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Sicherheitsgefühl in autonomen Fahrzeugen

Testpersonen wollen sich nicht der Technik ausgeliefert fühlen



Automatisierte Fahrzeuge können im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als Ergänzung zu Bus und Bahn einen wichtigen Baustein zur Verkehrswende leisten. So ist die Vorstellung von Verkehrsplanern und Forschern.


Soll diese Vision Wirklichkeit werden, setzt dies allerdings voraus, dass sich die Benutzer etwa von autonomen Bussen darin auch sicher und wohl fühlen, wenn kein Fahrer bzw. keine Fahrerin an Bord ist.

Insofern stellt das Sicherheitsgefühl der Passagiere ein wichtiges Thema für die Forschung rund um die Integration automatisierter Shuttles in den öffentlichen Verkehr dar, wie die Hochschule Coburg betont. Sie lieferte zu diesem Thema jetzt neue Erkenntnisse aus einer Studie zum Sicherheitsgefühl von Fahrgästen in autonomen Shuttlebussen.

Dazu führte die Hochschule eine Versuchsfahrt mit 25 Personen auf dem Firmengelände eines Automobilzulieferers durch. Der Shuttlebus war vollautomatisiert unterwegs, ohne Begleitpersonal, das gegebenenfalls hätte eingreifen können. Dabei wurden alltägliche Verkehrssituationen nachgestellt, wie etwa eine starke Bremsung an einem Fußgängerüberweg und das Kreuzen eines Scooterfahrers, wie Prof. Dr. Mathias Wilde von der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg berichtet. Als zentrales Ergebnis dieser Tests resümierten der Professor für Vernetzte Mobilität und sein Team, dass die Probanden nicht das Gefühl haben wollten, allein gelassen oder der Technik ausgeliefert zu sein.

Zur Verbesserung ihres Sicherheitsgefühls wünschten sich die Testpersonen für eine Fahrt ohne Begleitpersonal zum Beispiel einen Nothalteknopf und eine Fernüberwachung aus der Leitwarte. Für viele Menschen sei eine schnelle und zuverlässige Kommunikation mit einem Menschen wichtig, erläutert Prof. Wilde. Ideal wäre demnach eine Videoübertragung in die Leitstelle, denn „eine solche Lösung würde das Sicherheitsgefühl erhöhen und das Gefühl der Hilflosigkeit verringern“, so der Wissenschaftler.

In US-amerikanischen Studien zum gleichen Thema äußerten Probanden zudem Angst vor Verbrechen und Belästigung als Hauptgrund, warum sie sich in automatisierten Bussen nicht so sicher fühlen wie in klassischen Bussen mit Fahrer oder Fahrerin. Dies gaben laut einer Studie aus Texas vor allem Frauen und das insbesondere mit Blick auf Nachtfahrten an, wie die Hochschule Coburg berichtet. Bei einer Studie in Pennsylvania wiederum betraf die größte Sorge der Passagiere demnach mögliche technische Defekte.

Die wissenschaftlichen Beiträge zum Sicherheitsgefühl in automatisierten Fahrzeugen seien noch nicht eindeutig, fassen die Forscher der Hochschule Coburg die bisher vorliegenden Studienergebnisse zusammen. Außerdem attestieren sie diesen Untersuchungen meist einen gravierenden Nachteil: Das Empfinden der Nutzerinnen und Nutzer ist rein hypothetisch. Denn sie haben in der Regel noch nie in einem solchen Fahrzeug gesessen. In diesem Punkt unterscheidet sich die neue Studie der Hochschule Coburg von den bisherigen Untersuchungen: Wie sicher sich die Passagiere fühlen, wurde in Oberfranken anhand einer tatsächlichen Fahrt mit einem autonomen Shuttlebus ermittelt.

Interessant dürften in dem Zusammenhang auch die Resultate einer neuen Studie der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin sein. Die ergaben nämlich, wie bedeutsam es für die Bewertung der Sicherheit von automatisierten Fahrsystemen ist, mögliche psychische Gesundheitsfolgen für die Benutzer zu thematisieren. Denn das könnte wichtig für die Akzeptanz und Integration selbstfahrender Autos sein.

Die Befürworter von automatisiertem Fahren heben als dessen Vorteile hervor, dass dadurch Unfälle und damit verbundene Todesfälle im Straßenverkehr reduziert sowie der CO2-Fußabdruck verringert würden. Doch dringen sie mit dieser Botschaft auch zu den künftigen Passagieren autonomer Fahrzeuge durch? Bislang offenbar nur teilweise, wie die IPU-Studie nahelegt. Denn darin gaben 41 Prozent der Befragten an, bei der Nutzung eines automatisierten Fahrzeugs Angstsymptome zu erwarten, wie Prof. Gunther Meinlschmidt von der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin mitteilte. Weitere 15 Prozent rechnen demnach mit einer unterschwelligen sogenannten Automatophobie und 3 Prozent mit einer voll ausgeprägten Automatophobie. So bezeichnen die Wissenschaftler die Angst gegenüber automatisiertem Fahren. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie soll sich diese Automatophobie von anderen spezifischen Phobien und sonstigen Ängsten im Kontext Autofahren unterscheiden, so Prof. Meinlschmidt.

„Wir wissen aus der Geschichte der Luftfahrt, dass neue Transportmöglichkeiten mit Ängsten und Befürchtungen verbunden sein können“, erklärt der Erstautor der Studie und Professor für Klinische Psychologie und Verhaltenstherapie an der IPU Berlin sowie Leiter der Abteilung Digitale und Kombinierte Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsspital Basel. „Dennoch waren wir eher überrascht, dass ein so großer Teil der Bevölkerung Ängste und Befürchtungen in Bezug auf das automatisierte Fahren erwartet“. Und ein beträchtlicher Teil der Probanden wies demnach Symptome auf, die das tägliche Leben beeinträchtigen.

Beachtenswert finden die Forscher, dass die Symptome bei der eigenen Nutzung eines automatisierten Fahrzeugs erwartet wurden ebenso wie als Radfahrer oder Fußgänger in einem Straßenverkehr, der überwiegend durch automatisierte Fahrzeuge geprägt ist. Die Experten betonen deshalb als Studienergebnis, wie wichtig es sei, die Prävention und Behandlung von Automataphobie weiter zu beforschen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass automatisierte Fahrzeuge in der Gesellschaft immer allgegenwärtiger werden dürften.

So propagiert auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VHV) als Branchenverbund des Öffentlichen Verkehrs, das autonome Fahren als Chance für neue öffentliche Mobilität zu nutzen. Smart Mobility und autonomes Fahren böten neue Chancen für die öffentliche Mobilität, betont die Dachorganisation Öffentlicher Verkehrsunternehmen. Daher gebe es deutschlandweit bereits eine Vielzahl von Erprobungsprojekten mit automatisierten Fahrzeugen im Realeinsatz. Dabei sollte das Sicherheitsgefühl der Nutzer neben der Technik auch eine wesentliche Rolle spielen, meinen Experten.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

 


Veröffentlicht am: 19.04.2024

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