Wir sind darauf programmiert, immer voran zu kommen, immer besser zu sein. Wir kennen solche Sprüche, wie „Wer rastet, der rostet“ oder „Die Hände ansehen bringt Unglück“.
Ja, wir streben nach immer mehr, wir wollen immer der Sieger sein, wir sind sicher, dass man als Zweiter schon der erste Verlierer ist. Das lässt uns nicht nur auf der Straße den Bleifuß raus holen. Wir sind überall und immer darum bemüht, ganz vorn mitzumischen, wenn nicht gar der Leader zu sein. Das Dumme daran ist, dass wir dabei sehr schnell lernen, wie geil, wie sexy es ist, ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen. Und das erfahren wir überall – im Sport, im Job, bei der Partnerwahl, in der Familie – um nur einige Beispiele zu nennen.
Ja, wer ganz oben auf der Karriereleiter steht, der kann sich viel leisten, den sehen sehr viele bewundernd an, der wird überall hoffiert, der gilt als einer, der es geschafft hat. Niemand fragt aber danach, welchen Preis man dafür zahlt, immer auf der Überholspur zu sein. Früher bekamen solche Menschen Magengeschwüre, heute heißt das weniger bedrohlich Burnout oder deutlich bedrohlicher beispielsweise Krebs. Das Ergebnis ist immer das gleiche: Der Absturz von ganz oben ins Krankenhausbett.
Und was passiert da? Man hat Angst, Angst davor, es nicht wieder ganz nach oben zu schaffen, da zu landen, wo die sind, auf die man solange herabgeblickt hat – irgendwo im Mittelmaß. Man denkt aber irgendwann auch darüber nach, ob die Reise, die Jagd auf der Überholspur überhaupt sinnvoll war. Was hatte man davon, als ein tolles Haus, ein tolles Auto, die Mitgliedschaft im Nobel-Golfclub und Luxusurlaube? Wollte man das eigentlich? Weiß man überhaupt noch, was man eigentlich will, was einem wirklich Spaß macht, was einem Befriedigung verschafft?
Solche Gedanken kommen wohl jedem, der mal aus der Spur geworfen wird und eben immer nur eines kannte – der Beste zu sein. Manchmal ist es für solche Gedanken zu spät, manchmal werden diese Gedanken wieder vergessen, wenn die Ärzte ganze Arbeit geleistet haben. Dann geht es zurück ins Hamsterrad und alles beginnt von vorn. Am Ende steht auf einem zu großen Stein: „Ihr ruht einer, der das Genießen nie gelernt hat“.
Nun war ich schon lange von der Überholspur auf eine gut ausgebaute Nebenstraße abgebogen. Auch das ist keine Garantie, nicht irgendwann ausgebremst zu werden. Das kann leider jeden treffen. Doch ich musste nicht über den bisherigen Sinn meines Lebens sinnieren. Und doch auch ich muss vor allem eines lernen: Es ist nicht wichtig, eine Strecke mit dem Rad immer noch eine Minute schneller zu absolvieren, immer einen Schritt voraus zu sein. Es ist schon schwer genug sich einzugestehen, dass man ab jetzt kleinere Brötchen backen muss. Doch der Fall ist nicht tief, weil ich eben schon lange viel mehr damit beschäftigt bin, das Leben zu genießen.
Dazu gehört auch das tägliche Frühstück mit der Besten Frau der Welt.
Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück.
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: Immer auf der Überholspur
... ist keine gute Idee
Veröffentlicht am: 11.03.2020
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