einer mehr  als 600 PS starken, dunkelblauen Tesla S sind fünf junge Mneschen  unterwegs. Der damals 18-jährige Jan M. sitzt am Steuer. Er will das  Auto, das er nach Aussagen vor Gericht erst wenige Tage zuvor von den  Eltern bekommen hat, seinen Freunden vorführen. Die sind beeindruckt,  denn der mehr als zwei Tonnen schwere Wagen beschleunigt brachial in  unter vier Sekunden aus dem Stand bis auf 100 km/h. Den vier Mitfahrern,  ein Mann und drei Frauen wird dabei mulmig. Vor Gericht wird zu  Protokoll genommen, dass sie den Fahrer mehrfach gebeten hätten, es  etwas vorsichtiger angehen zu lassen.
In einer Linkskurve kommt  das Fahrzeug von der Straße ab, kracht gegen einen Baum. Der Fahrer und  zwei seiner Freunde kommen teils schwer verletzt aus dem demolierten  Viertürer, doch die beiden hinteren Türen lassen sich nicht öffnen. Die  dort sitzenden beiden Freundinnen seien bewusstlos gewesen, sagt der  überlebende Mitfahrer Tim in der Verhandlung aus. Dann fängt der Wagen  Feuer. Auch zwei Bundeswehr-Soldaten, die zufällig an der Unfallstelle  eintreffen, gelingt es nicht, die Türen zu entriegeln. Aufgrund der  starken Hitzeentwicklung müssen sie ihre Rettungsversuche einstellen und  sich zurückziehen. Für Laura und Noël kommt jede Hilfe zu spät.
Die  Staatsanwaltschaft Potsdam hält einen Fahrfehler für die Unfallursache  und klagt den Fahrer an. Einem in der Prozessvorbereitung eingeholten  Gutachten zufolge sei der Wagen mit einem Tempo zwischen 60 und 65 km/h  in die scharfe Linkskurve gefahren. Die Expertise bestätigt auch, dass  es nicht möglich gewesen sei, die hinteren Türen des Unfallwagens zu  öffnen. Der Vermutung mangelnder Fahrpraxis widerspricht der Angeklagte  vor Gericht. Er habe während eines längeren USA-Aufenthalts bereits  Erfahrungen mit solch einem Tesla gesammelt. Dort kann je nach  Bundesstaat bereits im Alter zwischen 16 und 18 Jahren eine  uneingeschränkte Fahrerlaubnis erworben werden.
Das tragische  Ereignis aus Brandenburg ist kein Einzelfall. Am 13. August vergangenen  Jahres war nahe dem bayerischen Memmingen ein 31-jähriger Tesla-Fahrer  nachts von der Straße abgekommen, hatte die Leitplanke touchiert und war  anschließend frontal auf einen Strommast aus Beton geknallt. Auch sein  Wagen fing Feuer, der Mann kam in den Flammen um. Der Unfall hatte sich  gegen 0.50 Uhr ereignet, rund 30 Einsatzkräfte der Feuerwehr mussten  laut Polizeibericht mehrere Stunden gegen immer wieder aufkeimende  Hitzequellen kämpfen, bevor das Wrack in den Morgenstunden geborgen  werden konnte. Auch aus den USA sind Unfälle mit ähnlichem Verlauf  bekannt.
Zwei Faktoren unterscheiden beim Model S die  Türverriegelungen grundsätzlich von den meisten anderen Pkw. Die  Schlösser funktionieren bei reibungsloser Stromversorgung  elektromechanisch und die Außengriffe versenken sich selbstständig im  Türblatt, wenn das Fahrzeug in Bewegung kommt. Zwar ist eine manuelle  Entriegelung von Innen möglich, jedoch auf eine Weise, die problematisch  erscheint, wenn es um Sekunden geht. Für die hinteren Türen sagt das  Tesla-Handbuch: „Klappen Sie die Teppichkante unter den Rücksitzen  zurück, um den mechanischen Entriegelungszug freizulegen. Ziehen Sie den  mechanischen Entriegelungszug zur Fahrzeugmitte hin.“ Beim Model Y  befindet sich der Bowdenzug unter einem vorgestanzten Bereich in der  Filzeinlage der Türablage, der erst eingedrückt werden muss, um an die  Notfalllasche heranzukommen. In Kalifornien läuft bereits eine  Sammelklage wegen der potenziell gefährlichen Türgriffe.
Sollte  das Potsdamer Gericht auf fahrlässige Tötung erkennen, droht Jan M. eine  bis zu fünfjährige Freiheitsstrafe. Sein Führerschein wurde bisher  nicht beschlagnahmt, er fährt weiterhin Auto. Laut einem Medienbericht  erwägen die Eltern der Opfer wegen der Türgriffe juristisch gegen Tesla  vorzugehen. (aum)
Foto: Auto-Medienportal.Net/Tesla
Mechanische Türentriegelung eine gefährliche Falle?
Tesla vor Gericht in Potsdam
Veröffentlicht am: 03.03.2024
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