Dieser Tage kommt man an einem Thema nicht vorbei: Die Öffnung der innerdeutschen Grenze. Überall gibt es mehr oder weniger interessante Berichte, zahlreiche Filme, Bücher und was man sonst zu so einem 30 Jahre alte Ereignis noch produziert. Sicherlich gibt es auch Souvenirs.
Am 7. November ahnte wohl niemand, dass sich diese Grenze nicht nur mal öffnen, sondern verschwinden wird. Und doch begann für mich gerade an diesem Tag vor 30 Jahren eine Karriere, von der ich damals nichts ahnte.
Doch der Reihe nach: Als Mitglied des Landessprecherrates des Neuen Forums (bitte googlen), war es für mich und meine Freunde klar, dass wir zu der größten Demo in der DDR-Geschichte am 4. November rund um den Berliner Alexanderplatz nicht einfach so mit marschieren. Wir bastelten ein großes Plakat, auf dem schwarz auf gelb stand „Neue Medien für Neue Foren“. Leider gibt es das Plakat nicht mehr und es kam auch niemand auf die Idee, es zu fotografieren.
Wir, das waren Katrin und Jan, Wolfgang und ich, trafen uns dann am 7.11.1989 und beschlossen, selber für ein neues Medium zu sorgen. Wir beschlossen für unseren Berliner Ortsteil Friedrichshagen ein Mitteilungsblatt des Neuen Forums – „Die Neuen Friedrichshagener“, kurz „NF“ für Neues Forum – herauszugeben. Katrin und Jan hatten einen Computer und wir alle waren voller Elan. Es ging am gleichen Tag los.
Übrigens: Der Computer hatte einen 13-Zoll-Bildschirm und Windows war wirklich noch ein Fenster. Der Nadeldrucker war so laut, dass sich die Nachbarn beschwerten. Bilder konnten wir nicht ausdrucken, sie wurden nachträglich eingeklebt. Es war also noch die Steinzeit des Computerzeitalters.
Ehrlich, wir hatten keine Ahnung, noch nie etwas davon gehört, wie man so etwas wie eine Zeitung macht. Wir wussten nichts vom Urheberrecht, wir wussten eigentlich von gar nichts. Wir wussten nicht einmal, wie und wo wir unser Blatt vervielfältigen würden. In der Kirche, in der Kreisleitung der SED, in einer privaten Druckerei? Egal, wir legten los.
Und dann ging die Mauer auf und wir waren auch schon fertig mit der ersten Ausgabe, die es auch nicht mehr gibt. Die Mauer ist auf und ich marschierte mit unseren auf einem lauten 24-Nadeldrucker ausgedruckten Seiten zur Alternativen Liste im Westteil der Stadt. Die waren mehr als erstaunt, dass da ein Ossi, ein Bürgerbewegter mal so 600 Kopien wollte. Schlussendlich bekam ich die.
Wir konnten also die erste Ausgabe unter das Volk bringen. Nein, nicht verteilen, wie verkauften die für 50 Pfennig der DDR – 300 Stück in nur 20 Minuten. Man war nahezu süchtig nach Informationen – und man bot uns sogar finanzielle Hilfe an, in D-Mark. So wurde ich nicht nur Journalist, sondern auch Verleger und kein Finanzamt hat das damals mitbekommen.
Aus dem Mitteilungsblatt wurde dann eine Lokalzeitung für den kleinen Ortsteil, aus der sich dann „Köpenick Aktuell“ – eine Lokalzeitung entwickelte. Wolfgang wurde einer der begehrtesten Journalisten in Berlin, wenn es um niederklassigen Hauptstadt-Fußball ging. Leider erlebte er den Aufstieg seiner eisernen Unioner in die 1. Bundesliga nicht mehr.
Mein Weg führte über weitere Publikationen bis zu genussmaenner.de. Ich bin also ein Gewinner der Maueröffnung. So einen Weg hätte ich in der DDR nicht gehen können. Schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass der ehemalige Chefredakteur des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ mir mit dem Verlesen eines Zettels den Weg in den Journalismus ebnete. Ob er das gewollt hatte?
Ich will auf jeden Fall jetzt frühstücken – mit der Besten Frau der Welt.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.
Foto: Fabio Sommaruga / pixelio.de
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Vor 30 Jahren begann mein Journalistenleben
Veröffentlicht am: 07.11.2019
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