(Harald  Kaiser, Auto-Medienportal.NetAuto-Medienportal.Net) Der 9. Dezember  2021 wird für Porsche kein Tag wie jeder andere. Wenn die Manager des  Autoherstellers könnten, dann würden sie die mit diesem Datum verbundene  öffentliche Aufmerksamkeit sicher gerne aus dem kollektiven Interesse  streichen. 
Ganz sicher werden sie aber die Obercoolen geben und  so tun, als hätte man alles im Griff – juristisch. Doch es könnte anders  kommen. Denn an jenem Tag Anfang Dezember beginnt vor dem  Bundesgerichtshof (BGH) ein Prozess gegen Porsche, dessen Ausgang  womöglich eine Entschädigungszahlung von vielen Millionen Euro zur Folge  hat.
Um elf Uhr wird an dem Tag in Karlsruhe in der Sache I ZR  222/20 vor dem 1. Zivilsenat verhandelt. Hinter dem Aktenzeichen  verbirgt sich die Klage einer Ärztin aus Wien namens Dr. Iris Steineck.  Frau Steineck ist die Tochter von Erwin Komenda, der als Designer die  Karosserie-Konstruktionsabteilung Porsches von 1931 bis zu seinem Tod  1966 geleitet hat und der die Form des ersten Serien-Porsche, des Typs  356, entworfen hat. Die Dame ist der Ansicht, dass ihrem Vater  nachträglich eine Beteiligung am weltweiten Megaerfolg des  356er-Nachfolgers Porsche 911 zustehe, der 1963 auf den Markt kam und  der starke gestalterische Akzente des 356 enthalte. Überdies stamme  überhaupt die Linienführung der Sportwagenikone 911 nicht vom  Porsche-Sohn Ferdinand Alexander (“Butzi“), sondern vielmehr von ihrem  Vater.
In zwei Vorinstanzen (LG Stuttgart - Urteil vom 26. Juli  2018 - 17 O 1324/17, OLG Stuttgart - Urteil vom 20. November 2020 - 5 U  125/19 ) ist sie mit ihrer Sicht der Dinge zwar bereits gescheitert. Das  muss aber für die erneute Verhandlung vor dem BGH nichts bedeuten. Denn  dort werden nur Verfahren oder Revisionen von grundsätzlicher Bedeutung  zugelassen. So gesehen könnte das dann letztinstanzliche Urteil anders  lauten als jene Entscheidungen von Landgericht und Oberlandesgericht.
Im  juristisch-hölzern abgefassten Pressetext des Bundesgerichtshofes liest  sich das Begehren von Frau Steineck so: „Die Beklagte ist die Porsche  AG. Die Klägerin ist die Tochter des im Jahr 1966 verstorbenen früheren  Leiters der Abteilung Karosserie-Konstruktion der Beklagten. Dieser war  im Rahmen seiner Tätigkeit mit der Entwicklung des ab 1950 produzierten  Fahrzeugmodells Porsche 356 und dessen seit 1963 gebauten  Nachfolgemodells Porsche 911 befasst. Der Umfang seiner Beteiligung an  der Gestaltung dieser Modelle ist zwischen den Parteien streitig. Die  Klägerin verlangt als Erbin ihres Vaters und aus abgetretenem Recht von  der Beklagten gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ab dem 1. Januar 2014 eine  angemessene Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf der ab 2011  produzierten Baureihe 991 des Porsche 911. Sie meint, bei den Fahrzeugen  dieser Baureihe seien wesentliche Gestaltungselemente der unter  maßgeblicher Beteiligung ihres Vaters entwickelten Ursprungsmodelle des  Porsche 356 und des Porsche 911 übernommen worden. Das Landgericht hat  die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der  Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin habe zwar  bewiesen, dass ihr Vater die äußere Gestaltung der Karosserie des  Porsche 356 in seiner Urform, bei der es sich um ein Werk der  angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele,  geschaffen habe und er somit nach § 7 UrhG deren Urheber sei. Die  Baureihe 991 des Porsche 911 sei aber jedenfalls gemäß § 24 Abs. 1 UrhG  in freier Benutzung der äußeren Gestaltung der Karosserie des Porsche  356 geschaffen worden, die allenfalls als Anregung für die neue  Gestaltung gedient habe. Eine solche Nutzung begründe keinen Anspruch  auf angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG. Hinsichtlich  der äußeren Gestaltung der Karosserie des Porsche 911 in ihrer Urform  sei der Klägerin schon nicht der Nachweis gelungen, dass ihr Vater deren  Miturheber sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision  verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.“
Wie immer der  sich vermutlich länger hinziehende Prozess ausgehen wird, kundige  Betrachter der Autogeschichte wird dieses Verfahren an zwei ähnliche  Auseinandersetzungen aus Mitte der 50er-Jahre erinnern. Mittelbar ging  es damals auch um Porsche. Seinerzeit hatte der bei Daimler-Benz  beschäftigte Autokonstrukteur Béla Baréyni gegen zwei Schriftsteller  geklagt, weil diese ihn in zwei Büchern verächtlich gemacht haben. Es  ging um die Erfinderehre des VW Käfer.
