In einem Buch, in dem verschiedene Menschen zu einem täglichen Leitvers aus der Bibel ihre Gedanken niedergeschrieben haben, musste ich gestern lesen, dass wir Menschen, die alte Menschen und Kranke pflegen, Kinder bilden und betreuen und dafür sorgen, dass wir mit dem notwendigen für das tägliche Leben versorgt werden, von uns kaum beachtet, ja kaum wahr genommen werden.
Als ich das las, dachte ich zuerst, was für ein Unsinn die Autorin da nachplappert. So etwas wird nun mal nicht besser, wenn es tausendfach wiederholt wird. Doch ich wurde immer ungehaltener, immer saurer. Ich finde mich durch solche Äußerungen beleidigt, gedemütigt. Eigentlich, so ging es mir durch den Kopf, müsste man die Autorin und die, die das ihr vorgebetet haben, verklagen, verklagen wegen Rufschädigung, wegen übler Nachrede und Beleidigung.
Ich frage mich, wie die Autorin dazu kommt, von uns allen – schließt sie sich und ihre Mutter eigentlich da mit ein – zu behaupten, dass wir irgendwelche Menschen nicht beachten, sie kaum wahrnehmen? Meint sie wirklich, dass wir nicht die Arbeit von pflegenden Menschen, von Erzieherinnen und Erziehern, von Lehrerinnen und Lehrern, von Verkäuferinnen und Verkäufern schätzen? Wer verbreitet so einen Unsinn? Wen meint die Autorin, die so etwas in einer christlichen Schrift – sorry für den Ausdruck – absondert?
Wer jemals medizinische Hilfe brauchte, wer jemals einen pflegebedürftigen Angehörigen hatte, wer jemals Kinder im Kindergarten oder in der Schule hatte – oder hat – der wird ganz sicher die dort Arbeitenden sehr wohl beachtet haben – und das im positiven Sinn. Und, niemand wird auf die Idee kommen, diese Menschen nicht mit dem C-Virus-Wort systemrelevant zu bezeichnen.
Ob diese Bezeichnung auch auf die Menschen im Handel zutrifft? Viele Verkäuferinnen und Verkäufer wären sicherlich heilfroh und würden Gott danken, wenn sie systemrelevant wären. Die von der zitierten Autorin gemeinten sind nun mal Kassiererinnen und solche die Ware aufpacken. Verkäuferinnen im klassischen Sinn sind die nicht. Doch auch das hat keineswegs zur Folge, dass ich diese Menschen nicht beachte, nicht wahrnehme.
Ich achte und nehme aber auch die wahr, die zu tausenden und auch nicht gut bezahlt all das durch die Lande transportieren, was wir alle brauchen – und das gilt auch für die, die das produzieren. Ja, es gilt auch für die von der wenig christlichen Autorin gescholtenen Banker, es gilt für alle, die den Laden an der einen oder anderen Stelle am Laufen halten. Es gilt selbst für die Autorin. Sie sorgt zumindest dafür, dass mein zu niedriger Blutdruck ganz ohne Chemie etwas in Wallung kommt. Da freuen sich auch die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, die mich dann mal nicht wahrnehmen müssen.
Ich wünsche mir, dass ich solche Nachplapperer, solche Gutmenschenkeulenschwinger, solche Wenignachdenker irgenwann wirklich nicht mehr wahrnehmen muss. Systemrelevant sind die nun wirklich nicht.
Systemrelevant ist die Beste Frau der Welt, ohne die kein Frühstück ein Genuss ist.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.
Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Helmut, Ludolf, Berthold
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: Systemrelevant
… aber wirklich entbehrlich
Veröffentlicht am: 29.03.2021
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