Weitgehend unbekannt war  zu der Zeit, dass Béla Barényi Jahre vor Ferdinand Porsche das Prinzip  des „kommenden Volkswagens“ entwickelt hat. So nannte Barényi seine 1925  angefertigte Konstruktionszeichnung der Bodengruppe. Sie enthielt  bereits alle wesentlichen technischen Merkmale, die später den VW Käfer  kennzeichneten: Boxermotor im Heck, Luftkühlung, die Motoranordnung  hinter und die des Getriebes vor der Hinterachse. Als die beiden  Schriftsteller, Herbert A. Quint und Horst Mönnich, diese Urheberschaft  Anfang der 50er Jahre in ihren Büchern höhnisch verneinten und sie  stattdessen Porsche zuschrieben, verklagte Barényi beide. Im Laufe des  Prozesses gegen Quint stellte sich heraus, dass dieser Name von  Porschemitarbeiter Richard v. Frankenberg als Pseudonym benutzt wurde.  Barényi gewann beide Verfahren, die bis vor den BGH gingen.
Der  „Quint“-Prozess wurde vom BGH an die Patentkammer des Landgerichts  Mannheim zurückverwiesen, welches die Klage im Juli 1955 final zugunsten  Barényis entschied. Und im Oktober 1955 kam es im Berufungsverfahren  gegen Mönnich vor dem BGH zum Vergleich. Mönnich erklärte, seine  Behauptungen nicht mehr zu verbreiten. Somit kam Barényi die Priorität  zu, die wichtigsten Konstruktionsmerkmale des VW vor Porsche entworfen  zu haben. Seither gilt Baréyni, der in Diensten von Daimler-Benz unter  anderem auch die Idee zur Knautschzone entwickelt hat, als Erfinder des  Volkswagens.
Hätte Baréyni diese beiden juristischen Erfolge zum  Anlass genommen und gegen die Porsche und/oder VW auf Erfolgsbeteiligung  geklagt – schließlich zahlte Volkswagen dem Zuffenhausener  Sportwagenbauer jahrzehntelang pro hergestellten Käfer fünf Mark – wäre  wohl ein Millionenbetrag für ihn herausgekommen. Doch der 1999  Verstorbene entschied sich anders. Die Begründung dafür kann man im Buch  „Das unbekannte Genie“ - Béla Baréyni, der Schutzengel für Millionen  Autofahrer* nachlesen. Auf die Frage des Autors, warum er angesichts  dieser klaren Urteile nicht gegen Porsche oder VW vorgegangen ist,  antwortete er: „Ich war müde von den jahrelangen rechtlichen  Auseinandersetzungen. Die Prozesse zogen sich ja über sieben Instanzen.  Und ich hatte auch das Geld nicht, um weiterzumachen. Denn VW oder  Porsche wären sicher durch alle Instanzen gegangen. Das hätte mich auch  eine Menge Nerven gekostet. Ferner habe ich darauf gebaut, dass die  Herren in Zuffenhausen ein schlechtes Gewissen bekommen und mir  angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung wenigstens ein  Anstandshonorar zahlen würden. Das geschah aber nicht. Daraufhin habe  ich die Angelegenheit nicht weiter verfolgt, schließlich bin ich vor  allem Techniker und kein Geldmensch.“ 
*„Das  unbekannte Genie“ - Béla Baréyni, der Schutzengel für Millionen  Autofahrer ist als E-Book bei Apple-Books und Amazon erhältlich.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Coys
Linien-Richter BGH
Wer schuf die Karosserieform des Porsche 911?
Veröffentlicht am: 01.08.2021
Ausdrucken: Artikel drucken
Lesenzeichen: Lesezeichen speichern
Feedback: Mit uns Kontakt aufnehmen
Twitter: Folge uns auf Twitter
Facebook: Teile diesen Beitrag auf Facebook
Hoch: Hoch zum Seitenanfang




